Zur Bau- und Nutzungsgeschichte
Der fürstbischöfliche Hofstall wurde 1670/71 im Auftrag Fürstbischofs Albert Sigismund (reg. 1651-1685) von den Vorarlberger Maurermeistern Johann und Jodok Moosbrugger zwischen Residenz und Dom nach Süden versetzt erbaut. Ergänzt durch den 1682 neu erbauten Fürstengang und die Aussichtsterrasse schloss er den Domplatz zu einer baulichen Einheit zusammen. Während das Erdgeschoss Platz für rund 60 Pferde bot, hatte man im Geschoss darüber die fürstbischöfliche Gemäldegalerie eingerichtet. Ein erster, nicht verwirklichter Entwurf zum Neubau des Marstalls von Gaspare Zuccalli von 1668 sah zwar auch im Erdgeschoss den Marstall vor, im ersten Obergeschoss jedoch einen großen Festsaal. Letzterer wurde dann innerhalb des Südflügels der Residenz verwirklicht (sog. „Großer Saal“, später „Steinerner Saal“, 1844 beseitigt); so trat das Galerie-Projekt an dessen Stelle. Im Zuge der Mediatisierung 1802/03 – Freising wird bayerisch – ging das fürstbischöfliche Marstallgebäude wie alle übrigen Gebäude auf dem Domberg in den Besitz Kurbayerns über. Die bayerische Archivverwaltung hatte zwar 1825 zunächst die Absicht, dort ein Depot des [Bayerischen] Allgemeinen Reichsarchivs einzurichten, doch kam dieser Plan nicht zur Ausführung. Erst mit der Errichtung eines Lyzeums in Freising 1834 erhielt das Gebäude einen neuen Bestimmungszweck. So verfügte die Allerhöchste Entschließung vom 23.8.1834: „Zu Freising soll ein vollständiges Lyceum errichtet, und zu diesem Ende das zu Landshut bestehende unvollständige Lyceum nach Freising versetzt, und durch eine theologische Sektion vorschriftsmäßig ergänzt werden. Als Lokalität wird dem Lyceum der Galleriestock neben dem Residenzgebäude und der zunächst stehende Lerchenfelderhof unter Vorbehalt des Staatseigentums und gegen Uebernahme der Baulast bestimmt.“ Nach der feierlichen Eröffnung des Lyzeums in Anwesenheit des Erzbischofs Lothar Anselm von Gebsattel am 20.11.1834 wurde das Gebäude kurz darauf auch formal vom kgl. Rentamt Freising an den Geistlichen Rat Johann Baptist Zarbl, Vorstand des Lyzeums und Gymnasiums und Direktor des erzbischöfllichen Klerikalseminars, übergeben. In diesem Zusammenhang waren jedoch umfangreiche Umbaumaßnahmen notwendig geworden, um das Gebäude in einen dem Zweck entsprechenden Zustand zu versetzen. Die Kosten beliefen sich auf 15.737 fl., finanziert durch einen Zuschuß der Stadt Freising, verschiedene Darlehen, darunter auch ein unverzinsliches Darlehen der Priesterbruderschaft St. Peter in München in Höhe von 2000 fl. Nach zwei Monaten waren genügend Räume vorhanden, sodass das Lyzeum, das Gymnasium (errichtet 1828 im Propsteihof von St. Andreas) und die Lateinschule Einzug halten konnten.
Der stete Zuwachs von Schülern führte schon bald zu Raumnöten, traten doch seit der Errichtung des Erzbischöflichen Knabenseminars in Scheyern dessen Zöglinge nach Vollendung ihrer Studien an der dortigen Lateinschule in das Knabenseminar in Freising ein und besuchten für ihre weitere Ausbildung das Gymnasium auf dem Domberg. Die Vergrößerung des Knabenseminars durch einen Neubau anstelle der Stiftsbauten von St. Andreas 1868 bis 1870 machte dann eine Erweiterung des Schulgebäudes unumgänglich. Dies wurde durch den Aufbau eines zweiten Obergeschosses in den Jahren 1877/78 erreicht. Mit der technischen Oberleitung des Aufbaus war der kgl. Professor der Industrieschule München, Herr Herdegen, betraut, die Bauführung dem Baumeister Heinrich Lang in Freising übertragen worden.
1968 kam es zu tiefgreifenden Änderungen auf dem Domberg. Im Zuge der Neuordnung der theologischen und priesterlichen Ausbildung in der Erzdiözese wurde die Philosophisch-theologische Hochschule (Umbenennung des Lyzeums 1922) aufgehoben und auch das Priesterseminar nach München verlegt. Im ehemaligen Priesterseminar wurde am 1.10.1968 das Bildungszentrum der Erzdiözese eingerichtet. Das 1972 geschlossene Knabenseminar-Gebäude nahm das Diözesanmuseum auf, das 1974 eröffnet wurde.
Kauf durch das Erzbistum München und Freising (1981)
Da in diesen Jahren mit dem Neubau des Domgymnasiums unter Einbeziehung des Philippschlosses auf der Nordseite des Dombergs begonnen wurde, befasste sich die Erzbischöfliche Finanzkammer 1974 mit dem Gedanken, das frei werdende staatliche Gebäude zu erwerben und einer kirchlichen Nutzung zuzuführen.
Erste Gespräche fanden 1977 im Staatsministerium der Finanzen statt. Interesse an einem Erwerb bzw. einer Nutzung dieses Anwesens bekundete aber auch die Stadt Freising. Bei einer Besprechung im Staatsministerium der Finanzen am 26.1.1977 brachte die Stadt Freising vor, dass sie beabsichtige, dort die Fachoberschule Freising, deren Sachaufwandträger die Stadt Freising ist, unterzubringen. Die Erzbischöfliche Finanzkammer argumentierte dagegen, dieses Gebäude zur Arrondierung des kirchlichen Grundbesitzes am Domberg in Freising erwerben zu wollen. Als Verwendungszweck nannte die Erzbischöfliche Finanzkammer die Unterbringung des kirchlichen Zentralarchivs und der Dombibliothek, außerdem die Einrichtung eines Schülerinternats sowie eines Instituts zur Ausbildung von Diakonen. Nachdem die Stadt Freising 1980 mitteilte, dass von ihrer Seite kein Interesse mehr an einem Erwerb oder einer Anmietung des alten Domgymnasiums bestünde, konnte die Erzbischöfliche Finanzkammer in konkrete Verkaufsverhandlungen mit dem Freistaat Bayern treten. Der Kaufvertrag wurde dann am 25.6.1981 geschlossen. Dieser Vertrag enthielt die Bedingung, dass zwei Drittel der Nutzflächen des Gebäudes noch bis 31.12.1991 kostenlos durch die TU in Weihenstephan genutzt werden dürfen.
Umbaumaßnahmen (1983 bis 1994)
Bereits vor den Vertragsverhandlungen war die endgültige Nutzung des Gebäudes geklärt worden. Es sollte im Erdgeschoss ein Archivdepot für Pfarrarchive entstehen, die zwei Obergeschosse waren für die Aufnahme der die Dombibliothek vorgesehen, die zu dem Zeitpunkt unter beengtesten Raumverhältnissen im Diözesanmuseum, dem Gebäude des ehemaligen Knabenseminars, untergebracht war. Somit konnte nach dem Kauf unmittelbar mit der Planung des Umbaus begonnen werden. Mit der Planung des ersten wie dann auch des zweiten Bauabschnittes wurde der Architekt Dipl.-Ing. Hans Peter Wopperer in Freising beauftragt.
Da das Gebäude unter Denkmalschutz steht, war zuerst ein Gutachten des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege einzuholen. Am 10.1.1983 äußerte sich Generalkonservator Michael Petzet wie folgt: „Die Adaptierung des jetzt teilweise und in wenigen Jahren völlig ungenutzten Domgymnasiums als Archiv- und Bibliotheksdepot des Erzbistums München-Freising freut uns natürlich sehr, da dadurch dieses leider lange Zeit vernachlässigte und durch Umbauten entstellte Baudenkmal eine neue sinnvolle Nutzung erhält. Bedauert wird allerdings, daß die neue Nutzung die Beseitigung aller Holzbalkendecken und deren Ersatz durch Stahlbetondecken erfordert….“.
Der Umbau fand nun den Bedingungen des Kaufvertrags entsprechend in zwei Abschnitten statt. Am 9.2.1983 genehmigte die Stadt Freising den Bau des ersten, am 20.2.1991 den des zweiten Bauabschnittes. Große Probleme bereitete die Verstärkung und Unterfangung der Fundamente. Zwei Baugrundgutachten, 1982 und 1992 erstellt, hatten nämlich erbracht, dass der 86 m lange, 12 m breite und 17,5 m hohe Baukörper eine Querneigung zur südlichen Hangseite von 17 cm auf eine Höhe von ca. 10 m Höhe und eine Längsneigung zur Ostseite von 57 cm aufweist. Der Grund dafür ist in der Zusammensetzung des Untergrundes zu suchen. So wurden bei diesen Untersuchungen an der Oberfläche künstliche Auffüllungen mit Mächtigkeiten zwischen 2 und 3 m festgestellt. Damit die Bauwerkslasten in den tragfähigen quartären Sanden und Kiesen abgetragen werden konnten, waren Wurzelpfahlgründungen unumgänglich. So wurden die Fundamente mit ca. 250 Bohrpfählen, 20 cm stark, zwischen 7 und 16, meist 11 m lang unterfangen. Nur so war die benötigte Stabilität des Gebäudes gegeben, um die enormen Lasten der Archiv- und Bibliotheksmagazine aufzunehmen.
Eine weitere Maßnahme in diese Richtung war die Entfernung der Holzbalkendecken zwischen dem Erdgeschoss und dem ersten und zweiten Obergeschoss – wie bereits im Gutachten des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege angesprochen – und deren Ersetzung durch Stahlbetondecken. Das im Erdgeschoss im östlichen Teil vorhandene Kreuzgratgewölbe wurde erhalten. Ebenfalls erhalten wurden die dort befindlichen historischen Steinsäulen, die zum Teil wieder freigelegt wurden. Wie vom Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege gefordert, wurden Fenster und Türen – soweit überhaupt möglich – erhalten, beziehungsweise den Originalen nachgebildet. Auf der Fassade wurde der alte Putz bis auf das auf Mauerwerk abgeschlagen, noch vorhandene Putzbändern, Gesimse und Lisenen wurden ausgebessert oder, wenn nicht mehr vorhanden, mit der Neuverputzung neu aufgetragen. Das Dach wurde den Vorgaben der Denkmalpflege mit naturroten Rundschnittbibern gedeckt. Wegen der starken Außenwände (67 cm) und der zum Teil noch bestehenden Gewölbe wurde auf eine Klimatisierung verzichtet.
Heutige Nutzung
Nach Abschluss aller Umbaumaßnahmen fand die Einweihung unter Anwesenheit des Erzbischofs, Kardinal Friedrich Wetter, in einem feierlichen Festakt am 17. Mai 1994 statt. Das Gebäude wird heute folgendermaßen genutzt:
Archivdepot im Ergeschoss: Das Erdgeschoss wurde vom Archiv des Erzbistums München und Freising zunächst als Archivdepot für Pfarrarchive genutzt. Da viele Pfarreien und Kuratien bereits seit Jahrzehnten keinen eigenen Seelsorger mehr haben, sind deren Archive, die vor Ort in den Pfarrhäusern, die inzwischen meist anderweitig genutzt werden, lagern, besonders gefährdet. Um eine Schädigung oder den Verlust dieser Archive zu verhindern, bietet das Archiv des Erzbistums mit diesem Archivdepot eine sachgerechte Unterbringung und eine fachliche Betreuung. Derzeit werden dort ganz oder teilweise die Archive von 90 Seelsorgestellen verwahrt. Nachdem die Lagerkapazitäten im Archiv des Erzbistums in München in der ehemaligen Karmeliterkirche erschöpft sind, werden nun auch vom Erzbischöflichen Ordinariat an das Archiv abgegebene Akten im Archivdepot auf dem Domberg verwahrt.
Dombibliothek in den Obergeschossen: Wurden die Obergeschosse im ersten Bauabschnitt nur als reine Magazine genutzt, so wurde im zweiten Bauabschnitt im ersten Obergeschoss der Öffentlichkeitsbereich mit Lesesaal und Katalogsaal realisiert. Daneben wurden die Büros für die Mitarbeiter der Bibliothek eingerichtet, so dass sich Personal für die fachliche Betreuung der Benutzer immer in nächster Nähe befindet. Im Flur vor dem Lesesaal wurde durch die Anbringung von Gemälden aus dem Diözesanmuseum die Gemäldegalerie der fürstbischöflichen Zeit nachempfunden. Das zweite Obergeschoss besteht dagegen nur aus Magazinräumen.
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom September 2013.
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