Nachdem sowohl die Grabungen als auch die weiteren Recherchen auf der Suche nach der Familie eine Filmkamera begleitete, reifte der Entschluss, am Ende der Geschichte eine Filmdokumentation zu erstellen. So zeigt der Film chronologisch die Schritte bei der Aufklärung des Schicksals des bis dahin vermissten Fliegers Schmidt bis hin zur Einweihung des Gedenksteines im Beisein seiner Schwester Helene. Das Interesse an diesem „Fall“ spiegelte sich auch in den Medien wider: Mehrere Zeitungen in Bayern und Thüringen berichteten darüber, es gab zwei Rundfunk- und drei Fernsehbeiträge.
Im Zuge der Zeitzeugenbefragungen erfuhren wir von weiteren Flugzeugabstürzen und Fliegerschicksalen in der Umgebung. Nahe Ottenburg zum Beispiel, in der heutigen Gemeinde Eching, war am 31. Juli 1944 eine B-17G, eine so genannte „Fliegende Festung“, nach einem Flaktreffer abgestürzt. Von der neun Mann starken Crew hatten sich – bis auf den Piloten Darwin Johnson – acht Mann mit dem Fallschirm gerettet. Was sich danach abspielte, zeigt der Film in vielen Details. Es fanden sich Augenzeugen, die den Absturz wie auch die Verhaftung der mit dem Fallschirm gelandeten U.S.-Flieger beobachteten. Ein Echinger wurde unfreiwillig Augenzeuge einer Erschießung bei einer der Flakstellungen um Eching. Er erzählte, wie er die Hinrichtung von zwei Amerikanern aus seinem Versteck in einem Truhenwagen in einem angrenzenden Acker verfolgte. Um die Abläufe der Fliegermorde möglichst authentisch nachzuzeichnen, wurden als Quellen die Akten der Staatsanwaltschaft von den Dachauer Militärgerichtsprozessen aus dem Staatsarchiv München wie auch der Schriftverkehr der Stadt Freising mit dem „Headquaters European Command Office of the Judge Advocate“ aus dem Stadtarchiv Freising herangezogen. Interessant dabei ist ein Vermerk zu einer Skizze des U.S.-Ermittlers, wonach bei der Landung eines Fallschirms in Eching am Bahnposten 10 ein Deutscher mit dem Fahrrad registriert wurde. Wie unsere Recherchen ergaben, war es Jakob Fischer aus Eching. Der Genannte konnte kaum glauben, dass sein damaliger „Besuch“ von den Amerikanern beobachtet und festgehalten worden war.
Eine wichtige Quelle bei der Erforschung der Kriegsereignisse und der Fliegerangriffe hat uns der Fürholzer Pfarrer Georg Kolb hinterlassen. Sein Kriegstagebuch beschreibt die vielen Tieffliegerangriffe im Kreis Freising, berichtet von Notabwürfen, aber auch von den Bombenabwürfen auf München, Schleißheim oder Freising.
Was im Landkreis Freising vielleicht nur wenige Bewohner wissen, ist, dass sich in Neufahrn eine Außenstelle des KZs Dachau befand. Das Lager mit rund 500 Häftlingen stand am Ortsende, in einer ehemaligen Kiesgrube an der Dietersheimer Straße. Es wurde am 10. April 1945 eingerichtet und bereits am 29. April 1945 beim Einmarsch der Amerikaner befreit. Die Häftlinge hatten den Auftrag, unter der Regie der SS und der Organisation Todt ein provisorisches Rollfeld für Düsenjäger in der Garchinger Heide zu bauen. Der Film zeigt Originalluftaufnahmen der USAAF vom April 1945 mit den KZ-Baracken und einigen Bombenkratern sowie dem unvollendeten Rollfeld mit den Deckungslöchern für die Aufseher. Dazu gibt es ein paar Interviews mit Zeitzeugen, die von ihren Beobachtungen rund um das Lager oder von ihren Begegnungen mit Häftlingen nach der Auflösung des KZ berichten. Bei den vielen Gesprächen mit den bäuerlichen Familien wurden auch einige Relikte jener Zeit aus dem Keller oder dem Dachboden hervorgeholt, die oft auf ungewöhnliche Art die Zeit überdauert hatten. Ein Neufahrner Landwirt zum Beispiel zeigt im Film die Giebelwand einer KZ-Baracke, die von der Verteilung der Baracken für landwirtschaftliche oder sonstige Zwecke bei der Auflösung des Lagers übriggeblieben und auf dem Heuboden aufbewahrt worden war. Ein anderer Bewohner erzählt, wie er als Elektrolehrling die Lampen in den Baracken montierte und sich ein Exemplar quasi als Erinnerungsstück zurückbehalten hatte.
Die Recherchen für die Dokumentation begannen mit dem eingangs erwähnten Auffinden der Wrackteile des Jagdfliegers im Jahre 2013 und zogen sich – parallel zum Filmschnitt – bis in den Spätherbst 2015 hinein. Im Laufe der Zeit meldeten sich immer neue Zeitzeugen, die uns ihre Geschichte berichten wollten. Am Ende hatten wir rund 70 Personen aufgenommen, teils mit der Filmkamera, teils mit dem Tonbandgerät. Etwa ein Dutzend dieser geführten Interviews wurden exemplarisch ausgesucht und in den Film eingearbeitet. Der Aufbau der Doku stand von vornherein fest: Wir wollten den komplexen Sachverhalt der Bombardierung von Freising an einem eigenen Teil 2 darstellen. Unsere Intension war, sowohl den Opfern als auch den Angreifern ein Gesicht zu geben, jedoch ohne jegliche Bewertung. Um die Abhandlungen möglichst authentisch nachzuzeichnen, wurden fast ausschließlich Abbildungen und Dokumente aus in- und ausländischen Archiven oder historische Fotos verwendet, die uns private Sammler sowie das Stadtarchiv Freising freundlicherweise zur Verfügung gestellt hatten.
Die vielleicht wichtigste Quelle zur Erforschung der Flugzeugabstürze ist der so genannte Missing Air Crew Report (MACR) oder der Crashreport, der alle relevanten Daten der abgestürzten Maschine und deren Besatzung enthält. Einige von ihnen lassen sich über das Internet recherchieren, andere können über das „National Archives Washington D.C.“ angefordert werden. Das Problem dabei ist, man muss sehr viel Zeit einplanen und ein bisschen Glück haben. Ein günstiger Zufall bei den Recherchen zu der Bombardierung von Freising am 18. April 1945 war, dass die beteiligten U.S.-Verbände heute in Vereinen in den USA organisiert sind, die sämtliche Informationen und Fotos über die Einsätze in Europa im Zweiten Weltkrieg archiviert haben. So gelang es uns z.B., aus Beständen der 401. Bomb Group einen 59 Seiten langen „REPORT OF OPERATIONAL DAY“ zu erhalten, der die Mission 252 von Traunstein und Freising in allen Details wiedergibt.
Was die Opferseite anbelangt, konnten wir über Sterbebucheinträge, Vereinsaufzeichnungen oder durch Gespräche mit Familien 188 von 224 Toten identifizieren und ihre Daten in einer Liste zusammenführen. Alle Befragten erteilten uns bereitwillig Auskunft, einige aber baten uns, im Film nicht genannt zu werden. Bei anderen wiederum verzichteten wir freiwillig auf einige Passagen ihrer Darstellung, weil diese Schilderungen für die Öffentlichkeit zu brutal waren.
Heute – nach über 70 Jahren – verwischen langsam die Spuren. Vermutlich war es höchste Zeit, die letzten Vertreter jener Generation zu befragen. Denn nur sie können ein glaubwürdiges Zeugnis darüber ablegen, was wirklich passiert ist.
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Januar 2016.
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