Wer die Mainburger Straße (B 301) stadtauswärts geht oder fährt, bewegt sich auf der Hügelkuppe, kurz vor der Linkskurve, geradewegs auf die Überreste der ehemaligen General-von-Stein-Kaserne zu: das rot leuchtende Stabsgebäude, davor der Rest der so charakteristischen Bruchsteinmauer. Zumeist wohl nur im Unterbewusstsein nimmt man die kleine Grünfläche wahr, die sich im Kreuzungsbereich Mainburger Straße/General-von-Stein-Straße unauffällig zwischen Gehweg und Kasernenmauer schiebt. Die sonst durchgehend freigestellte Mauer ist einzig in diesem Abschnitt kaum zu sehen, denn seit vielen Jahrzehnten wird sie hier von üppigem Strauchwerk verdeckt. So, als müsste etwas verborgen werden.
Tatsächlich verbirgt sich etwas hinter den Sträuchern: Wer sich die Mühe macht, die Äste ein bisschen zur Seite zu drücken, wird eine Stele entdecken, die aus demselben Bruchsteinmaterial wie die Kasernenmauer zusammengesetzt ist. Bei genauerer Betrachtung fällt ein im oberen Drittel der Stelen-Vorderseite eingefügter kreisrunder Stein auf, der auffallend grobschlächtig behauen ist. Ursprünglich war auf diesem Stein das Hakenkreuz angebracht, auf der Stele stand ein NS-Reichsadler (vgl. Abb.). Bei öffentlichen NS-Bauten war die Anbringung entsprechender Symbole, in der Regel im Eingangs- oder Auffahrtsbereich, die Norm; so auch bei der 1936 errichteten Freisinger Artilleriekaserne (später „General-von-Stein-Kaserne“). Auch andernorts finden sich noch heute die Überreste solcher Anlagen, insbesondere im Bereich von NS-Kasernenbauten (z.B. ehem. Ritter-von-Möhl-Kaserne Amberg; Hochstaufen-Kaserne Bad Reichenhall; Werdenfelser-Kaserne Murnau). Teilweise sind diese Anlagen dabei als Mahnmale umfunktioniert, teilweise aber lediglich einer pragmatischen Umdeutung unterzogen worden. Beim Freisinger Beispiel haben sich die Stele und der Stein mit dem grob ausgemeißelten Hakenkreuz erhalten; zum Verbleib der Adler-Figur ist nichts bekannt. Die Beseitigung der Symbole erfolgte auf Anordnung der beiden ersten Stadtkommandanten der U.S.-Besatzung in Freising, Captain Trevor Moore und Captain Albert Snow, bald nach der Befreiung der Stadt am 29. April 1945.
Im Zusammenhang mit der Umwandlung der ehem. General-von-Stein-Kaserne in ein neues Wohn- und Gewerbequartier, die aus sozialen wie städtebaulichen Gründen sinnvoll ist, sollte die wechselvolle Geschichte des Areals nicht zu kurz kommen. Neben der Erhaltung des ehemaligen Stabsgebäudes, dem einzig noch bestehenden Beispiel für die Architektur der NS-Zeit in Freising, muss sich das Augenmerk auch auf die Kasernenmauer und die Symbolstele richten. Zusammengenommen haben die Mauer und das dahinterliegende Stabsgebäude durchaus Ensemblecharakter. Die Stele selbst sollte vom kaschierenden Grün etwas freigeschnitten und mit einer kleinen erklärenden Tafel versehen werden. Ein Abbruch der Mauer, insbesondere der Stele mit den zerstörten NS-Symbolen, wäre kein angemessener Umgang mit der Zeitgeschichte.
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom März 2014.
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