Was heißt Bravo auf Russisch?
Der Jugendkammerchor Collegium Vocale berichtet über seine letzte Konzertreise.

Was lange währt, wird endlich gut! Nach vier Jahren Planung und Verhandlungen war es im August 2012 endlich soweit: Der Jugendkammerchor Collegium Vocale Frisingae wurde sowohl vom Festival „The Singing World“ nach St. Petersburg als auch zum Festival „A Cappella open“ nach Moskau eingeladen, so dass die Mitglieder die Möglichkeit hatten, auf den beiden bedeutendsten Chorfestivals der russischen Musikszene gleichzeitig auftreten zu können. Das Festival in St. Petersburg jährte sich in diesem Jahr zum 10. Mal und konnte eine große Zahl von Chören weltweit begrüßen. Brasilien und Australien boten die umspannenden Eckpunkte für Chöre aus Europa und Israel, was dem Weltkulturerbe dieser russischen Metropole mehr als entsprach: Volle Säle, volle Kirchen auch bei den Nachmittagskonzerten an Werktagen, aufmerksames und sehr engagiertes Publikum mit spontanen Beilfallkundgebungen. Der Jugendkammerchor, der als einziger hier die deutschen Farben vertrat, trat mit Kompositionen der Renaissance sowie der klassischen Moderne an. Vor allem die Werke Orlando di Lassos – die Madrigaleske: „Ich armes Weib“ sowie „Audite nova“ nebst „Ein Hennlein weiß“ von Scandellus und vor allem Clement Janequins „Le Chant des Oiseaux“ wurden begeistert aufgenommen. Ein besonderes Erlebnis für alle Beteiligten war es aber, in akustisch perfekten Räumlichkeiten auftreten zu können, die auf großen Bühnen ein fast intimes Musizieren ermöglichten. Die ehemalige und nach Schwimmbadintermezzo während der Sowjetzeit wieder zurückverwandelte deutsche evangelische Kirche Peter und Paul, ist direkt am Newski-Prospekt gelegen. Sie war der verheißungsvolle Auftakt für die weiteren Choraktivitäten.

Auch die ehemalige estnische Kirche „Jaani kirik“, gleichfalls aus einem Kaufhaus mit Lagerhalle zurückverwandelt, beeindruckte mit perfekten Bedingungen. Als besonderes Highlight bot die Kirche zugleich als Hotel den Chormitgliedern auch Quartier. Wo kann man sonst vom Hotelzimmer gleich zum Auftritt gelangen? Selbstverständlich mit uneingeschränkten Probemöglichkeiten. Höhepunkt war dann, wieder an einem Werktagnachmittag, der Auftritt aller teilnehmenden Festivalchöre im „Kapellsaal“ des Akademischen Gesangsvereins „Glinka“, der wiederum sein Wirken auf eine Gründung Peter des Großen zurückführen kann. Ein perfektes Ambiente beflügelte die Chormitglieder und Jaequins „Le Chant des Oiseaux“ verführte das Publikum zu Beifallrufen und die Honoratioren zur Überreichung von Urkunden und einem Pokal. Ein Ausflug nach Nowgorod ließ den Chor dann noch einmal auf den Spuren Sergie Rachmaninows wandeln, zu dessen Chorwerken ja das Collegium eine langjährige intensive Beziehung pflegt, ehe es zur zweiten Station, dem “A Capella Festival” nach Moskau ging. Im offenen Rondell des Marstalls in dem ehemaligen Sommersitz des Fürsten Golitsyn, im heutigen Kuzminki-Park fand in dieser Woche zum zweiten Mal das bemerkenswerte Festival statt. Unter der rührigen Leitung des Moskauer Musikers Andrey Goryachev versammelten sich verschiedene Kleinensembles aus Russland zu einem Meeting. Von Thomas Morley bis zu Jazzimprovisationen reichte der Rahmen. Das Besondere dabei war eine Freilichtaufführung unter hervorragenden akustischen Verhältnissen vor einer traumhaften Naturkulisse. Trotz einer wenig freundlichen Witterung auch hier wieder guter Publikumsandrang, aufmerksame Zuhörer, spontaner Beifall. Auf dem anschließenden Bankett der Bezirksverwaltung wurden sowohl die Freude über den Besuch als auch der Respekt bezüglich der dargebotenen Leistung zum Ausdruck gebracht.

Fazit: Russland bietet den Chören eine interessante und herausfordernde Möglichkeit zu Konzerten. Das Publikum ist aufgeschlossen, die Konzertorte bieten hervorragende akustische Möglichkeiten. Besonders die Kombination der beiden Metropolen dürfte einer der Höhepunkte in jeder Chorvita darstellen.

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Oktober 2012.
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