RPWL: Crime Scene
Freisinger Artrocker spüren auf neuer CD dem Bösen nach

Wenn sich eine Band wie RPWL eines Themas für ein Album annimmt, dann ist in der Regel davon auszugehen, dass dieses eklektische Quartett tief, sehr tief, in das gewählte Spektrum eintaucht und es aus allen möglichen Perspektiven ausleuchtet. Dann wird – wie auch schon bei vergangenen Konzeptalben wie zum Beispiel „Tales from Outer Space“ (2019) – ein größtmöglicher Teppich ausgerollt und die Kompositionen gehen mit den sorgsam geschriebenen, wie musikalisch gesetzten Lyrics Yogi Langs Hand in Hand, um dann final aus einem Guss präsentiert, arrangiert und performt zu werden. 

Und das ist bei dem neuesten Longplayer mit dem Titel „Crime Scene“ nicht anders, der am 17. März das Licht der Welt erblicken wird. Da lenkt die Artrock-Institution aus Freisinger Landen ihre Aufmerksamkeit auf das Morbide, das Perverse, das Böse im Guten, die Abgründe des menschlichen Verhaltensspektrums in all seiner unvorhersehbaren Vielfalt, die dann manchmal auch bizarr verstörend schlüssig daherkommt, wenn man denn ansetzt, sie ergründen zu wollen. 

Wo endet Liebe, wo beginnt Manie? Lässt sich eine Grenze zwischen krankhaftem Wahn und minutiöser, krimineller Akribie festmachen? Thematisch tauchen in „Crime Scene“ Motive und Sujets wie Karl Denke, jener Kannibale von Münsterberg, oder der hoffnungslos liebende Heim-Präservator aus Florida, Carl Tanzler, auf. RPWL haben eben noch nie Grenzen gekannt, zumindest keine, die sich selber setzen, und zweitens sind diese Fälle wirklich geschehen – Fälle, die den Begriff der Kriminalität ebenso dehnen, wie RPWL den der Rockband seit ihrem Debüt „God has failed“ (2000).

Jetzt, 23 Jahre später, sind es sechs dicht-atmosphärische Tracks, auf denen sich RPWL – Kalle Wallner (Gitarre), Yogi Lang (Vocals, Keys), Marc Turiaux (Drums) und Markus Grützner (Bass) – wieder einmal auf intensive Reisen durch die eigene Bandvita, aber auch durch die jeweils eigenen Plattensammlungen begeben. Die teils morbid-düsteren Themen werden mit old-school Fuzz konterkariert, das knapp 13-minütige „King of the World“ mit seinem knurrenden Big Muff und seinen flächigen Vibes, oder „Life beyond Control“, das mit seinem Offbeat-Einsatz sicher zu den härtesten Stücken in der RPWL Diskographie gehören dürfte, legen ihr Geständnis auf der „Crime Scene“ ab. Die ehemaligen Floyd-Eleven wissen um die ewigen Vergleiche, hier aber spätestens geht es um die dark side of the soul, da kann man Schweine ruhig auch mal fliegen lassen und manch einen Verbrecher wünscht man sich besser nicht here zu sein. „Live in a Cage“ bringt das Kalkül des wie immer akribischen Sounddesigns dieses neuen RPWL-Albums auf den Punkt, nahtlos schließt sich „Red Rose“ daran an.
Yogi Lang kommentiert aus künstlerischer Perspektive, er sei schon immer von gesellschaftlichen und persönlichen Schattenseiten fasziniert gewesen. Kalle Wallner stellt die Gretchenfrage, wie man es denn mit dem Bösen an sich halte: „Wer macht uns zu dem wer wir sind? Ist es eine Frage der Genetik oder sind es doch die sozialen Umstände, unsere Kindheit, Schicksalsschläge, Druck oder Kränkungen?“

Das ‚Böse‘ bildet eines der Kernthemen auf Crime Scene, welches über das Band-eigene Label Gentle Art of Music, im Vertrieb von Soulfood, am 17. März 2023 erscheint. Und danach geht’s auf Tournee, die – wie könnte es anders sein – am 22. April in Freising endet. (Amdreas Beschorner)

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom März 2023.
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