Vielmals ist der Umgang mit Bäumen von den verschiedensten Sachzwängen geprägt: Allzu schnell steht ein Baum im Weg, wird zum Ärgernis, „Störenfried“ und Haftungsrisiko. Natürliche Vorgänge wie der Laubfall im Herbst werden oft als lästig empfunden, die Sorge vor übermäßiger Beschattung oder gar die Angst vor Unwetterschäden lassen häufig die Fällung eines Baumes als die einfachste Lösung erscheinen.
Die Freisinger Stadtgärtnerei ist nicht selten Anwalt der Bäume. „Wir sind uns der großen Bedeutung der Bäume im öffentlichen Grün für das Umfeld des Menschen in der Stadt bewusst: Bäume produzieren unaufhörlich Sauerstoff, nehmen CO2 auf, filtern Staub und schaffen ein erträgliches Kleinklima mitten in der Stadt. Sie schützen vor Sonne, Wind und Lärm, speichern Feuchtigkeit und bieten vielen Tierarten einen wichtigen Lebensraum“, sagt Anton Eichenlaub, Leiter der Stadtgärtnerei. „Deshalb ist uns der sorgsame und verantwortungsbewusste Umgang mit dem Baumbestand in Grünanlagen, an Spielplätzen, Schulen und Kindergärten, entlang von Straßen und auf Friedhöfen usw. wirklich ein großes Anliegen.“
Der Erhalt eines gesunden und vitalen Altbaumbestandes und die Sorge um die Schaffung von Lebensräumen für nachwachsende Bäume in der Stadt – ein Thema, das immer schwieriger wird – sind oberste Zielsetzung der Arbeit mit den Bäumen. Wesentliche Aufgabenschwerpunkte im Bereich der Baumpflege liegen sowohl bei der Erkennung und Beseitigung der möglicherweise von alten oder kranken Bäumen ausgehenden Gefahren für den Bürger als auch darin, den Bäumen trotz der vielen negativen Einflüsse im „Lebensraum Stadt“ eine relativ gesunde Entwicklung zu ermöglichen. „Der Erhalt und erst recht die Schaffung von geeigneten Standorten für Bäume wird im innerstädtischen Bereich immer schwieriger, die Freiräume werden kleiner. Viele Bäume leiden unter zu kleinen Standorten und schlechten Bodenverhältnissen, oft versiegelt und verdichtet, mit unzureichender Wasserversorgung“, bedauert Eichenlaub. Bei Baumaßnahmen würden nicht selten Schäden im Wurzelbereich der Bäume verursacht.
„Lebensraum Stadt“: Kein Paradies für Bäume
Bäume haben’s im städtischen Umfeld schwer: Die Belastung durch Streusalz im Winter und die überdurchschnittliche Hitzeabstrahlung im Sommer sind nur einige weitere Faktoren, die ein gesundes Baumwachstum erschweren.
Die Auswirkungen der derzeit vermehrt auftretenden Baumkrankheiten – Eichenlaub verweist auf das Eschentrieb-Sterben, die Massaria-Krankheit an Platanen oder das ebenfalls durch einen Pilz hervorgerufene Erlen-Sterben – stellen eine weitere Herausforderung im Bereich Baumpflege dar. Verbreitet auftretende Baumschädlinge wie die Kastanienminiermotte können zudem zu einem deutlichen Vitalitätsverlust von befallenen Bäumen führen, deren gesunde Weiterentwicklung in Frage stellen und den Bestand an Rosskastanien in der Stadt gefährden. Eine wirksame Bekämpfung des Schädlings ist kaum möglich. Tipp des Fachmanns auch an Privatleute: Zur Eingrenzung des Befalls und der Weiterverbreitung der Miniermotte muss heruntergefallenes Laub regelmäßig entfernt und ein Überwintern der Tiere so verhindert werden. Das Laub sollte dabei einer kommerziellen Kompostierung zugeführt werden – nur hier sind die zum Absterben der Tiere erforderlichen hohen Temperaturen zu erzielen.
Von der Baumpflege und ihren Grenzen
Bäume sind Lebewesen. Klimatische, biologische oder standortbedingte Einflüsse können sich negativ auf die Vitalität, auf die Bruchsicherheit von Ästen und Kronenteilen oder gar auf die Standsicherheit von Bäumen auswirken. Die Vorgabe der Rechtsprechung, im Bereich des Baumbestandes im öffentlichen Grün durch geeignete Kontrollen und Maßnahmen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht Gefahren und Schäden von Bürgern fernzuhalten, nimmt die Stadt sehr ernst: Alle Bäume im öffentlichen Grün werden einer regelmäßigen, gründlichen visuellen Kontrolle durch geschultes Personal der Stadtgärtnerei unterzogen, je nach Standort und Zustand der Bäume ein- oder mehrmals jährlich, in jedem Fall zusätzlich nach Unwetterereignissen. Die Kontrollen von derzeit über 7000 Bäumen im Stadtgebiet werden dabei in einem Baumkataster verzeichnet und dokumentiert. Zeigen sich Schadsymptome, die möglicherweise eine Beeinträchtigung der Sicherheit zur Folge haben können, werden geeignete Maßnahmen ergriffen. Beim Baumbestand im Stadtgebiet sind regelmäßige Schnittmaßnahmen im Kronenbereich, das Entfernen abgestorbener Äste oder der Einbau von Kronensicherungen durch eigenes Personal mit einer angemieteten LKW-Hubarbeitsbühne Routine. Wo erforderlich, werden Fachfirmen beauftragt, die beispielsweise mit Seilklettertechnik noch mehr Möglichkeiten haben. „In nicht wenigen Fällen geben wir zudem eine eingehende fachliche Untersuchung durch einen Sachverständigen für Baumstatik in Auftrag“, erklärt Eichenlaub. Dabei werden mit speziellen Messmethoden zusätzliche Detailinformationen über den Grad der Schädigung und die erforderlichen Maßnahmen ermittelt.
Im Einzelfall kann das auch das Entfernen eines Baumes aus Sicherheitsgründen erforderlich machen – für die Stadtgärtnerei immer die schlechteste Lösung. „Die Rücksichtnahme auf die Bedeutung der Bäume als Lebensraum für viele Tierarten ist uns natürlich ein großes Anliegen“, sagt Eichenlaub. „Sie ist fester Bestandteil einer modernen Baumpf lege und wird von uns, wo immer möglich, auch praktiziert. Dazu stehen wir in regelmäßigem Kontakt mit der Unteren Naturschutzbehörde!“
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom November 2012.
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