Träume sind dazu da, um verwirklicht zu werden
Helmut Pokorny geht aus purer Freude am Leben mit viel Elan zu Werke

Nichts ist individueller als die jeweils persönliche Definition von Lebensfreude. Für den einen ist es ein luxuriöses Savoir vivre, für den anderen sind es Reisen, für Helmut Pokorny ist es die pure Freude am Machen, zu beobachten wie etwas Neues entsteht, um sich am Ende lange daran erfreuen zu können. Angefangen hat das alles schon in seiner Kindheit, in der er sich immer gerne ins Zeichnen oder in die Malerei vertiefte, Schiffe bastelte und sich für all das begeisterte, was mit Meer und Wasser zu tun hat, ohne dafür jedwede Anregung seitens der Familie erhalten zu haben. Das aber stellte für ihn keineswegs ein Problem dar, denn er hatte längst beschlossen, sein Ding zu machen. Ergo wechselte der gebürtige Freisinger nach seinen Schuljahren in der Domstadt an die damals neu eingerichtete Fachoberschule für Gestaltung in München, um anschließend Grafik-Design, Kommunikationsdesign und Gestaltung zu studieren.

Mit viel Elan und Esprit startete er in den 80er Jahren sprichwörtlich in die Münchner Szene hinein. Er gründete mitten in Schwabing ein bis dato existierendes Werbe- und Gestaltungsbüro und realisierte zahlreiche Projekte sowohl im Bereich der Raumgestaltung wie auch großflächige Wandmalereien, wobei ihm die Flächen gar nicht groß genug sein konnten, je größer desto lieber, lautete seine Devise. Mittels der Airbrush-Technik erweckte er ganze Hausfassaden bis zu einer Größe von 10 mal 20 Metern zum Leben, bevorzugt mit Science-Fiction Motiven oder Sequenzen aus Star Wars. Nicht nur Diskotheken, Clubs und Hotelfoyers trugen häufig seine Handschrift, auch Erotikläden hinterließ er seine Spuren. Das ging sogar soweit, dass Beate Uhse in konsultierte, das Schmuddel-Image ihrer Läden aufzupeppen. Noch heute erinnert er sich mit einem breiten Grinsen daran, dass er damals „so scheene Nackerte mit Airbrush gespritzt“ hat. Das Planen, sagt er, hat ihn immer fasziniert. Mittlerweile verlagerte er seinen Arbeitsschwerpunkt jedoch auf Werbung, Unternehmenskommunikation und Eventgestaltung, ist für verschiedenste Firmen und Institutionen tätig und wirkte beispielsweise an der Realisation der Umwelttage Freising mit; jenseits der 60 ist es halt nicht mehr ganz so prickelnd, auf Gerüsten zu balancieren oder in wackeligen Hebebühnen Höhen zu erklimmen.

Obwohl er mit erfolgreichen Aufträgen gut ausgelastet war und ist, suchte der Freigeist nach einem Refugium, in dem er jenseits von irgendwelchen Zwecken oder Zwängen seiner Fantasie ungezügelten Lauf lassen konnte. Eben dieses fand er 1978 in Helfenbrunn an der Amper in Form eines Wochenendhäuschens, das sich auf einem lauschigen, 1200 qm großen Grundstück befindet. Dieses avancierte rasch zu seinem Sehnsuchtsort, einem Raum für Inspirationen und Ideen, in dem er seine Träume verwirklichen konnte. Dort in der ländlichen Idylle baute sich der Visionär mit detailgetreuen Repliken von Versatzstücken aus der Kultur- und Ingenieursgeschichte seinen eigenen Mikrokosmos und konnte sich dabei sogar der tatkräftigen Unterstützung seiner Nachbarn erfreuen. Mitten in den Garten hinein ragt die Titanic, die bis heute nicht havariert ist, vor ihr ruht ein Seerosenteich, der an Monet erinnert und dahinter ragt Schloss Neuschwanstein in die Höhe. Ein Stück daneben wartet der Orientexpress auf die Passagiere, die mit ihm zu den Häfen der Welt gelangen möchten, um auf große Fahrt zu gehen.

Davon erzählt auch das U-Boot, das unterm Haus vor Anker liegt und selbst bei Überschwemmungen einen sicheren Schutzraum darstellt. Gleich daneben findet sich die Nachbildung einer ägyptischen Grabkammer, originalgetreu gestaltet, samt Büste der Nofretete und einem ewigen Licht – mehr Kontemplation geht nicht. Passend dazu gleicht das Haus einer üppig gefüllten Wunderkammer, in der sich alle möglichen und unmöglichen Souvenirs eines bewegten Lebens ein munteres Stell-dich-ein geben.

Mit all diesen Versatzstücken, jeder Menge Verve, Humor, Witz und einem beeindruckend facettenreichen handwerklichen Können verwandelte Pokorny das unscheinbare Grundstück in ein veritables Paradies, mit dem er sich als Reisender zwischen verschiedensten Welten und Epochen zu erkennen gibt. Im wirklichen Leben aber liegt ihm aber trotz seiner Sehnsucht nach der Ferne eher weniger am Verreisen, viel lieber zieht sich der bodenständige Ampertaler in sein Epizentrum zurück, um mit Hirn, Herz und Seele in fantastische Welten zu entschweben. Und wer ihn besucht darf die wohl unkomplizierteste und komprimierteste Art des (fiktiven) Verreisens erleben, so viel Welt auf einmal gibt es nicht gerade oft. Wer nun neugierig geworden ist auf dieses Kleinod, das im wahrsten Sinne des Wortes ein Denk-Mal darstellt, kann dieses gerne nach Terminvereinbarung unter info@pokorny-krea-  tiv-welten.de besuchen. Bleibt jedoch zu hoffen ist, dass dies weiterhin möglich ist; da Pokorny das Areal gemietet hat, ist dessen Fortbestehen schon seit Jahren ungewiss, so sah es 2016 schon mal recht brenzlig aus (s. www.fink-magazin.de, Februar 2016, S. 24 ff.), momentan ist wieder Ruhe eingekehrt, eine Sicherheit für den Erhalt dieses besonderen Kulturgutes gibt es aber leider nicht.

Für den Macher sind das zwar düstere Aussichten, aufgeben aber kommt nicht in Frage. So greift er inzwischen gar nach den Sternen, will in Helfenbrunn ein Museum errichten, eine Glaskuppel, unter der all die gefährdeten Artefakte Schutz finden. Eine wunderbare Vorstellung, mit der sich der Vergänglichkeit ein Schnäppchen schlagen ließe. Überhaupt ist die Vergänglichkeit sein großes Thema, nicht nur im Sinne des Verfalls, sondern auch hinsichtlich des Erhaltens, und so reflektiert er in seinen Arbeiten immer wieder die Vergangenheit, um diese ins Hier und Jetzt zu transferieren. Ein Paradebeispiel dafür sind die über 100 ‚Zeitfenster‘, kleine Guckkästen, in denen sich persönliche, teils sehr emotionale Erinnerungen ebenso finden wie Ereignisse aus dem weiten Feld des Weltgeschehens. Neben einer Reminiszenz an den Straßenfeger ‚Doctor Schiwago‘ finden sich rundgeschliffene Isarkiesel und ein weiterbearbeitetes Cover der ‚Bravo‘, zu der er eine ganz besondere Beziehung hat, durfte er doch einst ein Bühnenbild für Bravo-TV anfertigen. Daneben finden sich Hommagen an Speiseeis und Leuchtstäbe sowie an den eigenen Beruf als Grafikdesigner in Form von Magic-Markern. Und dann sind da noch die Assemblage mit der krummen Kerze, die an seine Erstkommunion erinnert und die Collage mit dem U-Boot-Film, den er bereits als Kind im Kino gesehen hat. Mit all diesen Momentaufnahmen fixiert der rührige Optimist jeweils ein Stück Zeitgeschichte und vergewissert sich zugleich in Form einer bewussten Reflexion des eigenen Erlebens seiner selbst auf eine Art, die wie eine Autobiographie in Bildern anmutet.

Für seine Verortung in der Realität greift das Energiebündel aber zu ganz anderen Mitteln, nämlich zu Acryl-Farben, Leinwand und einer messerscharfen Beobachtungsgabe gepaart mit meisterhafter Maltechnik. Die Inspirationen für seine hyperrealistischen, häufig großformatigen Gemälde findet er meist in der unmittelbaren Umgebung, sprich in besagtem Garten oder in der Hallertau, der er mit zahlreichen Landschaftsbildern und Hopfendarstellungen eine Hommage widmet. Charakteristisch für diese Kompositionen sind die lichtdurchfluteten Bildräume und die unzähligen, feinnuancierten Grünt.ne, mit denen er Wiesen, Wälder und Hopfenknospen modelliert. Letztere spielen in seinen Quitten-Portraits eher eine untergeordnete Rolle, denn die dauerhaften Früchte sind zwar anfangs giftgrün, mutieren aber mit der Zeit mehr und mehr zu gelb-orange leuchtenden Körpern. Eben diese platziert Pokorny fern ab des Strauches, der in seinem Garten steht, als Solitäre in atypischen Zusammenhängen, wie etwa auf eisigem Boden oder einem Holzstock, beleuchtet selbige spotartig und inszeniert sie somit wie Stars auf einer Bühne, die vom Werden, Leben und Vergehen erzählen. Oder doch nicht? Schließlich gilt die Quitte als Symbol für Beständigkeit, Schönheit, Liebe und (Achtung) Unvergänglichkeit. Somit erscheint es auch nur zu logisch, dass der feinsinnige Tüftler die betörend duftende Quitte zu seinem Katalysator erkoren hat, der ihn dazu beflügelt, magisch anmutende Gemälde zu generieren, die auf poetische Weise von der Kraft und der Lust am Leben künden. Wie besessen er davon ist, unterstreicht die Tatsache, dass er in den letzten drei Jahren ganze 153 Quitten- Bilder realisiert hat. Eine Auswahl davon ist ab 4. Dezember bis Ende Januar 2023 in der Galerie am Lindenkeller, Veitsmüllerweg 2, zu sehen. Zur Eröffnung erzählt Helmut Pokorny von 14 bis 17 Uhr über seine Quitten-Welt; mehr dazu unter www.helmut-pokorny-malerei.de

von Elisabeth Hoffmann

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Dezember 2022.
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