“Removal of Nazi Names and Insignia“
Captain Snow und sein Befehl vom 2. Juni 1945

Eines der zentralen Ziele der Alliierten nach der Besetzung Deutschlands 1945 war die vollständige Beseitigung der nationalsozialistischen Ideologie. Nie mehr wieder sollte dieses totalitäre, rassistische, antisemitische, antidemokratische und in unvorstellbarer Weise menschenverachtende Gedankengut, dem Millionen von Menschen zum Opfer gefallen waren, seine vernichtende Wirkung entfalten können. Für diese Politik wurde der Begriff der „Entnazifizierung“ (engl. „denazification“) geprägt. In erster Linie ging es hier den vier alliierten Besatzungsmächten, die im Rahmen der Entnazifizierung freilich unterschiedliche Motive verfolgten, um die Identifikation von Verantwortungsträgern und deren Bestrafung. Im weiteren Sinne wurde unter Entnazifizierung auch die Zerschlagung von NS-Organisationen und die Beseitigung von nationalsozialistischen Namen oder Symbolen verstanden.

In Freising begann die US-Militärregierung, unmittelbar nachdem sie die Stadt am 29. April 1945 besetzt hatte, mit der Überprüfung von Parteimitgliedern der NSDAP und ihrer Unterorganisationen. In der Folge kam es zu zahlreichen Verhaftungen, viele Personen mussten ihre öffentlichen Ämter aufgeben. Parallel dazu traf die Militärregierung eine erste Anordnung zur Entfernung aller Namen und Symbole, die mit dem Nationalsozialismus in Verbindung standen. Unterm 2. Juni 1945 richtete US-Stadtkommandant Captain Albert G. Snow ein entsprechendes Schreiben an Bürgermeister Emil Berg (s. Abb.). Darin forderte er die Stadt auf, sämtliche betroffenen Örtlichkeiten – in Freising waren das vorwiegend Straßen – mit neuen Namen zu versehen und zugleich alle NS-Symbole zu beseitigen. Als Frist für die Umsetzung dieser Maßnahmen setzte er den 4. Juli 1945 fest.

Ein weiteres von Captain Snow verfasstes Schreiben, das vom 3. August 1945 datiert, zeigt, dass die provisorische Stadtverwaltung der Anordnung vom Juni zwischenzeitlich noch keineswegs nachgekommen war. So forderte der Stadtkommandant erneut und mit Nachdruck, die Umbenennungen von Straßen und die Entfernung von NS-Symbolen anzugehen. Binnen weniger Wochen wurde nun Snows Befehlen entsprochen. Am 21. August konnte Bürgermeister Berg in den „Bekanntmachungen für Stadt und Kreis Freising“, dem wichtigsten Printmedium der Freisinger Nachkriegszeit, die neuen Straßennamen vermelden. An erster Stelle steht hier die „Adolf-Hitler-Straße“ und daneben ihr neuer Name, der nun für einige Monate „Captain-Snow-Straße“ lautete (spätestens 1946 hieß die Straße wieder „Obere Hauptstraße“).

Nicht ganz ohne Aufwand gestaltete sich die Beseitigung der zahlreichen NSSymbole im Stadtgebiet. Neben solchen innerhalb privater Anwesen dürfte das besondere Augenmerk der US-Militärregierung den größeren Wandgemälden an öffentlichen Gebäuden gegolten haben; dies betraf vor allem Gemälde am Stadtschreibereigebäude in der Bahnhofstraße (Reichsadler mit dem Spruch „Ein Volk Ein Führer Ein Wille“) sowie am Stauberhaus am Marienplatz (Aufbau des „neuen Staates“ durch Arbeiter unter Aufsicht eines Mannes in SA-Uniform). Während diese Wandgemälde schlicht übermalt wurden, musste man bei der Adler-Skulptur vor der „General-von-Stein-Kaserne“ zu Hammer und Meißel greifen, um das Hakenkreuz herauszuschlagen.

Ende August 1945 war Freising von den Namen und Symbolen des Nationalsozialismus also weitgehend befreit – ganz im Gegensatz zu dessen Gedankengut, das sich noch viele Jahre und Jahrzehnte in den Köpfen so mancher Bürgerinnen und Bürger halten sollte und leider auch heute nicht ganz verschwunden ist. 

 

von Florian Notter, Leiter des Stadtachivs Freising

 

Zeitgenössische deutsche Übersetzung (auf der Rückseite des Dokuments)

  1. Juni 1945

Betr[eff]: Entfernung aller Nazinamen und Nazizeichen

An den Bürgermeister

1. Die Militärregierung hat von der vorgesetzten Stelle Befehl erhalten, eine Aktion der örtlichen Regierungsbehörde durchzuführen dahingehend, dass alle öffentlich angebrachten Nazinamen und Nazizeichen in ihrem Befehlsbereich zu entfernen sind.

2. Die Anwendung irgendeiner Landschaftsbezeichnung, die sich auf eine frühere NSDAP Organisation oder Gliederung bezieht, ist verboten

Alle Namen von Städten, Dörfern, Gebäuden, Strassen und Landstrassen, Brücken, öffentlichen Parks, Wasserstrassen, Bauprojekten und öffentlichen Arbeiten, Sportplätze, Stadien oder Spielplätzen, Bergen oder anderen Landschaften, die jetzt nach einem Namen, der mit den Nazi in Verbindung stand, benannt sind, sind sofort zu entfernen. Besonderer Nachdruck ist zu legen auf die Entfernung von Namen, die sich auf die sogenannte „Führerschaft“ der Partei bezieht, z.B. Hitler, Himmler, Goebbels und ähnliche Namen.

3. Die Umbenennung dieser Merkmale, Projekte oder Städte muss sofort beginnen; ein neuer Name muss statt des Nazinamens in jedem Falle zur Verfügung stehen. Die zur Verwendung in Vorschlag gebrachten Namen sollen nach Möglichkeit in Verbindung stehen mit der Geschichte vor 1933, unterliegen aber der Genehmigung der Militärregierung.

4. Zur gleichen Zeit mit dieser Umbenennung, ergehen Anordnungen, alle Abzeichen der Nationalsozialistischen Partei, besonders Hakenkreuze und Hoheitszeichen, von allen öffentlichen Plätzen, von Brücken und Gebäuden, oder sonstigen Bauten, an denen sie angebracht sind, zu entfernen.

5. Die Umbenennung muss bis spätestens 4. Juli 1945 getätigt sein. Ein Bericht, der den früheren, getilgten Namen, sowie den neuen an seine Stelle getretenen enthält, ist durch die Militärregierung zu erstatten und muss bis spätestens am 7. Juli 1945 beim Regionalen Hauptquartier sein.

 

QUELLEN: Stadtarchiv Freising, Registratur nach 1945, Nr. 04700086. 

LITERATUR: Feiler, Bernd: Georg Liebhart, in: Götz, Ulrike (Hg.): Freising im Visier. Die bemalten Schützenscheiben der Freisinger Feuerschützen seit 1684 (43. Sammelblatt des Historischen Vereins Freising), Freising 2015, S. 315-316; Hoser, Paul: Entnazifizierung, in: Historisches Lexikon Bayerns, publiziert am 05.02.2013 (zuletzt aufgerufen am 20.05.2022); Notter, Florian: Ehemalige Artilleriekaserne mit Reichsadler-Skulptur (um 1940) (Archivstück des Monats, Januar 2019), siehe: Archivstücke 2019 | Stadt Freising; Wandinger, Anton: Freising von 1945 bis 1950 (21. Sammelblatt des Historischen Vereins Freising), Freising 1950.

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Juni 2022.
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