Soll die Trinkwasserversorgung in kommunaler Hand bleiben oder sollen auch in diesem Versorgungsbereich in Zukunft private Firmen das Sagen haben? Die EU-Kommission arbeitet schon länger an der Ausweitung des Wettbewerbs auf den Wassersektor und damit an seiner Privatisierung. Den vorläufigen Höhepunkt erreichten die Bemühungen Ende Januar, als sich der Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments mit dem Thema beschäftigte und den Richtlinienentwurf für die Vergabe von Konzessionen dann auch verabschiedete.
Die Pläne der EU beunruhigen nicht nur die Bürger, sondern auch die Wasserversorger. Für Andreas Voigt, Werkleiter der Stadtwerke Freising, ist „Wasser zu kostbar, um es dem freien Markt zu überlassen. Die Versorgung mit sauberem Trinkwasser ist für den Menschen existenziell und sollte keinen Experimenten unterworfen werden“. In Freising liegt die Trinkwasserversorgung in der Hand des kommunalen Eigenbetriebes „Stadtwerke Freising“ und damit zu 100 Prozent in öffentlicher Hand. Der entscheidende Vorteil: Es geht nicht um das Erwirtschaften von Überschüssen, alle Erträge können für den Unterhalt und die nachhaltige Erneuerung des Versorgungsnetzes genutzt werden.
Eine Privatisierung der Wasserversorgung hätte zur Folge, dass mit der Abgabe von Wasser ein Gewinn erzielt werden muss. Die Konsequenz: Entweder würde an der Qualität gespart oder das Preisniveau könnte nicht mehr gehalten werden. Hierfür gibt es bereits Beispiele aus europäischen Regionen, die den Weg der Privatisierung eingeschlagen haben.
Erstklassige Qualität
Obwohl hohe Investitionen für den Unterhalt und die Modernisierung des Versorgungsnetzes getätigt wurden, liegt der Preis in Freising bei 0,15 Cent pro Liter. Dabei erfüllt dieses reine Naturprodukt die hohen Anforderungen der Trinkwasserverordnung und ist von der Qualität und dem Anteil an Mineralien mindestens vergleichbar mit den meisten im Handel angebotenen Tafel- und Mineralwassern. Es kommt dort, wo es gebraucht wird, direkt aus der Leitung – im Gegensatz zu abgefülltem Wasser, welches über weite Wege transportiert werden muss.
„Die erstklassige Qualität unseres Freisinger Trinkwassers, der Preis und die nachhaltige, naturverträgliche Gewinnung des Wassers haben oberste Priorität und dürfen nicht aufs Spiel gesetzt werden“, betont Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher. „Die auf EU-Ebene angestrebte Vergaberichtlinie ermöglicht es klammen Kommunen, die Versorgungsinfrastruktur zu verkaufen, um sich kurzfristig finanziell zu sanieren. Dafür gibt es europaweit Beispiele, und das ging bisher immer als Schuss nach hinten los.“
In Freising dagegen wird Jahr für Jahr in das Netz investiert, um die Versorgung langfristig sicherzustellen. So wurde beispielsweise unter hohem finanziellen Aufwand ein Trinkwasserhochbehälter gebaut, der mit seinen Speicherkapazitäten von 5000 Kubikmetern die Versorgung Freisings zuverlässig sicherstellt. Modernste Computertechnik erlaubt eine ständige Kontrolle und die Fernsteuerung des Netzes. Der Bau des Hochbehälters dauerte zwei Jahre und kos-tete vier Millionen.
Kooperation mit der Landwirtschaft
Die Ausrichtung der nicht gewinnorientierten Trinkwasserversorgung ermöglicht durch langfristige Absprachen mit den zuständigen Aufsichtsbehörden außerdem eine nachhaltige Gewinnung des Wassers. Ziel ist ein ausgewogenes Verhältnis der Nutzung von Tief- und Flachbrunnen. Das in Freising abgegebene Wasser wird im Normalbetrieb je zur Hälfte aus oberflächennahem Wasser (Grundwasser) und aus tertiären Vorkommen (Tiefbrunnen) gewonnen.
Ein weiteres Beispiel dafür, dass ein nicht gewinnorientiert wirtschaftender Eigenbetrieb wie die Stadtwerke Freising langfristige Bemühungen für eine optimale Wasserqualität unternehmen kann, ist die Kooperation mit Landwirten – bei den Stadtwerken Freising seit fast 20 Jahren Praxis. Dabei geht es um die Bewirtschaftung der Böden im Bereich des Freisinger Trinkwassereinzugsgebietes. Durch vertragliche Selbstverpflichtungen, Umstellung der Bewirtschaftungsweise, unterstützt durch regelmäßigen Erfahrungsaustausch, konnte der Eintrag von Nitrat in das Grundwasser nachweislich um 45 Prozent gesenkt werden. Die Kooperation wird durch ein Ingenieurbüro begleitet, sodass die professionelle Betreuung des landwirtschaftlichen Projektes und die Wirksamkeit der Maßnahmen sichergestellt ist. Die Landwirte erhalten durch die Stadtwerke einen finanziellen Ausgleich für verminderte Erträge.
Die angestrebte EU-Richtlinie zielt übrigens nicht auf Wasserzweckverbände, die ihren Umsatz ausschließlich mit Wasser erwirtschaften. Auch für die Stadtwerke Freising ist hier ein Hintertürchen offen: Die Wasserversorgung liegt organisatorisch beim Eigenbetrieb. Für den Fall, dass es zum Beschluss der Richtlinie kommen sollte, ist Werkleiter Andreas Voigt optimistisch, einen geeigneten Weg für die Stadtwerke und damit die Verbraucher im Versorgungsbereich zu finden. Stadt und Stadtwerke verfolgen die Entwicklungen auf EU-Ebene deshalb mit größter Aufmerksamkeit, aber einigermaßen entspannt: „Auch eine EU-Richtlinie muss noch in deutsches Recht umgesetzt werden, und bis dahin fließt noch viel Wasser durch die Freisinger Leitungen“ – preiswert und in bester Qualität!
(Foto: Stadtwerke Freising, Sigrun Lenk)
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom März 2013.
In unserer Bibliothek können Sie diese und alle anderen Ausgaben der letzten Jahre online lesen.