Städte und Gemeinden sind in besonderem Maße von den Folgen des Klimawandels betroffen: Hochwasserereignisse und Überflutungen, anhaltende Hitzeperioden und Hitzeinseln in städtischen Quartieren, Starkregen und Stürme gefährden Mensch und Gesundheit. Die Hochwasserkatstrophe im Juli 2021 hat nochmals eindringlich vor Augen geführt: Bei der Bewältigung der Klimakrise geht es inzwischen nicht mehr nur um Klimaschutz und die Begrenzung der globalen Erwärmung. In Zukunft wird der Umgang mit den Folgen des Klimawandels immer wichtiger werden. Die Stadt Freising stellt sich diesem komplexen und anspruchsvollen Thema, um der Bevölkerung bestmöglichen Schutz zu gewährleisten, und arbeitet an einem Klimaanpassungskonzept: Es soll konkrete Handlungsfelder für die Anpassung an die Wetterextreme aufzeigen. Etwa Mitte 2022 sollen die Ergebnisse vorliegen.
Freising hat viele „grüne“ Ecken und Zonen, ist als Oberzentrum in der Metropolregion München zugleich einem ständigen Wachstumsdruck ausgesetzt. Die Frei- und Grünräume sind somit ständig in Gefahr, überbaut zu werden. Dabei dienen sie, wie die Erfahrungen in der Pandemie deutlich machten, den Menschen auch als schnell erreichbare und wertvolle Freizeit- und Erholungsgebiete. Für ein lebenswertes Umfeld, für Erholung und Wohlbefinden ist städtisches Grün unverzichtbar.
Baustein der Klima-Offensive
Die vom Stadtrat Anfang 2020 beschlossene Resolution zum Klimawandel war ein Meilenstein auf dem Weg, einen aktiven Klimaschutz als zentrale Leitlinie für das Handeln von Politik und Verwaltung zu manifestieren. Konsequent arbeitet die Stadt an der Umsetzung des 24 Punkte umfassenden Maßnahmenbündels, das als wichtigen Baustein das Klimaanpassungskonzept Freising 2050, kurz KLAPS50, beinhaltet. Ziel dieses zukunftsweisenden Projekts ist es, Strategien zu entwickeln und Strukturen zu schaffen, die eine Anpassung an den Klimawandel und seine lokalen Folgen ermöglichen.
Diese vorausschauende Initiative hat das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr gewürdigt und Freising im November 2020 als eine von acht Kommunen für das neue Modellvorhaben „Klimagerechter Städtebau“ ausgewählt. Damit wird die Konzepterstellung mit 60 Prozent und bis zu 60.000 Euro gefördert. Die Ergebnisse aus Freising sollen darüber hinaus allen bayerischen Kommunen als Vorbild dienen und als übertragbare Lösungsansätze zur Verfügung gestellt werden.
Klimaschutz & Klimaanpassung
Um dem Klimawandel entgegenzuwirken, existieren zwei Handlungsfelder – Klimaschutz und Klimaanpassung. Was ist der Unterschied? Klimaschutz umfasst Maßnahmen zur Vermeidung oder Abschwächung des Klimawandels durch Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen, etwa durch Stärkung des Rad- und Öffentlichen Personennahverkehrs, Einsatz regenerativer Energien, energieeffizientes Bauen und Sanieren oder durch die Verringerung des Stromverbrauchs.
Klimaanpassung nimmt zur Kenntnis, dass nicht mehr alle negativen Folgen des Klimawandels verhindert werden können und es notwendig ist, sich auf die erwarteten Veränderungen vorzubereiten. Eine Klimaanpassungsstrategie fragt also: Wie können wir uns in Freising vor zunehmender Wärmebelastung und gleichermaßen vor Starkregen und Überflutungen schützen? Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf unsere Gesundheit? Dabei stehen städtische Projekte und Bauvorhaben ebenso wie die Stadtentwicklung und räumliche Planung, beispielsweise die bauliche Verdichtung, Freiraumstruktur und Grünflächenversorgung, besonders im Fokus.
Bestandsaufnahme & Analyse
Zunächst wird im Rahmen des KLAPS50 die aktuelle Situation im gesamten Stadtgebiet Freisings analysiert. Ein Aspekt ist die Identifizierung städtischer Wärmeinseln. Denn das Klima in der Stadt unterscheidet sich erheblich vom Umland. So liegt die Lufttemperatur gegenüber dem unbebauten Umland im Jahresmittel deutlich höher. Tropennächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad fällt, und Hitzetage mit Temperaturen von mindestens 30 Grad sind vor allem für ältere Personen, Kleinkinder und Menschen mit Vorerkrankungen problematisch, weil sie sich an die Wärmebelastungen oft nur schwer anpassen können. Ebenso sind Flora und Fauna von den veränderten Lebensbedingungen in den städtischen Wärmeinseln betroffen.
Außerdem ist zu beobachten, dass Starkregenereignisse in der Stadt häufiger auftreten, Schneefall und Dauer der Schneebedeckung seltener. Stadttypisch ist gegenüber dem Umland weiterhin eine geringere Windgeschwindigkeit sowie eine erhöhte Belastung durch Luftschadstoffe. Alle zusammengetragenen Parameter der Bestandsanalyse definieren das lokale Stadtklima.
Globales & regionales Klimamodell
Klimamodelle bilden die Grundlage dafür, die Risiken und Chancen künftiger Klimaänderungen und die Entwicklung von Anpassungsmaßnahmen beschreiben zu können. Für globale Klimamodelle werden Prozesse in der Atmosphäre, in den Ozeanen, von Eis und Schnee sowie der Vegetation in hochkomplexen Rechenmodellen abgebildet. Die Auflösung globaler Klimamodelle ist aufgrund von limitierten Computerressourcen sehr grob und daher für eine kleinräumige Auswertung nicht geeignet; sie ermöglichen jedoch regionale Rückschlüsse. Ein regionales Klimamodell bezieht die lokalen Gegebenheiten mit ein und ist mit einem räumlichen Raster von sieben bis 50 Kilometern wesentlich engmaschiger. Dieses kommt beim Stadtklimamodell für Freising zum Einsatz: Wind- und Temperaturfelder werden erfasst und das Raster so fein gewählt, dass lokalklimatische Besonderheiten erkannt werden. Die Freisinger Bürgerinnen und Bürger bekommen somit Informationen zu den prognostizierten Auswirkungen des Klimawandels in ihrem Wohngebiet oder an ihrem Arbeitsplatz zur Hand.
Strategische & konkrete Maßnahmen
Auf Grundlage der Ergebnisse dieser umfassenden Untersuchung werden Handlungsfelder zur Klimaanpassung definiert. KLAPS50 soll der Stadt also einen Kanon an fundierten Umsetzungsempfehlungen zur Verfügung stellen, um die negativen Effekte des Klimawandelns abzumindern. Aufgezeigt werden sowohl strategische Maßnahmen für die generelle Stadtentwicklung wie lokale, auf ein Viertel oder Wohnquartier bezogene Schutzmaßnahmen.
Ein Beispiel: Durchgrünte Stadträume verbessern das urbane Klima und übernehmen zahlreiche klimarelevante Funktionen. Sie produzieren als „grüne Lunge“ Sauerstoff – insbesondere ein wichtiger Aspekt im dicht bebauten Innenstadtbereich – und filtern Luftschadstoffe. Nicht versiegelte Flächen und ebenso begrünte Dächer versickern Regenwasser und sind Wasserspeicher, die Überschwemmungen verhindern helfen. Weiterhin absorbiert Stadtgrün die Wärmestrahlung und mildert Hitzeextreme ab. Und nicht zuletzt profitieren die Bewohner*innen zusätzlich durch ein attraktives Lebens- und Wohnumfeld. Für Freising hat eine nachhaltige, klimaangepasste Stadtentwicklung mit Sicherung und Ausweitung der Grünzonen zentrale Bedeutung und muss bei der Bauleit- und Flächennutzungsplanung berücksichtigt werden. Mit der Änderung der Abstandsflächensatzung, die seit Februar 2021 in Kraft ist, hat der Stadtrat bereits auf diese Anforderungen reagiert.
Ökologische & klimaneutrale Modellsiedlung
Vorbildlich hat die Stadt bereits ein nachhaltig gestaltetes Bauprojekt auf den Weg gebracht: An der Oberen Pfalzgrafstraße soll eine ökologische, klimaneutrale und familiengerechte Wohnsiedlung entstehen. Über einen städtebaulichen Wettbewerb soll sichergestellt werden, dass auf dem 1,8 Hektar großen Gelände vorhandene Naturflächen sowie vorhandener Baumbestand geschützt und als nutzbares Grün entwickelt wird. Zudem sind Luftschneisen zu berücksichtigen. Als eines von zehn Modellprojekten des Experimentellen Wohnungsbaus für klimaangepasstes und nachhaltiges Bauen in ganz Bayern wurde diese Freisinger Planung ausgewählt. Damit beteiligt sich der Freistaat finanziell im Rahmen der Wohnraumförderung und gibt außerdem Zuschüsse für den Realisierungswettbewerb, der gerade vorbereitet wird.
Über das Klimaanpassungsmodell KLAPS50 informiert die Stadt auf ihrer Webseite www.freising.de in der Rubrik Rathaus/ Stadtentwicklung/ Klimagerechter Städtebau.
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Oktober 2021.
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