Seit bald vier Jahren ist Freising offiziell Faire Stadt. Was ist das überhaupt?
Es handelt sich um eine Kampagne von Transfair, einem gemeinnützigen Verein zur Förderung des Fairen Handels mit den Ländern des Südens, der unter anderem auch das Fairtrade-Siegel vergibt. Das Ziel der Fairtrade-Town-Kampagne ist vor allem, den Fairen Handel in der Bevölkerung bekannter zu machen und ein Bewusstsein für die Belange der Produzenten zu schaffen. Es gibt übrigens auch die Kampagne „Fairtrade-Schools“, einen Titel, den das Camerloher-Gymnasium 2013 als dritte Schule in Bayern erhalten hat.
Was waren die Voraussetzungen dafür, dass Freising „Faire Stadt“ wurde?
Es gibt fünf Kriterien, die eine Stadt erfüllen muss. Es muss einen Beschluss des Stadtrats geben, in Freising wurde dieser Beschluss am 26. Oktober 2009 gefasst. Gleichzeitig musste ein fester Ansprechpartner bei der Stadt benannt werden. Zweitens musste eine „Steuerungsgruppe“ gebildet werden, die sich am Anfang aus sieben verschiedenen Gruppierungen zusammensetzte. Von Anfang an dabei waren hier unter anderem unser Verein, „Partnerschaft Eine Welt Freising e. V.“, die Stadtverwaltung und das Kardinal-Döpfner-Haus. Übrigens wurde die Steuerungsgruppe mittlerweile in „Faires Forum“ umbenannt. Es musste außerdem nachgewiesen werden, dass es in der Gastronomie und im Einzelhandel bereits ein Angebot von fair gehandelten Produkten gab. Bei Kriterium vier ging es darum, dass öffentliche Einrichtungen fair gehandelte Produkte anbieten. In Freising waren das damals unter anderem das Camerloher-Gymnasium und das Landratsamt. Kriterium fünf bezog sich auf die Berichterstattung in den örtlichen Medien.
Sie sind die Vorsitzende von „Partnerschaft Eine Welt Freising e. V.“, dem Verein, der den Freisinger Weltladen trägt, und der sich hauptsächlich dem Fairen Handel widmet. Was ist die Rolle des Vereins oder des Weltladens im „Fairen Forum“?
Für uns ist es eine Herzensangelegenheit, bei diesem spannenden Prozess aktiv mitzuarbeiten und dabei unsere fachliche Kompetenz auf dem Gebiet des Fairen Handels einzubringen.
Ihr Verein ist in unterschiedlichen Bereichen tätig. Welche sind das außerdem?
Wir sind unter anderem in der Kinder- und Jugendarbeit aktiv und kooperieren dabei mit Freisings Schulen. Erfreulicherweise verspüren wir hier in den letzten Jahren ein zunehmendes Interesse. Wir machen auch Erwachsenenbildung, die in sehr unterschiedlicher Art und Weise stattfindet. So nehmen wir beispielsweise mit einem Workshop an der Langen Nacht der Bildung im Kardinal-Döpfner-Haus teil und sind auch dieses Jahr wieder dabei.
Was hat sich in Freising hinsichtlich des Fairen Handels getan, seitdem Freising Fairtrade-Town ist?
Es ist zum Beispiel möglich, Kooperationen einzugehen, die vorher für uns nicht möglich waren. Ein Beispiel ist hier unsere gute Zusammenarbeit mit der VHS Freising. Seitdem Freising Fairtrade-Town ist, bekommt unser Verein weit mehr als früher Anfragen, bei Veranstaltungen zu informieren oder an ihnen teilzunehmen. Übrigens gibt es seit Kurzem ein erstes Konzept für die Weiterentwicklung des Fairen Handels in Freising, das als Arbeitsleitfaden bei diesem Prozess dienen soll.
Es gibt seit einiger Zeit zunehmend Produzenten aus der Region, die für ihre Produkte mit dem Begriff „fair“ werben. Gibt es da Formen der Zusammenarbeit, der Kooperation unter dem Dach der „Fairen Stadt“?
Innerhalb des angesprochenen Konzepts werden Möglichkeiten diskutiert. Grundsätzlich gibt es hier viel Potential.
Ein Thema aus dem Fairen Handel, das in der vergangenen Zeit in den Medien war, war – nach dem Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch 2013 – das der fair gehandelten Kleidung. Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller hat im vergangenen Oktober ein „Bündnis für nachhaltige Textilien“ ins Leben gerufen und möchte ein Siegel für Textilien aus ökologischer und sozialverträglicher Herstellung schaffen. Plant auch der Weltladen Freising, stärker ins Textilgeschäft einzusteigen?
Ja, auf jeden Fall. Angesichts der Situation der Textilarbeiter in den Ländern des Südens ist es für uns ein besonders wichtiges Anliegen, künftig mehr in diesem Bereich tätig zu werden. Bisher beschränkten wir uns vor allem auf Alpaka-Ware in den Wintermonaten, die wir primär aus Bolivien beziehen. Künftig wollen wir ganzjährig fair gehandelte Kleidung in unser Standardsortiment aufnehmen. Unter anderem denken wir an fair gehandelte Jeans. Der jetzige Weltladen in der Ziegelgasse ist dafür allerdings leider zu klein. Deshalb sind wir seit Längerem auf der Suche nach einem neuen Ladenlokal.
Was stellen Sie sich dabei vor?
Unser Wunsch wäre ein großzügiges, barrierefreies Ladenlokal in der Hauptstraße. Sehr gerne würden wir hier auch einen kleinen Café-Betrieb integrieren, um einen Ort der Begegnung zu schaffen.Der Weltladen in Freising wird überwiegend von ehrenamtlichen Kräften geführt, und er wird von einem gemeinnützigen Verein getragen. Nun gibt es ja auch andere Weltläden. In München hat in der Stachus-Passage ein sogenannter „Fair Trade Shop“ aufgemacht, ein Laden, der hauptamtlich geführt wird, einer GmbH gehört, im Online-Handel aktiv ist, sich in seiner Einrichtung von üblichen Weltläden unterscheidet und bewusst in eine sehr stark frequentierte Zone gegangen ist. Sehen Sie diesen Typ als Vorbild für die klassischen Weltläden?In jüngster Zeit zeigen sich bei den Weltläden unterschiedliche Entwicklungen, was die Geschäftsmodelle betrifft. Wir möchten den Weg in diese Richtung nicht gehen. Uns geht es ja nicht nur um das Verkaufen, sondern vor allem auch darum, aufzuklären und zu informieren.
Eine letzte Frage: Was wünschen Sie sich für die Faire Stadt Freising?
Wir würden uns wünschen, dass der Faire Handel in Freising noch mehr Beachtung findet. Es gibt ja für den Einzelnen verschiedene Möglichkeiten, sich da einzubringen, zum Beispiel über die ehrenamtliche Mitarbeit in unserem Verein und im Weltladen, in kirchlichen Gruppen, im Fairen Forum. Anfangen kann jeder, wenn er beim Einkaufen ist.
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom April 2015.
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