Mordversuch im Liebeswahn
aus dem Buch „Freising - Vergessene Geschichten“

Verschmähte Liebe ist ein starkes Motiv für ein Verbrechen aus Leidenschaft – gestern wie heute und in der Literatur ebenso wie im realen Leben. Als historische Kriminalgeschichte mit ebenso tragischen wie grotesken Zügen stellt sich eine Begebenheit über einen gescheiterten Mordversuch aus der Zeit des Deutsch-Französischen Krieges dar, die sich im Frühjahr 1870 in Freising zugetragen hat. Die missglückte Rache eines heftig verliebten und offensichtlich auch geistig verwirrten ledigen Drechslergesellen an einer feschen Freisinger Schuhmacherstochter ist ausführlich dokumentiert: Eine ganze Reihe von renommierten Zeitungen aus dem Königreich Bayern befasste sich ausführlich mit dieser „Burleske“ (Zitat aus dem Bayerischen Kurier).

In besagter Gazette, deren Stil durchaus ein wenig an die Bild-Zeitung erinnert, wird das Verhalten des mehrfach abgewiesenen Liebhabers mit einem Stück aus einem Volkstheater verglichen: aberwitzig, abstrus und traurig zugleich.

Tragikomische Liebesgeschichte nimmt ihren Lauf 

Die männliche Hauptrolle hat der im Herbst 1869 nach Freising zugezogene Friedrich Frick, der beim ortsansässigen Drechslermeister Franz Jungermaier sein Brot verdient. Durch Friedrichs Freundschaft mit dem Bürstenbindersohn Georg Zehntner begegnet er der jungen Antonie Vogt, der gewissermaßen die weibliche Hauptrolle des realen Spektakels zukommt.

Die Schuhmacherstochter lebt mit der Familie ebenfalls in der Ziegelgasse Hausnummer 321 (heute Nr. 21), im gleichen Haus wie die Zehntners. Frick verliebt sich unsterblich in die als „jung und schön und mit feinen Manieren“ beschriebene junge Frau, die er von da an anschmachtet, aber immer wieder abblitzt mit seinen aufdringlichen Liebesbekundungen. Aus heutiger Sicht könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass Frick seine Angebetete „stalkt“ – und dabei immer mehr den Bezug zur Realität verliert. Er vernachlässigt zusehends seine Arbeit, so dass dem Meister nichts anderes übrigbleibt, als seinen bislang fleißigen Gesellen zu entlassen.

Der enttäuschte Galan kehrt mit seinem großen Liebeskummer im Februar 1870 schließlich wieder in seine Heimat zurück. Doch auch aus der Ferne setzt er sein Liebeswerben fort und schreibt „seiner Antonie“ sehnsuchtsvolle Briefe mit abenteuerlichstem Inhalt und ergeht sich „in lauter süßen Liebesschwärmereien“, aus denen ersichtlich wird, dass Frick Phantasie und Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden kann.

Endlich antwortet Antonie auf seine Briefe – allerdings anders als er erhofft hatte. Sie schreibt nämlich, dass sie die Nase voll habe von ihrem aufdringlichen und unerwünschten Verehrer – und keinerlei Kontakt mehr wünsche. Diese klare Ansage hält Frick aber nicht davon ab, nach Freising zurückzukehren, um sein verzweifeltes Bemühen fortzusetzen – zu groß ist seine Sehnsucht. Er will eine Begegnung mit der Schuhmacherstochter erzwingen. Doch Antonie gelingt es immer wieder, ein Zusammentreffen zu vermeiden. 

Vor dem Hintergrund der folgenden dramatischen Ereignisse muss davon ausgegangen werden, dass irgendwann aus der unerwiderten Liebe unversöhnlicher Hass geworden ist. Diesen „psychologischen Schluss“ zieht dann auch der Bayerische Kurier und wagt einen Blick in das Innenleben des abgewiesenen Freiers: „Da durchzuckt ihn der Gedanke, dass Antonie am Ende nichts mehr von ihm wissen will; aber nie soll sie einem anderen angehören – nein – sie muss sterben, und er mit ihr.“

Schießübungen im Vorfeld der Tat

Getrieben von diesem Mordvorsatz begibt sich Frick in das Geschäft des Freisinger Büchsenmachers Neubauer und kauft sich ein „Doppelterzerol“ [also eine doppelläufige kleine Vorderladerpistole] und dazu „Pulver und Spitzkugeln“.

Der nächste Schauplatz der Vorkommnisse und Verwirrungen ist die damalige Schießstätte beziehungsweise die in unmittelbarer Nähe gelegene Schießstättenwirtschaft an der Eisenbahnlinie (heute Dr.-von-Daller-Straße). Dort wundern sich die ortsansässigen Stammgäste am 6. April 1870 über einen fremden Burschen, der sich dadurch verdächtig macht, dass er mit einem „verwirrten Blick“ um die Schießstätte zieht und schließlich beim Einschießen seiner mitgebrachten Pistole um Hilfe bittet, die ihm auch gewährt wird. Nach mehreren Schießübungen begibt er sich in den Schießstätten-Gasthof, wo er sich mit einigen Schoppen Wein berauscht, zahlt und schnellen Fußes das Lokal wieder verlässt – so die späteren Zeugenaussagen.

Was dann genau geschah, versucht das Schwurgericht München in einem Aufsehen erregenden Prozess am 9. Juli 1870 zu rekonstruieren. Dabei geht es um die Frage, ob das Verhalten des Angeklagten, der als „schmächtiges Bürschchen, blass und angegriffen“ beschrieben wird, auf eine Geisteskrankheit und somit auf eine „geminderte Zurechnungsfähigkeit“ zurückzuführen ist oder nicht. Wie die Geschichte zu Ende gegangen ist und welch unerwartete Wendung sich dabei noch vollziehen sollte, wird im Buch „Freising – Vergessene Geschichten“ beschrieben.

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom November 2021.
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