München spielt Schicksalsgöttin
Bürgerentscheid zur Startbahn am 17. Juni

1158 soll der Legende nach Heinrich der Löwe den Freisingern mit dem Abbruch der Föhringer Brücke übel mitgespielt haben. Am 17. Juni 2012 können das die Münchner wieder gut machen: In einem Bürgerentscheid votieren die Münchner für oder gegen eine dritte Startbahn am Flughafen. Auf beiden Seiten läuft die Mobilmachung. Denn worin diese Wiedergutmachung denn bestünde, daran scheiden sich die Geister.
Seitdem im Juli 2005 die Planungen für eine Erweiterung des „MUC“ im Moos durch eine dritte Start- und Landebahn begannen, regte sich heftiger Widerstand. Der blieb lange Zeit im Wesentlichen auf das Airport-Umland beschränkt. Erst nachdem es mit dem positiven Planfeststellungsbeschluss im Juli 2011 noch ernster wurde, Tomaten flogen und sowohl in Berlin als auch in Frankfurt die Anwohner gegen Fluglärm auf die Barrikaden gehen, ist der Widerstand auch in München und Bayern angekommen.
Neben den anstehenden Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof setzen die Runway-Gegner jetzt auch auf die Münchner: Initiiert von den Grünen in München hat man zunächst rund 31 500 Unterschriften für ein Bürgerbegehren gesammelt. Nun soll ein Bürgerentscheid die Stadt als einen der drei Gesellschafter der FMG dazu verpflichten, gegen die dritte Bahn zu stimmen. Damit wäre wohl, weil das Projekt ein Ja aller drei Gesellschafter benötigt, die Startbahn gestorben. Doch die Starbahnbefürworter fahren schwere Geschütze auf, die Maschinerie „pro Startbahn“ rollt – unter anderem gesponsert mit einer Million Euro durch die Flughafen-Gesellschaft, die dafür das Marketingbüro Heller & Partner engagiert hat. Und die machen Dampf.
Schnell hatte sich im März das Bündnis „Ja zur 3. Startbahn“ als Gegenpart zu dem Bündnis „München gegen die 3. Startbahn“ formiert. Seitdem liefern sich beide nicht nur bei Diskussionen und Veranstaltungen in München, sondern auch auf ihren jeweiligen Homepages (www.ja-zur-3. de beziehungsweise www.keinestartbahn.de) oder auf Facebook erbitterte Auseinandersetzungen.
Das Bündnis „Ja zur 3. Startbahn“ ist seit Wochen mit Plakaten im Münchner Stadtgebiet präsent, lässt jede Woche so genannte „Botschafter“ für den Flughafenausbau in Internet-Videos ihre Botschaft verkünden: Dass Extrembergsteiger Reinhold Messner (aus Südtirol), Skigröße Maria Riesch oder auch Moderatorin Nina Ruge auftreten, dass ein Wolfgang Fierek eine dritte Startbahn schön findet, dass in den vergangenen Tagen Sterneköche, Wiesnwirte oder auch das volksmusikalische Duo Marianne und Michael die Werbetrommel für die Startbahn rühren, stößt bei den Runwaygegnern abwechselnd auf Ärger und Spott. Vor allem die etwas umstrittenen Unterstützer wie der FC Bayern und der TSV 1860 München erregten die Gemüter. Dass sich – entgegen anderer Aussagen – kein Münchner DAX-Konzern dem Pro-Bündnis anschloss, macht den Startbahngegnern Mut. Die Industrie- und Handelskammer mit ihrem klaren Bekenntnis zur 3. Bahn hat sich mächtig Ärger in der Flughafenregion eingehandelt.
Die Widerständler beginnen mit ihrer Mobilmachung erst in diesen Tagen: Plakate, Flyer und Buttons sind bald fertig, Infostände sind gebucht. Starke Unterstützung bekommt das Bündnis „München gegen die 3. Startbahn“ vom Aktionsbündnis AufgeMUCkt: Das wird unter Motto „Auch mal ruhig schlafen können“ kurz vor dem Bürgerentscheid vom 14. bis 16. Juni wohl im Hofgarten „Occupy Staatskanzlei“ durchführen. Und man will Postkarten an Verwandte und Freunde in München verschicken. Appell: „Bitte sei du meine Stimme in München!“ und „Tu’s für mich!“ Im Internet kann man sich über www.meine-münchner-stimme.de seinen (oder mehrere) Münchner suchen, der am 17. Juni gegen die Startbahn votiert. Dabei ist der Bürgerentscheid eine etwas knifflige Sache. Denn die Münchner müssen gleich drei Fragen beantworten:
Das ist zum einen „Bürgerentscheid 1“ – das von der Stadtratsmehrheit aus CSU und SPD initiierte Ratsbegehren: „Sind Sie dafür, dass die Stadt München in den zuständigen Gremien der Flughafen München GmbH – ohne sich an den Kosten zu beteiligen – dem Projekt einer 3. Start- und Landebahn am Flughafen München zustimmt?“

Das ist zum anderen der von den Grünen eingebrachte „Bürgerentscheid 2“: Dabei soll man mit „Ja“ stimmen, dass die Stadt München als Gesellschafterin der FMG inbesondere in der Gesellschafterversammlung der FMG „keinem Beschluss zum Bau einer 3. Start- und Landebahn zustimmt“.
Sollte, und das könnte leicht passieren, keiner der beiden Bürgerentscheide oder sogar beide Bürgerentscheide das notwendige Quorum der Stimmen (jeweils rund 102 000) erreichen, eine Entscheidung also nicht feststehen, gibt es noch eine Stichfrage: Welche Entscheidung soll gelten? „Zustimmung“ zum Bau oder „Ablehnung“ des Baus einer 3. Bahn.

So oder so: Besonders die Freisinger werden am 17. Juni, wenn um 18 Uhr die Wahllokale schließen, ganz gespannt in die Landeshauptstadt blicken. Immerhin: Anders als 1158 weiß man im Jahr 2012, dass da in München etwas Entscheidendes passiert. Sicherlich wird der 17. Juni – bis 1990 bekanntlich der „Tag der deutschen Einheit“ – wieder ein Feiertag. Fragt sich nur: Für wen? (Bild: Mike Keilbach)

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Juni 2012.
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