Seit 1. Januar 2012 leitet der promovierte Theologe und Volkskundler Christoph Kürzeder das Diözesanmuseum. Bislang war der 47-jährige unter anderem am Lehrstuhl für Pastoraltheologie in München tätig, arbeitete freiberuflich für das Freilichtmuseum Museum Glentleiten, das Kulturreferat des Erzbischöflichen Ordinariats München sowie für das hiesige Diözesanmuseum. 2008 konzipierte und realisierte er das Museum der Bürgersaalkirche München und erst kürzlich eine Wallfahrtsausstellung in der Galerie Markt Bruckmühl. Nun hütet der geborene Steinhöringer am Domberg eines der größten kirchlichen Museen der Welt. Die Sammlung beinhaltet rund 16.000 Gemälde und Skulpturen von der Romanik bis ins 19. Jahrhundert sowie einige moderne Werke. Unsere Mitarbeiterin Elisabeth Hoffmann unterhielt sich mit Christoph Kürzeder.
Herr Kürzeder, Sie sind gerade mal ein halbes Jahr als Direktor des Diözesanmuseums Freising im Amt und haben bereits zwei beachtliche Ausstellungen in Fortsetzung der Reihe „Junge Kunst“ auf die Beine gestellt – ein beeindruckendes Tempo. Andernorts benötigen derartige Ausstellungen wesentlich längere Vorlaufzeiten. Wollen Sie in diesem Rhythmus fortfahren, quasi eine „Junge Kunst“ – Ausstellung nach der anderen präsentieren?
Die nächste Ausstellung in der Reihe „Junge Kunst“ findet erst Anfang nächsten Jahres statt. Mit Horst Thürheimer zeigen wir dann hier einen Künstler, der bereits Erfahrungen mit Ausstellungen im Kirchenraum hat. Die nächste Sonderausstellung widmet sich unter dem Titel „Seelenkind – Christuskindverehrung in bayerischen Frauenklöstern“ den Brauchtümern zur Weihnachtszeit. Dabei geht es mir besonders darum, die Tradition modern zu präsentieren und auszuprobieren, inwieweit ein Museum für christliche Kunst die Dinge aus einem Kontext herausziehen kann. Die Reihe „Junge Kunst“ aber ist ein wichtiges Standbein des Hauses. Nachdem sie Peter Steiner begründet und Sylvia Hahn fortgesetzt hat, ist diese mittlerweile zu einer guten Tradition geworden.
Mit Sonja Toepfer und Elke Härtel wählten Sie für die bisherigen Ausstellungen zwei junge Künstlerinnen aus, die bislang nur einem kleineren Publikum bekannt waren. Nach welchen Kriterien wählen Sie die Künstler aus und wie entdecken Sie diese?
Ich schaue mir viele Ausstellungen an, u.a. auch die Abschlussausstellungen an der Münchner Akademie. Sonja Töpfer habe ich in einer Galerie entdeckt, wo mich ihre Auseinandersetzung mit den neuen Medien sofort berührt hat. Übrigens ist sie jetzt für die kommende „documenta“ in Kassel ausgewählt worden. Die Auswahlkriterien sind unterschiedlich, besonders wichtig ist mir dabei aber immer das Qualitätsbewusstein der Künstler. Ihre Werke sollten sich im christlichen Sinne mit den Grundfragen des Lebens auseinandersetzen. Mögliche Themen sind beispielsweise Reue, Buße, Umkehr ebenso wie Vergänglichkeit und Innerlichkeit. Mal handelt es sich um Auftragswerke für Kirchen, wie in der aktuellen Ausstellung von Elke Härtel, mal um persönliche Vorlieben oder, wie demnächst, um Werke, die speziell für das Diözesanmuseum angefertigt wurden. Generell sollten die Exponate eine Beziehung zur alten Kunst und zur Geschichte aufweisen und dabei eine klare ikonographische Sprache sprechen, wovon ja immer ein starker Impuls ausgeht. In der Umsetzung sind Analogien natürlich ebenso spannend wie Brechungen. Ein Museum ist immer ein Ort der Auseinandersetzung und hier haben wir einen ganz speziellen Kontext, in dem sich nämlich das Christentum als kulturprägende Kraft zu erkennen gibt. Jedoch ist dies nicht dogmatisch für das Ausstellungskonzept zu verstehen. Vielmehr sollen die Wurzeln des Menschseins in einer jeweils eigenen individuellen Sprache im Sinne einer starken persönlichen Positionierung zum Ausdruck kommen. So habe ich die letzten beiden Ausstellungen bewusst zwei Frauen eingeräumt, da diese einen ganz anderen Blick auf die Dinge haben als Männer, die ja die Kunstgeschichte beherrschen. Dies ist eine Möglichkeit, um neue Wege im Umgang mit einem alten Thema aufzuzeigen.
Das klingt nach viel Sachkenntnis und Erfahrung. Inwieweit und in welcher Art haben Sie bislang mit jungen Künstlern zusammengearbeitet?
Bislang habe ich noch nicht mit jungen Künstlern zusammengearbeitet, das mache ich erst, seit ich hier bin. Jedoch habe ich die zeitgenössische Kunstszene schon immer aus rein persönlichem Interesse wahrgenommen. Ich denke nicht in Sparten, sondern aus einem anthropologischen Ansatz heraus. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit der Frömmigkeit ebenso wie die mit künstlerischen Themen oder den Bildern im Alltag. So fuhr ich vor einigen Jahren mit Studenten zur „documenta“, um mit ihnen dort nach spirituellen und christlichen Aspekten wie Gemeinschaft und Ritual zu suchen. Denn ein Künstler, der sich bewusst mit seiner Umwelt befasst, hat immer etwas, das über die Realität hinaus weist, etwas Prophetisches, Visionäres.
Und wie wollen Sie mit dem außerordentlich reichen Bestand der Sammlung des Diözesanmuseums, der ja nur zum Teil gezeigt werden kann, umgehen?
Ich werde die Bereiche für die Dauerausstellung, die derzeit etwa 20 Prozent des Bestandes zeigt, verkleinern, um so mehr Raum für Themenausstellungen zu haben, in denen Werke aus dem Depot ans Licht kommen. Da mir an der Offenheit des Blicks sowohl auf die Tradition wie auch auf das Zeitgenössische liegt, freue ich mich, so mehr Flexibilität für Sonderausstellungen in klar definierten Räumen zu haben. Zudem will ich die Dauerausstellung neu ordnen, nicht mehr chronologisch gedrängt, sondern themenorientiert und luftig. Nur wenige Hauptobjekte aus den Kernbereichen der jeweiligen Epochen werden immer zu sehen sein. In der Gegenüberstellung sollen sie in eine zeitübergreifende Korrespondenz treten.
Planen Sie eine Erweiterung des museumspädagogischen Angebotes wie gezielte Einführungen oder Kurse für Kinder und Jugendliche oder themenorientierte Führungen unter klar definierten Gesichtspunkten?
In Kooperation mit kirchlichen und staatlichen Organisationen plane ich diesbezüglich eine große Offensive. Dazu gehören Familien-Projekte in Form von Workshops mit praktischem Arbeiten, eine mittelalterliche Schreibwerkstatt sowie spezielle Angebote zum Kirchenjahr, zu den Kernfesten der Kinder und Jugendlichen, zu Sonderausstellungen und auch Lehrerfortbildungen. Im Zuge der Führungen ist es mir wichtig, dass diese eine Aura vermitteln und sich auf den lebenden Menschen beziehen und nicht historisch ausgerichtet sind. In übergreifenden Themen sollen dabei die Grunderfahrungen des Menschen relektiert werden.
Sie haben keine spezifische kunstwissenschaftliche Ausbildung. Wie kamen Sie von der Theologie und der Volkskunde zur bildenden Kunst?
Ein katholischer Theologe hat ebenso wie ein Volkskundler ein Bildverständnis. Außerdem bin ich absolut ein visueller Mensch. Dementsprechend ist der Ausdruck der Menschen ihrer jeweiligen Zeit für mich eine Herausforderung. Die Menschen fassen in ihrer Kultur ihre Vorstellungen in Bilder. Dies beobachte ich durchaus mit Traditionsbewusstsein, bin dabei aber weder ein Traditionalist noch ein Ideologe.
Sie haben sich viel vorgenommen und schon erste beachtliche Erfolge am Domberg zu verbuchen. Was liegt Ihnen selbst als Direktor des Hauses besonders am Herzen?
Dass die Besucher kommen – schließlich ist dies ein Museum für die Menschen – das liegt mir am Herzen. Ich selbst sehe mich hier als Dienstleister und wünsche mir, dass die Menschen hier herauf kommen und was mitnehmen. (Foto: Rainer Lehmann)
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Juli/August 2012.
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