Bunte Tapeten unter einem historischen Dachstuhl
Lost Places: Das Uth-Haus

Spaziert man nach einem Abend im alten Gefängnis durch die Fischergasse nach Hause, wird es einem vermutlich noch nicht einmal auffallen. Doch zur Rechten steht ein altes, etwas morsch aussehendes Haus. Über der Haustür ein kleines, überraschend gut erhaltenes Schild: Fischergasse 2.

Was zuerst ganz unscheinbar erscheint, ist etwas Besonderes: ein über 600 Jahre altes Kle- rikalhaus, das Uth-Haus. Ein Rundgang: Im Eingangsbereich zieren zwischen Staub und freigelegtem Mauerwerk ausgesprochen gut erhaltene Fliesen im Schachmuster den Boden. Zu unserer Linken kommen wir in einen Raum, der kunterbunt ist. Türkise Fliesen in der Ecke, in der wohl einst ein Waschbecken war. Darüber Tapeten, teilweise von der Wand gezogen, legen den Blick auf zahlreiche
andere Tapeten frei, über die vor vielen Jahren wohl einfach drüber tapeziert wurde. Ein Zimmer weiter finden wir einen alten Kessel, der seine besten Tage bereits hinter sich hat, mit einem sauber gehaltenen Zählerrädchen darauf. Gehen wir die schmalen Holztreppen nach oben, an deren Seite nachträglich ein Seil zum Festhalten gespannt wurde, finden wir weitere leerstehende Räume. Hier haben sich einige Jugendliche verkünstelt. Wie uns Alexander Just von der Stadt erzählt, ist das Uth-Haus ein sehr beliebter Ort für versuchte – und einst auch geglückte – Einbrüche. Inzwischen konnte man die Türen so stark verbarrikadieren, dass es kaum noch jemand schafft, unerlaubt in das Gebäude zu gelangen. Vor einigen Jahren jedoch kam es noch öfter zu unerbetenen Gästen. Es erscheint für viele junge Erwachsene wohl wie die perfekte Mutprobe: verlassen seit mehreren Jahrzehnten, dunkel und freie Wände, an denen man sich zur Genüge verewigt hat. Der Kontrast von abgewetzten, blumengemusterten Tapeten auf der einen Seite zu – sagen wir mal – jugendsprachlichen Wörtern auf der anderen Seite hat beinahe etwas Künstlerisches. Wagen wir uns nun auf die noch schmälere Treppe, gelangen wir so zu dem berühmten, rustikalenDachstuhl.DieHolzbalkensehen nach mehreren Jahrhunderten schon mehr als mitgenommen aus, jedoch trotzdem noch stabil und sicher – mehr, als man nach all der Zeit erwarten könnte. Das alte Uth-Haus sollte nämlich eigentlich gar kein Teil mehr der Innenstadt sein. Die Abrissgenehmigung erteilte die Stadt vor einigen Jahren, zog sie jedoch nach einem erneuten, etwas tiefergreifenden Blick zurück. Das aus 1399 stammende Uth-Haus ist ein Einzelbaudenkmal und somit vom Abriss ausgeschlossen. Vielmehr wurde dann eine Restauration – die ohne Frage nötig wäre – ins Auge gefasst. Genaue Pläne und eine zeitliche Abfolge dafür gibt es jedoch noch nicht. Aber: Nachdem das Asamgebäude restauriert sein wird und der Stadt zu neuem Glanz verhilft, soll auch das Uth-Haus eines Tages zum Zug kommen.

Besonders aufmerksam macht uns Alexander Just auf den alten Dachstuhl. Der stammt noch von 1399, die heute jedoch etwas mitgenommenen Holzbalken wurden von außen mit einem Wellblech bedeckt, um den seltenen Dachstuhl vor Witterung schützen zu können. 1491 wurde zwischen dem Erdgeschoss und dem Dachstuhl noch eine weitere Etage mithilfe querliegender Holzbalken eingezogen. Was außerdem bemerkenswert an dem betagten Haus ist, dass es ein sogenanntes Rauchdach besitzt, erzählt uns Alexander Just. Dabei konnten die Küchendünste und der Qualm der Heizung direkt nach Außen entweichen.

Die weitverbreitete Bezeichnung „Uth-Haus“ ist etwas umstritten. Diesen Namen hat es von seinem letzten Bewohner bekommen. Da vor einigen Jahren jedoch eine dendrochronologische Untersuchung durchgeführt wurde, konnte festgestellt werden, dass das Gebäude aus dem Hochmittelalter stammt und somit eigentlich ein Klerikalhaus ist. Die Meinungen gehen jedoch auseinander. Doch egal, wie man es nennen mag, dieses Haus gehört eben zur Stadt. Auch als ein lost place.

(Von Denice Fuchs)

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Juni 2023.
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