von Elisabeth Melzer
Die Agenda21-Gruppe Bio-Stadt Freising und die Öko-Modellregion Naturraum Ampertal bemühen sich um mehr Bio in der Kommune, aber auch um Vernetzung und Wertschöpfung in der Region. Die Frischeküche in der neu eröffneten Grundschule am Steinpark ist ein gelungenes Beispiel dafür.
Es duftet verführerisch aus der Küche hinter der Pausentheke. Küchenchef Christian Ascher hat eingeladen, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Bio-Fleischlieferant Johann Kirchfeld sowie Viktoria Ocvirk, Projektmanagerin der Öko-Modellregion, sind gekommen. Aschers Tochter Lola steht eingenebelt im Küchendampf und schmort Zwiebeln und Fleischwürfel in zwei großen Kippbratpfannen. „Sonst bereiten wir alles frisch zu“, erklärt sie, „nur das Rindergulasch machen wir schon am Vortag, das schmeckt dann einfach aromatischer. Für heute Mittag stehen Rohkost, Kartoffeln, Cordon Bleu sowie Kräuterquark auf dem Speiseplan.“ Unzählige Gefäße aus Edelstahl in verschiedensten Größen stapeln sich in den Regalen, und die Anzahl an Geräten – Backöfen, Dampfgarer, Warmhaltegeräte, Koch- und Bratgefäße – ist für Laien kaum zu erfassen. Hinter der Küche liegen vier große Kühlräume. „Es ist eine moderne, gut geplante Küche“, urteilt Christian Ascher über sein neues Wirkungsfeld. „Man konnte reingehen und anfangen.“
Mehr Bio in der Schulverpflegung
Zum Schuljahresstart 2022 eröffnete das Schulzentrum im Steinpark seine Pforten. Dass es mit einer eigenen Küche ausgestattet ist, gab der Stadt die Gelegenheit, dem Beitritt zum Netzwerk der Bio-Städte Taten folgen zu lassen. Wieviel Bio ist regional überhaupt machbar? – die Kompetenz der Agenda21-Gruppe Bio-Stadt und die Kontakte der Öko-Modellregion waren einmal mehr gefragt. Gesucht wurde schließlich ein Caterer, der mit einem Anteil von mindestens 30 Prozent Bio-Lebensmitteln aufwarten kann. Das Familienunternehmen Ascher aus Schwaig bekam den Zuschlag. Es bot 40 Prozent Bioanteil, arbeitet seit langem mit Landwirten aus der Region zusammen und ist auf die Verpflegung von Kindergarten- und Schulkindern spezialisiert.
Christian Ascher hat seine Lehre zum Koch bei Käfer in München absolviert. Wie aber kommt ein Koch aus der Sterneküche zu einem Catering-Unternehmen, das Kinder verköstigt und bei dem die komplette fünfköpfige Familie mitzieht. „Da liegt ein ganzes Leben dazwischen“, antwortet der Fünfzigjährige lachend und beginnt gestikulierend zu erzählen. Erst sei da das Restaurant am Gärtnerplatz gewesen, später der Umzug zu den Eltern nach Oberding und die Übernahme des Sportheims am Ort. „Das ist mit Geburtstagsfeiern und anderen Festivitäten gut gelaufen, aber dann hat mich der Bürgermeister gefragt, ob ich das Catering für die Schule übernehmen würde. Das wollte sonst keiner übernehmen, weil du keine Umsätze damit machst“, sagt Ascher und grinst. „Aber ich wusste, das wird mehr, und dann haben wir 2014 in Schwaig gebaut, und meine Kinder Lola, Jan und Raffael waren nach ihrer Ausbildung bereit, mitzumachen.“ Heute verarbeitet Christian Ascher mit 23 Mitarbeitern etwa eine Tonne an Lebensmitteln täglich und beliefert rund 80 Schulen und KiTas in den Landkreisen Freising, Erding, Dorfen, Haag und Mühldorf.
Nudeln machen glücklich
„Kinder sind ein anspruchsvolles Publikum“, bemerkt der Küchenchef augenzwinkernd. „Am liebsten mögen sie Nudeln – aber mit einer roten, nicht mit einer weißen Soße, außerdem Überbackenes, Paniertes, Gyros und Geschnetzeltes.“ Beim Speiseplan orientiert sich der Küchenchef unter anderem an den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Ein bis zwei Mal pro Woche kommt Fleisch auf die Teller, einmal Fisch und abwechselnd Rohkost, Gemüse, Salat oder Obst. Auch eine Süßspeise mit einer Suppe davor steht gelegentlich auf dem Speisezettel, und auf fleischlose Esser und Allergien ist man eingestellt. In der Steinparkschule fällt dem Caterer auf, dass die meisten Kinder gute Esser sind. „Sie haben Hunger und holen sich schon mal eine zweite Portion. Das ist an anderen Schulen nicht so.“ Christian Ascher beobachtet gern und genau: „Wenn in einer Einrichtung viele Kinder mit Migrationshintergrund sind, dann gibt es eben weniger oft Semmelknödel und stattdessen Bulgur oder Couscous. Anfangs war mein Unternehmen ein Geschäftsmodell wie jedes andere, aber mit der Zeit wurden wir uns immer mehr der Verantwortung bewusst, die es bedeutet, Kindern fünf Mal pro Woche die Hauptmahlzeit des Tages zu servieren.“
Die Steinparkschule ist die erste Einrichtung, in der auch ein Anteil an Biolebensmitteln gefordert wurde. „Das war Neuland für uns“, gesteht der erfahrene Caterer. „Aber mir war auch klar, das ist ein Zukunftsthema. Unsere Küche in Schwaig hatten wir schon biozertifizieren lassen, und hier in der Schule ist das auch passiert. Beispielsweise müssen konventionelle und biologisch erzeugte Lebensmittel separat gelagert werden.“ 30 Prozent Bio hatte die Stadt Freising in ihrer Ausschreibung gefordert, 40 hat Ascher angeboten. Auf die Frage nach dem Warum antwortet er: „Weil wir es können! Wir haben schon davor 80 Prozent regionale Lebensmittel verarbeitet und sind damit in der Region gut verankert“. Für Ascher sind die Geschäftsbeziehungen zu den Landwirten ein Gewinn. „Unsere Gurken beziehen wir aus den Gewächshäusern von Johannes Zollner in Eitting. Die müssen keiner Handelsklasse genügen, sondern dürfen auch mal schief und krumm sein. Kartoffeln holen wir in Moosinning von Franz Gassner. Und weil Kunden wie wir ihm mit sechs bis acht Tonnen pro Monat eine große Abnahmemenge garantieren, wird der Sohn den Hof übernehmen. Dafür kann ich ihm sagen: Bau mir nächstes Jahr bitte eine andere Sorte an, die letzten waren mir für das Kartoffelpüree zu speckig.“
Regionale Netzwerke
Hellauf begeistert ist Christian Ascher darüber, dass er durch Vermittlung von Veronika Ocvirk von der Öko-Modellregion mit Johann Kirchfeld seinen Bio-Fleischlieferanten gefunden hat. Maria und Johann Kirchfeld betreiben eine Landwirtschaft mit Direktvermarktung von Gemüse, Fleisch, Eiern und anderen Produkten ab Hof oder per Biokiste (Königsfelder BIO-Kiste). Christian Ascher kauft ihm ganze Weidetiere der Rasse Blonde d’Aquitaine ab, lässt diese schlachten sowie nach seinen Bedürfnissen zerlegen und verarbeitet das ganze Tier. Das ermöglicht den Geschäftspartnern eine Preiskalkulation, von der beide profitieren. „Das ist ein großer Glücksfall“, schwärmt Ascher „und es zeigt, wir sind auf dem richtigen Weg, uns zu vernetzen.“
Frisches Fleisch und Gemüse in Bio-Qualität sind Christian Ascher wichtig, dann dürften andere Zutaten wie etwa Reis, Nudeln und Hülsenfrüchte ruhig konventionell sein. „Ich arbeite heute wie früher in meiner Lehre. Ich setze Suppen und Soßen mit Markknochen, Fleisch- und Gemüseresten an, und für das Kartoffelpüree verarbeite ich Kartoffeln. Kartoffelsalat aus dem Eimer und Fertigpüree sind in unserem Betrieb Fehlanzeige. Durch die handwerkliche Produktion und die Zusammenarbeit mit Landwirten vor Ort sind wir ohne Lieferschwierigkeiten durch die Corona-Zeit gekommen.“
Aus der Küche der Steinparkschule werden täglich 50 bis 60 Essen von Schülern und Schülerinnen vor Ort verspeist, 260 Rationen gehen mittags an andere Schulen und KiTas in Freising. Bis zu 1800 Essen könnte man in der Küche zubereiten, aber Ascher hat vorerst noch andere Pläne. Er möchte stärker mit der Modellregion zusammenarbeiten und den Kindern Äpfel von Streuobstwiesen kredenzen, Gemüsepflanzerl selber machen und Brot backen. „Der nächste, den ich einstelle, wird ein Bäcker sein“, sagt er bestimmt. „Semmeln, Brot und Gebäck, das man kaufen kann, liegen mir noch schwer im Magen.“
Die Wanduhr zeigt 12:30 Uhr. An der Pausentheke hat die Küchenhilfe Odalia Perez angefangen, Gurken und Paprika in mundgerechte Stücke zu schneiden und mit der Rohkost kleine Schälchen zu befüllen. „Alles soll möglichst frisch angerichtet werden“, sagt sie und bedauert zugleich, dass nicht alle Kinder Rohkost mögen. Punkt 13 Uhr kündigt ein Gong im Schulgebäude Unterrichtsschluss und Mittagspause an. Eine Rasselbande von Grundschülern stürmt lärmend in den Speisesaal und kapert die Tische. „Ich habe Hunger“, tönt es ungeduldig aus mehreren Kehlen. Aber dann stellen sich alle ganz gesittet in einer langen Schlange zur Essensausgabe an. Die einen sind hellauf begeistert, andere rümpfen eher die Nase. Kinder sind eben anspruchsvolle Esser.
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom April 2023.
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