Mäx Huber aus Moosburg ist gefragter Studiomusiker und genialer Live-Performer. Kürzlich erschien sein autobiografischer Roman „Trommelwirbel nach Mäxico“, in dem der Schlagzeuger sein bisheriges Leben Revue passieren lässt – von den Anfängen als Achtjähriger mit seiner Band „Düsenjäger“ über eine aufregende Amerikatour mit der Regensburger Band-Legende „Baby You Know“ bis tief in die tägliche Wirklichkeit des Rock’n’Roll.
Herzlichen Glückwunsch! Wie war das Gefühl, das erste Druckwerk in Händen zu halten?
Das war super, ein sehr schönes Gefühl. Das Ganze hat sehr lang gedauert, bis es fertig war und ich habe nie gewusst, ob es überhaupt einmal fertig wird. Und das ist schon super, wenn man das erste Buch in der Hand hat.
Für Dich war das ja auch eine ungewohnte Situation: Als Musiker bist Du gewöhnt, auf einer Bühne zu stehen, immer viele Leute vor Dir zu haben -und nun bist Du in die Einsamkeit des Schreibens abgetaucht. Ein Unterschied wie Tag und Nacht.
Ja, schon ziemlich. Aber vielleicht war genau das das Reizvolle, dieses allein etwas zu machen. Musikalisch habe ich es ja immer mit Bandmitgliedern zu tun, mit Leuten, die die Songs schreiben, die ich dann spiele. Und ich wollte einfach mal etwas machen, bei dem ich alleine der Chef bin und keine Kompromisse machen muss. Also ich muss das mit keinem abstimmen, es muss nur mir selbst gefallen und ich kann zu den Zeiten arbeiten, zu denen ich will. Wenn ich gerade kreativ war, dann konnte ich mich einfach hinsetzen und schreiben. Und wenn ich keine Lust mehr hatte, habe ich wieder aufgehört. Das war nicht wie wenn ich mit einer Band eine Probe habe, da muss ich dann hin, weil es ausgemacht ist. Oder weil das Studio gebucht ist. Ob man dann in dem Moment kreativ ist oder nicht, das ist dann egal. Aber beim Schreiben konnte ich mir das aussuchen und das finde ich schon sehr reizvoll.
Alle, die schreiben, kennen den Moment, in dem nicht alles nur so aus einem rausfließt, die sogenannte Schreibblockade. Warst Du mit der auch konfrontiert?
Auf jeden Fall, ja. Ich glaube, das lässt sich nicht vermeiden. Ich bin schon manchmal da gesessen mit so einer Schreibblockade und habe trotzdem weiter geschrieben – und diese Seite dann vielleicht auch wieder gelöscht, weil ich mir gedacht habe, das ist jetzt einfach nichts. Aber das Gute an dem Ganzen ist ja, dass ich es mir selbst einteilen konnte. So eine Schreibblockade war also kein Problem, denn ich hatte keinen Abgabetermin, es war alles offen.
Ein durchschnittliches Konzert dauert vielleicht zwei Stunden, wie lange hast Du jetzt an dem Buch geschrieben?
Stundenmäßig – keine Ahnung! Sehr viele Stunden, das läppert sich schon. Ich habe schon 2018 mit dem Schreiben begonnen. Viele denken, das war so ein „Corona-Produkt“, aber ich hatte schon vor Corona angefangen. Es war allerdings nicht so, dass ich die ganze Zeit total intensiv geschrieben habe. Immer mal wieder bin ich mehr eingetaucht, aber manchmal hatte ich auch gar keine Zeit für das Buch. Erst dann zur Corona-Zeit habe ich es endlich fertig gebracht.
Du wolltest keine Kompromisse machen: Wenn Du Dir das Ergebnis heute anschaust … ist Dir das gelungen?
Das ist schwierig zu sagen. Es ist wie bei Aufnahmen, wenn man sich eine CD anhört, auf der man selbst mitgespielt hat: Man ist nie hundertprozentig zufrieden im Nachhinein. Es gibt immer Sachen, die man bei einer neuen Gelegenheit anders machen würde. Und so ist es mir mit dem Buch auch gegangen, aber im Großen und Ganzen bin ich schon zufrieden.
Sowieso ist es ja so, dass Schreiben für Dich nicht so komplett neu war. Du hast ja schon bisher die Texte für Deine eigenen Band-Projekte selbst geschrieben und Du hast auch Kabarett-Texte gemacht.
Ja, gut: Kabarett schreiben ist mir relativ leicht gefallen, das habe ich ja nur für mich gemacht, niemand hat es gesehen. Hingegen so ein Buch, das lesen dann ja die Leute. Das ist dann eben schwarz auf weiß gedruckt. Das andere sind nur Vorgaben für mich selbst und beim Kabarett habe ich auch viele Improvisationsparts eingebaut. Teilweise habe ich auch nur Stichpunkte aufgeschrieben.
Ok, das wäre natürlich beim Roman etwas komisch gewesen. … Faszinierend an Deinem Buch ist, dass Du Dich getraut hast, nicht nur positive Dinge zu schreiben und zu beschreiben, sondern dass gerade Dinge, die nicht so hundertprozentig funktioniert haben, in Deinem Buch ein starkes Gewicht haben.
Ich habe ja fast keine andere Wahl gehabt. Denn wenn ich schon ein Buch schreibe, dann muss ich es ja auch ehrlich schreiben. Im Nachhinein hätte es mich wahrscheinlich anders auch geärgert, denn ich hätte ja den Eindruck, dass nur vorgegaukelt ist, was da steht. Ich wollte es wirklich gnadenlos so schreiben, wie es war. Sehr positive Sachen, die einfach gelungen sind, genauso aber auch Sachen, die nicht gelungen sind.
Unter anderem beschreibst Du sehr ausführlich Deinen Trip nach Amerika mit der Band „Baby You Know“ bzw. „Chief Joseph“, der danach aussah, als würden alle Sehnsüchte gleichzeitig erfüllt und dann aber irgendwie implodiert ist. Wie war es, das aufzuschreiben, hast Du da alles in Gedanken nochmal durchlebt?
Das war schon fast ein bisschen wie Therapie, diese ganzen Lebensstationen im Kopf nochmal durchzugehen. Und sich da nochmal in die Art rein zu fühlen, wie ich damals gedacht habe. Das empfinde ich als lehrreich für mich selbst. Gerade diese Amerika-Sache, das war bizarr zu schreiben, wir dachten damals wirklich, uns liegt jetzt die Welt zu Füßen: Wir fliegen jetzt nach Amerika, für uns ist das Chelsea-Hotel gebucht, wir spielen in der Knitting Factory, wir haben gedacht, wir sind jetzt die Rock-Stars. Und irgendwann ist man wieder ein ganz normaler Mensch wie vorher, aber um eine Erfahrung reicher. Man wird irgendwann gescheiter und stellt fest, dass das ganze Getue völlig egal ist.
Hat dieser Trip Deine persönliche Definition von Erfolg verändert?
Ja, schon. Heute ist für mich entscheidend: Wie gut war die Musik? Das war zwar damals schon auch so, aber da haben noch so viele andere Sachen eine Rolle gespielt. Dieses ganze Namedropping – welches Studio, wer war dabei, welches Hotel – das finde ich heute eher zweitrangig.
An einer anderen Stelle im Buch geht es um vielleicht ganz ähnliche Gedanken – und um Geld. Du erzählst, wie Du eine Zeit lang in einem Block gewohnt hast, in dem viele Menschen in schwierigen sozialen Verhältnissen untergekommen waren …
Das war Zufall: Ein Bekannter von mir ist nach Indien gegangen und ich konnte seine Wohnung übernehmen. Ebenso zufälligerweise haben fast alle aus meiner damaligen Band „No Siesta“ auch in dem Block gewohnt. Um uns herum allerdings Alkoholiker, Junkies, wenn man es so sagen will. Die Leute waren sehr kaputt, aber sie waren auch sehr hilfsbereit. Wenn Du da irgendwas gebraucht hast, die waren sofort da. Was für sie möglich war, haben die auch gemacht. Und sie haben auch nicht unbedingt unglücklich gewirkt.
In Deinem Buch kommen auch eine Menge anderer Menschen vor, etwa Deine Frau und Deine Familie, aber auch die Freunde aus der Band. Wie haben die denn aufgenommen, Teil einer doch recht detaillierten Schilderung zu sein?
Die meisten haben es positiv aufgenommen und ich habe ja auch niemanden durch den Dreck gezogen. Klar fühlt sich der eine oder andere schon etwas auf den Schlips getreten. Ich denke mir: So richtig recht kann man es keinen machen. Es ist natürlich schon etwas gewagt für Freundschaften.
Viele Passagen sind ja wirklich unglaublich lustig. An einer Stelle aber wagst Du genau das Gegenteil, nämlich, als Du über den frühen Tod Deines Bruders schreibst – vielleicht ein großer Zusammenhang: Sich in der begrenzten Lebenszeit auf die Sachen zu konzentrieren, die einem wirklich Freude bereiten …
Vielleicht nicht bewusst hergestellt. Aber ja, es kann schon sein, dass ich mir durch diese Erfahrung gedacht habe, dass man nur ein Leben hat und es kann so schnell vorbei sein. Dann ist es natürlich nicht verkehrt, das zu machen, was man machen will. Wobei ich das aber vorher auch schon gemacht habe und immer klar war, dass ich das will.
Letzte Frage: Wenn Du Deinem Leben heute eine Farbe zuordnen wolltest, welche wäre es und warum?
Grün. Weil grün ist doch die Farbe der Hoffnung. Die Corona-Phase ebbt ab und es geht wieder los mit Konzerten, es ist wieder ein Neuanfang. Jedenfalls für mich. Ein Frühling nach zwei harten Jahren.
von Birgit Mooser-Niefanger
Die große Fragestunde
Unsere Autorin Birgit Mooser-Niefanger trifft sich ab dieser Ausgabe mit interessanten Menschen zur „großen Fragestunde“ und hofft, heraus zu finden, was Menschen in ihrem Innersten bewegt. Die Fotos zur Serie macht Birgits langjähriger Freund und Kollege Franz Josef Kirmaier (das produktionshaus).
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Mai 2022.
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