Das Hofkutschenhaus auf dem Domberg

Nördlich des Freisinger Domes, dem Nordturm direkt gegenüber, steht das frühere Hofkutschenhaus der Fürstbischöfe von Freising. Es gehört zu einer Reihe von Gebäuden, die bis heute Freisings einstige Bedeutung als Residenzstadt bezeugen. Zu den verschiedenartigen Bedürfnissen, die die Funktion als Sitz der Regierung und der Hof haltung eines Fürstbischofs mit sich brachte, gehörte auch die Ausstattung mit einer ausreichenden Zahl an repräsentativen Kutschen und Wägen.
Zu diesem Zweck wurde das bis heute erhaltene Hof kutschenhaus im Auftrag Fürstbischof Albrecht Sigmunds von Bayern (reg. 1651-1685)  errichtet.

Bauprojekte Fürstbischof Albrecht Sigmunds.

Der Bau des Hofkutschenhauses fiel in eine Zeit, in der es im Bereich des Domberg-Scheitels zu großen baulichen Veränderungen kam. Diese hingen zusammen mit dem ausgeprägten Repräsentationsbedürfnis Fürstbischof Albrecht Sigmunds von Bayern, einem Wittelsbacher, der aus dynastischen Gründen auf den Freisinger (1668 auch auf den Regensburger) Bischofstuhl gehievt wurde, jedoch niemals die Priesterweihe empfangen hatte. Er war – zumindest in den Angelegenheiten der weltlichen Regierung – ein durchaus fähiger Mann, zu seinen persönlichen Interessen gehörte die Jagd sowie die „Alchemie“, wofür er in der Residenz ein eigenes „Laboratorium“ einrichten ließ.

Die Realisierung seiner Bauprojekte auf dem Domberg setzte kurz nach dem Regierungsantritt 1651 mit bescheidenen Bau-und  Ausstattungsmaßnahmen ein. So etwa 1653 mit dem Bau des Ballhauses, das sich – wohl überwiegend aus Holz aufgeführt – im Bereich westlich des späteren Hofkutschenhauses und nördlich der Hofschmiede befand und für die Veranstaltung von Ballspielen (nicht Tanzbällen) genutzt wurde.

Zu einer Kulmination diverser Bauprojekte kam es bald nach Albrecht Sigmunds Wahl zum Regensburger Fürstbischof (1668) sowie zum Propst von Altötting. Er verfügte nun über deutlich größere Geldmittel – vermutlich der Grund für die Ausführung folgender Domberg-Projekte: ab 1668 der Bau des „Großen Saals“ in der Residenz, ab 1670 der Bau des neuen Marstalls zwischen Dom und Residenz, in diesem Zusammenhang wohl überhaupt Entstehung des heutigen großf lächigen Domplatzes, ab 1672 schließlich der Bau des neuen Hofkutschenhauses. Etwas später, ab 1682, folgte der Bau des Fürstenganges auf der Nordseite des Domplatzes sowie die Aussichtsterrasse vor der Residenz. Zu ergänzen wären diese Baumaßnahmen auf dem Domberg um ein außerhalb davon gelegenes repräsentatives Projekt, das aber im gleichen Kontext zu sehen ist: der neue Hofgarten an der nachmaligen Kammergasse, der 1663 begonnen und 1668 mit dem Bau des Hofgartenschlösschens zu einem vorläufigen Abschluss gebracht wurde.

Zum Bau des Hofkutschenhauses.

Wenn das Hochstift ein Gebäude errichten wollte, kam stets eine Behördenmaschinerie in Gang, mit deren klar gegliederten hierarchischen Struktur der Bau zeitnah und möglichst wirtschaftlich zu einem Ende gebracht werden sollte (was nicht immer gelang). Oberste Instanz für sämtliche hochstiftische Hoch- und Tief baumaßnahmen im Bereich der Stadt Freising war – nach dem Fürstbischof – die Zentralbehörde für Finanz- und Wirtschaftsangelegenheiten, die sog. Hofkammer. Dieses seit 1601 bestehende Kollegialgremium setzte sich aus mehreren Hofkammerräten zusammen, die jede Entscheidung nach einer vorangegangenen Diskussion nach dem Mehrheitsprinzip fällten. Der Hofkammer unterstand das Freisinger Hofbauamt, eine Unterbehörde, zu deren Aufgabenspektrum in erster Linie der bauliche Unterhalt hochstiftischer Bauwerke, aber eben auch Neubaumaßnahmen gehörten. Der an der Spitze stehende Hofbauamtsverwalter (auch Bauschreiber genannt) organisierte das laufende Tagesgeschäft und stellte eine Art Bindeglied zwischen den jeweils mit der Ausführung beauftragten Architekten,Hand- und Kunsthandwerkern einerseits und der Hofkammer andererseits dar. Zu seinen Aufgaben gehörte auch die Beschaffung der Baumaterialien: Hier waren zumeist zwei Behörden gefragt, zum einen die fürstbischöfliche Hofziegelei (nördlich des Kammerhofes), die die in der Stadt benötigten Ziegel brannte, und zum anderen das fürstbischöfliche Waldmeisteramt Werdenfels; letzterer Behörde unterstand die Verwaltung des reichen Holzbestandes der Freisingischen Grafschaft Werdenfels; über den Floßbetrieb auf der Isar ging der Holztransport von Mittenwald aus bis nach Freising. Verarbeitet wurde das Holz in der fürstbischöflichen Sägemühle, die ihren Standort hinter der Sondermühle (heute „Breymühle“) hatte.

Zu den wenigen archivalischen Hinweisen zum Bau des Hof kutschenhauses gehört ein Materialvoranschlag des Hof bauamtsverwalters Simon Berger, der im August 1672 bei der Hof kammer einging. Danach wurden 48.000 Ziegelsteine, „24 Muth Kalch“, „100 Fueder Sandt“, „24.000 Tach Plathen“, „165 Flospäm“, „520 Tachlathen“, „174 Fölz Pretter“, „100 gmaine Pretter“ und „1½ Lagl Nögl“ gebraucht. Die Planung wie auch die leitende Ausführung lag in Händen des Jobst Mospruger aus Vorarlberg, „Maurmaister am Praegenzer Waldt“, wie er bezeichnet wurde. Auf welche Weise die Verbindung Mosprugers zum Freisinger Hof zustande kam, ist nicht klar. Jedenfalls oblagen ihm die Planung und die Ausführung noch weiterer Freisinger Gebäude dieser Zeit: zum einen die Erweiterung der Altöttinger Kapelle vor dem Münchner Tor (1672), zum anderen der Neubau des Marstalls am Domplatz (ab 1670). Letzteres Projekt in Zusammenarbeit mit einem Hanns Mospruger, dessen konkretes Verwandtschaftsverhältnis zu Jobst Mospruger nicht geklärt ist. Der Bau des Hofkutschenhauses war im Herbst 1672 noch nicht vollendet, so dass eine Fertigstellung für 1673 anzunehmen ist. Es ist nicht bekannt, welches Gebäude bis1672 an der Stelle des neuen Hofkutschenhauses stand, es wurde jedoch in eine einigermaßen dicht bebaute Umgebung eingefügt. Im Osten grenzte die Dompropstei an, ein bis zu seiner Dezimierung im 19. und 20. Jahrhundert gewaltiger Baukörper, der Sitz des – zumindest formal – wichtigsten Mannes nach dem Fürstbischof (heute Wohnhaus). Im Westen grenzte, wie erwähnt, das 1653 errichtete Ballhaus an (heute durch kleine Wohnhäuser ersetzt), im Norden, unterhalb des Gebäudes, die Hofschmiede (zu Wohnzwecken umfunktioniert). Nach Süden lag das Hofkutschenhaus mit seinem oberen Tor der hinteren Einfahrt in den Domplatz, zwischen St. Johann Baptist und Dom, direkt gegenüber, was sicher praktische Gründe hatte.


Zur Funktion des Hofkutschenhauses

Im Hofkutschenhaus wurden – wie der Name sagt – die Kutschen und Wägen des Hofes eingestellt. Dazu gehörten einfache Wägen, die zum Lastentransport eingesetzt wurden, aber auch die repräsentativen Kutschen des Fürstbischofs, im 18. Jahrhundert oft als „Galla Wagen“ bezeichnet. Nach dem Tod des Fürstbischofs Johann Theodor von Bayern (reg. 1727-1763) wurde im Zusammenhang mit der Schätzung seines Besitzes ein solcher Galawagen beispielsweise auf 800 Gulden geschätzt, eine gewaltige Summe für ein gebrauchtes Objekt. Durch die Lage bzw. durch die Bauweise des Hofkutschenhauses konnten die Wägen und Kutschen relativ bequem auf zwei Etagen verteilt werden.

Der bauzeitliche Aufriss der Südfassade (vgl. Abb.) zeigt zwei Tore in der unteren Etage, die von der kleinen Gasse unter der Holzbrücke aus angefahren werden konnten; wie der heutige Zustand zeigt, wurde das rechte Tor entweder nie gebaut oder aber später zugemauert. Die obere Etage konnte über die Holzbrücke befahren werden. Nach dem Ende der fürstbischöf lichen Herrschaft 1802/03 gelangte das Gebäude in bayerischen Besitz. Es wurde teils in seiner ursprünglichen Funktion weiterverwendet, teils auch als Lager von Baumaterialien umfunktioniert. Heute ist das Hofkutschenhaus das einzige Gebäude auf dem Domberg, das weder im Inneren, noch im Äußeren renoviert worden ist. Vor einigen Jahren ging das Haus durch Ankauf in die Hände des Erzbistums München und Freising über. Wie man das unscheinbare, aber doch sehr große denkmalgeschützte Haus nach einer Sanierung nutzen könnte, darüber gibt es noch keine konkreten Konzepte.

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom September 2012.
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