Selten beherrscht ein Künstler die Abstraktion von christlichen und mythologischen Themen so eindringlich wie Horst Thürheimer. Jenseits von narrativen Darstellungen reduziert er die x-mal narrativ illustrierten Themen auf Farbe und Form. Die Ergebnisse wirken gerade so, als ob sie das Resultat seiner inneren Aufarbeitung seien. Und eben diese Arbeiten nun im Diözesanmuseum in unmittelbarer Nachbarschaft zu den traditionellen Bildfindungen sehen zu können, macht die Ausstellung so spannend. Oft nämlich wirken die kraftvoll inszenierten Werke Thürheimers deutlich dramatischer.
So zum Beispiel seine Kreuzwegstationen für St. Florian in Riem. Statt 14 Einzelbildern entwickelte er in durchlaufender Abfolge ein 14-teiliges Bild, das von den Motiven Weg und Kreuz bestimmt wird, und von einem dunklen Schwarz. Während in den ersten Teilen grelle Lichtblitze erscheinen, werden die letzten Segmente von einem blutig triefenden Rot bestimmt, jenem Rot, das gleichermaßen das Leben und den Tod markiert. Neben dem Entwurf für diesen Kreuzweg geben einige Glasbilder einen Eindruck von Thürheimers Umgang mit dem Material, dessen Transparenz er gezielt einsetzt, um neben Verdichtungen eine Leichtigkeit zu schaffen, die durch die Beleuchtung von hinten zum Leben erweckt wird.
Gleich daneben prangt eine martialische Dornenkrone von 2 Meter 50 Breite, deren Materialdichte und –verarbeitung an ein Relief erinnert. Wie ein Plastiker legte er zunächst eine regelrechte Landschaft aus Sand auf das Büttenpapier, bevor er mit Schwarz und Weiß ein dichtes Geflecht hineinlegte, das er mit Ockertönen und Violett, der Farbe der Passionszeit, akzentuierte.
Neben solcher Fokussierungen sind es aber vielmehr die Räume, die Thürheimers Schaffen der letzten 30 Jahre kennzeichnen. Seine Gemälde und Graphiken sind mal still und weit, ja sogar unschuldig, mal chaotisch und dicht. Meist würzt er seine farblosen Kompositionen nur gezielt mit Farbe, ein Symbol für den ewigen Kreislauf von Leben und Tod. Oft führt sein Weg von der Fläche, dem Malerischen, zum Graphischen, so wie in seiner 20-teiligen Serie „Lebensbaum und Feuerzungen“, in der die Ambivalenz des Feuers Thema ist. Das selbe Feuer, das Leben erst ermöglicht, hat gleichermaßen zerstörerische Kräfte, die eben auch den Lebensbaum bedrohen. Unterstützt wird diese Dramatik von reellen Brandlöchern, also authentischen Spuren der Verletzung. Derartige Brandmarken, die wie Wundmale wirken und eine zweite Ebene im Bild eröffnen, sind quasi sein Markenzeichen. Sie finden sich in vielen seiner Werke, die trotz ihrer Dichte optisch meist leicht wirken und immer nachdenklich und kontemplativ stimmen.
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Mai 2013.
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