Gestaltung eines attraktiven Lebensraums für alle
Auf dem Weg zur barrierefreien Altstadt

Die Neugestaltung der Freisinger Innenstadt schreitet gut und für alle sichtbar voran. Im vergangenen Jahr wurden die Oberflächen in der Unteren Hauptstraße zwischen Weizengasse und Amtsgerichtgasse neugestaltet. Damit ist nun der erste große, zusammenhängende Abschnitt in der Unteren Altstadt fertiggestellt, der den Blick auf das zukünftige Innenstadtbild freigibt.

Verkehrskonzept

Ein wesentlicher Teil des umfassenden Verkehrskonzepts ist die Ausweisung nahezu der gesamten Innenstadt als verkehrsberuhigter Bereich. Dieser gewährleistet den anliegenden Geschäften, Arztpraxen, Büroräumen und Wohnungen eine gute Erreichbarkeit. Ohne räumliche Trennung der Verkehrsarten ist ein Begegnen auf Augenhöhe in diesem Bereich möglich, in dem alle Verkehrsteilnehmer*innen gleichberechtigt sind. Ziel ist eine höhere Aufenthaltsqualität für alle. Das bedeutet insbesondere für Autofahrer*innen einige Änderungen: Sie dürfen nur noch mit einer geringen Schrittgeschwindigkeit fahren, Parkplätze werden in der Hauptstraße nicht mehr angeboten. Als Fußgängerzone werden hingegen der Marienplatz, der angrenzende Abschnitt von der Bahnhofstraße bis zur Amtsgerichtsgasse und ein Teil der Ziegelgasse ausgewiesen. Dadurch wird der motorisierte Durchgangsverkehr in der Innenstadt in Zukunft unterbunden und der Stadtraum wird (wieder) maßgeblich den Fußgänger* innen und Radfahrer*innen gehören.

Neugestaltung der Belagsflächen

Ein weiterer wesentlicher Baustein bei der Neugestaltung der Freisinger Altstadt ist die Barrierefreiheit (mehr dazu siehe Kasten). Im Vorfeld des Umbaus erfolgte ein intensiver Abstimmungsprozess unter anderem mit den Freisinger Agenda 21-Projektgruppen „Seniorinnen und Senioren“ sowie „Menschen mit Behinderung“, dem Behindertenbeauftragen der Stadt Freising und eine gutachterliche Begleitung durch die Bayerische Architektenkammer. Durch diesen Prozess konnten neue Impulse und Anregungen aufgenommen werden. Das Ergebnis ist das „Konzept Barrierefreiheit“, welches Rahmenbedingungen und Detaillösungen vorsieht, um allen Menschen ein sicheres Begehen und Nutzen des Stadtraums zu ermöglichen.

Taktiles und visuelles Leitsystem

In der Unteren Hauptstraße und den angrenzenden Nebengassen sind das „Konzept Barrierefreiheit“ und damit auch viele Detaillösungen bereits umgesetzt. Durch die Aufhebung der klassischen Trennung des Straßenraums in Geh- und Fahrbereich können die 15 Zentimeter hohen Bürgersteige entfallen. Der gesamte Straßenraum erstreckt sich nun nahezu auf einer Ebene. Entlang der Häuserfassaden liegen großformatige Natursteinplatten, die sehr gut zu begehen sind. In diesem Bereich können Cafés ihre Tische aufstellen und Geschäfte ihre Waren ausbreiten. In deutlichem Abstand zu den Fassaden befinden sich die Entwässerungsrinnen. Diese Rinnen dienen neben der Wasserführung als taktiles Leitsystem und somit auch als Wegweiser durch die Innenstadt für Menschen, die einen Langstock verwenden. Wenige Millimeter tiefer als die angrenzenden Oberflächen verlaufen diese Rinnen künftig entlang der gesamten Hauptstraße. Sie stellen einen guten Kompromiss zwischen einer barrierefreien Straße ohne Hürden und einem guten haptischen Orientierungs- und Leitsystem für Menschen mit Sehbeeinträchtigung dar. Damit der Leitstreifen uneingeschränkt genutzt werden kann, müssen die Entwässerungsrinne und ein beidseitiger Korridor von etwa 80 Zentimetern freigehalten werden. Dort dürfen beispielsweise keine Fahrräder, Autos oder mobile Werbeträger abgestellt werden.

Über die Gassen ins Zentrum

Der Weg über die Gassen hinein in die Altstadt zur Hauptstraße und zum Marienplatz führt meistens über eines der ehemaligen Stadttore. An deren vermuteten, ehemaligen „Fußabdruck“ wird ein gebrochenes Natursteinpflaster als „historische Spur“ mit einer zusätzlichen Namensgravur des jeweiligen Stadttors eingelegt – so wie der Hinweis auf das einstige “Murntor” in der General-von-Nagel-Straße oder die Nachempfindung der Stadtmauer im Belag der Weizengasse. In den Gassen verläuft die Entwässerungsrinne zumeist in der Straßenmitte und dient im Gegensatz zur Hauptstraße nicht als taktiles Leitsystem. Zur Orientierung für Menschen mit Handicaps wurde jeweils eine Straßenseite festgelegt, bei der möglichst wenige Barrieren wie Hauseingänge oder Ausstattungselemente zu bewältigen sind. Kontrastreiche Steine mit gebrochener Oberfläche dienen als zusätzliche Orientierungspunkte. Nicht nur die Hauptstraße und die zentralen Gassen in die Altstadt werden barrierefrei ausgebaut: Gehfreundlich sollen ebenfalls die kleinen Nebengassen gestaltet werden. Dafür werden in das vorhandene Großsteinpflaster fußgängerfreundliche Streifen eingelassen – entweder als Band mit Platten wie am Marienplatz und der Ziegelgasse oder mit gesägtem Großsteinpflaster wie bereits im Mittleren Graben umgesetzt.

Barrierefreier Buseinstieg

An den Bushaltestellen befinden sich längs der Straße Bordsteine, um den Einstieg in die Busse zu erleichtern. Die Warteflächen werden mittels Übergangsteinen mit einem minimalen Gefälle behindertengerecht ausgebaut. Für eine schnelle Orientierung des Einstiegspunktes zeigt ein taktiles Feld im Boden die Stelle der Bustür an.

Förderung des Innenstadtumbaus

Bund und Land unterstützen die Stadt Freising seit über zehn Jahren mit dem Städtebauförderungsprogramm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“, um die Innenstadt in ihrer Vielfalt als lebendiges Wohn-, Kultur- und Handelszentrum zu stabilisieren und weiterzuentwickeln. Übergeordnetes Ziel der staatlichen Förderungen ist die Stärkung von Innenstädten und Ortszentren unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes und Maßnahmen zur Behebung sozialer und städtebaulicher Missstände. In partnerschaftlicher Zusammenarbeit von kommunalen Akteur* innen, Bürgerschaft, Vereinen, Handel, Gastronomie und Gewerbe sowie Immobilieneigentümer*innen können die Kommunen Maßnahmen umsetzen, welche die Attraktivität und Gestalt ihrer Zentren steigern. Zudem werden Städte und Gemeinden in ihren Bemühungen unterstützt, Funktionsverluste und Leerstände in zentralen Versorgungsbereichen zu bewältigen. Freising profitiert in besonderem Maße von den Zuwendungen des Bundes und des Freistaats Bayern bei der Umsetzung der Sanierungsmaßnahme des historischen Asamgebäudes, beim Umbau der Innenstadt und bei Fassadensanierungen von Ensemblebauten. Insbesondere ist der ganzheitliche Ansatz des innovativen „Konzepts Barrierefreiheit“ eine Voraussetzung für die Beantragung und Gewährung der Fördermittel. Gleichzeitig profitieren Bürger*innen und Gäste von der deutlichen Aufwertung der Aufenthaltsqualität.

Online aktuell informiert

Über den Prozess der Innenstadt-Neugestaltung informiert die Stadt Freising auf einer eigenen Webseite. Dort werden ebenso Hintergrundinformationen zum Konzept präsentiert wie aktuelle Baustellen- und Verkehrsmeldungen, die Pläne für die jeweiligen Bauabschnitte, Neuigkeiten, interessante Berichte und viele Bilder.

Klicken Sie rein: innenstadt.freising.de

Was bedeutet Barrierefreiheit?

Der Begriff Barrierefreiheit wird in Deutschland nicht einheitlich verwendet. Nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) spricht man von Barrierefreiheit, wenn Menschen mit und ohne Behinderung eine von Menschen gestaltete Umwelt gleichermaßen nutzen können. In diesem Sinne bedeutet Barrierefreiheit eine allgemeine Gestaltung für einen unbestimmten Personenkreis. Da es nur um Gestaltungen geht, die der Mensch vornimmt, bezieht sich Barrierefreiheit zum Beispiel nicht auf die Natur, die bewusst unberührt bleiben soll. Von Barrierefreiheit wird zum Teil auch gesprochen, wenn individuelle Barrieren abgebaut werden sollen und diese auf eine bestimmte Person bezogen sind – also auf bekannte Nutzer*innen. Zuweilen wird ebenfalls der Abbau von Vorurteilen zum Begriff Barrierefreiheit gezählt.

(Quelle: www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de, Februar 2020) 

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom März 2020.
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