Filmtheaterbetriebe Fläxl: 100 Jahre Kino in Freising

Das Licht geht aus, es wird still im Saal, der Vorspann läuft: Für die nächsten zwei bis drei Stunden heißt es abschalten und sich vom Film in andere Welten entführen las- sen. Auch heute noch fasziniert Kino. In Freising ist das Kinoerlebnis untrennbar mit der Familie Fläxl verbunden, die mittlerweile in der vierten Generation das Kino in der Domstadt und an anderen Standorten betreibt. Ihre Familiengeschichte erzählt nicht nur viel über die Entwicklung des Films, sondern auch über die Historie Freisings.

Wenn sich die Kinobetreiber Paul Fläxl und Angela Lipp-Fläxl sowie Juniorchefin Veronika Fläxl treffen, um dem FINK die hundertjährige Geschichte des Freisinger Kinos zu erzählen, dann kommen sie aus ganz unterschiedlichen Himmelsrichtungen im Freisinger Kino an der Oberen Hauptstraße an. Denn mittlerweile betreiben die Fläxls Kinos in Vilsbiburg, Erding, Neufahrn und eben Freising. Dort nahm diese Geschichte im Jahr 1912 ihren Anfang. Mit Paul Fläxls Großvater Georg. „Er kam nach einem Kinobesuch in München auf diese Idee. Das musste auch nach Freising her.“, erzählt Paul Fläxl. Und so baute der Schneidermeister Fläxl in der Bahnhofstraße neben dem Gasthof zur Gred das Stadt-Kino. Es war bereits das zweite Kino in Freising: In der Unteren Hauptstraße öffnete ein Jahr zuvor das Zentralkino seine Pforten. Die Kinos damals sahen natürlich ganz anders aus als heute. Sie bestanden nur aus einem Saal. „Darin gab es Klappsitze und wo damals 300 Leute in einen Saal gingen, würden wir heute maximal hundert Sitze haben.“, so Fläxl. Juniorchefin Veronika Fläxl ergänzt: „Das war damals höchst unbequem.“ Die Filme, die im Anfangsjahr 1912 liefen, hießen „Arme Prinzessin“ oder „Der Todesring“, Schwarz-Weiß-Streifen ohne Ton, die nur rund 10 bis 20 Minuten dauerten. Die Filme wurden den ganzen Abend in einer Dauerschleife gezeigt, weshalb vor der Tür des Kinos auf einem Schild auch zu lesen war: „Kein Warten auf Anfang, jederzeit Zutritt“. 60 Pfennig hat der Eintritt damals gekostet, für die Zeit nicht wenig. So kam vor allem die gehobenere Schicht, die sich das leisten konnte und die kam zahlreich. „Damals gingen etwa so viele Leute ins Kino wie heute, und das, obwohl es damals ja viel weniger Kinosäle gab“, sagt Paul Fläxl. „Das war für die Leute einfach faszinierend.“, so Angela Lipp-Fläxl.

Die Faszination hielt an: Kinobesuche blieben beliebt, die Technik entwickelte sich rasant weiter, die Filme wurden länger, langsam aber sicher abendfüllend. In den 1930er Jahren und auch während des zweiten Weltkriegs war die Zahl der Kinobesucher hoch. Was auch politisch gewollt war: Denn nicht nur durch die Wochenschau, die vor den Filmen gezeigt wurde, sondern auch mit den Streifen jener Zeit selbst betrieben die Nazis ihre Propaganda. „Die Filme waren zur Zerstreuung oder mit Durchhalteparolen.“, so Paul Fläxl. 1944 wurde sogar noch ein weiteres Kino gebaut: Das Bavaria Kino. Und dieser Bau war der Obrigkeit so wichtig, dass russische Kriegsgefangene mitbauen mussten. Eröffnet wurde das Bavaria, das damals aus einem großen Saal bestand, an Silvester 1944 und lief, bis im Mai 1945 die Amerikaner anrückten und das Kino beschlagnahmten.

Georg Fläxl durchlief nach dem Krieg den Prozess der Entnazifizierung, er wurde als Mitläufer des Regimes eingestuft und musste einen Jahresverdienst zahlen. Das Bavaria-Kino blieb in amerikanischer Hand, das Stadt-Kino wurde weiterbetrieben. 1952 kam dann das Kino im Colloseum dazu, jener legendären Einkaufspassage mit großem Tanzsaal und eben auch einem Kino. Dieses Kino baute dann schon die nächste Generation: die Eltern von Paul Fläxl, Therese und Paul senior. Was zu dieser Zeit für die junge Familie anstrengend war: Paul Fläxl junior war noch klein, sein Bruder war unterwegs, dazu die Baustelle und das Stadtkino.

Parallel dazu versuchten die Fläxls, das Bavaria Kino wieder zurückzubekommen. Sogar an Präsident Eisenhower schrieb die Familie und bekam auch Antwort aus dem Weißen Haus. Ihr Kino werde bald zurückgegeben. 1955 waren dann die Versuche erfolgreich, das Bavaria ging als eines der letzten beschlagnahmten Kinos in ganz Deutschland zurück an die Familie. Die Amerikaner gaben es frei, nahmen aber die komplette Inneneinrichtung und Technik mit in die Kaserne für ihr Truppenkino. Übrig blieben nur ein paar Popcornbrösel. „Das war das erste Mal, dass ich Popcorn gesehen habe, damals mit sechs Jahren.“, erinnert sich Paul Fläxl.

Ende der 1950er erreichte das Kino in Freising seine beste Zeit. Es gab so viele Kinos wie später nie wieder: Die drei Kinosäle der Fläxls mit dem Stadt Kino, dem Bavaria und dem Kino im Colloseum, dazu existierte weiter das Zentralkino, der Asamsaal wurde ebenfalls als Kino genutzt und war der größte Saal in der Domstadt. Dazu gab es noch Kinosäle in Neustift und Lerchenfeld. „Damals gab es acht Mal so viele Kinobesucher wie heute.“, sagt Angela Lipp-Fläxl. Die Kinos teilten die Filme unter sich auf: Familienstreifen und Heimatfilme liefen im Bavaria, anspruchsvollere Abenteuerfilme liefen im Colloseum, weniger anspruchsvolle im Stadt-Kino und die „lustbetonteren Filme“, so Paul Fläxl, im Zentralkino. Darüber war vor allem die Mutter von Paul Fläxl nicht ganz unglücklich. Sie legte schon damals Wert, auch kunstvolles Programmkino zu zeigen. Etwas, das Therese Fläxl später auch im Camera Kino in der Oberen Hauptstraße weiter verfolgte und dafür bundesweit Anerkennung und viele Preise erhielt.

Ende der 1950er und Anfang der 1960er passierte etwas, das der Kinozunft in den folgenden Jahren immer wieder passieren sollte: Durch technische Errungenschaften gingen ihnen Kunden verloren. Damals war es der Fernseher, der langsam aber sicher massentauglich wurde. 1963 folgte ein schwerer Schlag für die Familie: Paul Fläxl senior starb, seine Frau Therese musste sich um drei junge Söhne und drei Kinosäle kümmern. „Und das bei zurückgehenden Besucherzahlen.“, so Paul Fläxl. Für den Kinostandort Freising folgte in der Tat eine schwierige Zeit: Die Säle in Neustift und Lerchenfeld schlossen, 1969 wurde das Colloseum inklusive Kino, später das Zentralkino abgerissen, und auch im Asamtheater wurde der Kinobetrieb eingestellt. Das Zentralkino eröffnete neu in der Oberen Hauptstraße im Stieglbräusaal. Der Betreiber wollte dann aber nicht mehr weitermachen und übergab das Kino an die Fläxls. Seit 1974 bis heute ist es die Heimat des Camera Kinos.

Die Fläxls reagierten Ende der 70er bzw. Anfang der 80er Jahre auf die gesunkenen Besucherzahlen. Statt wenige große sollten es mehrere kleine Säle richten. Das große Bavariakino wurde 1977 in Bavaria und Studio B geteilt, aus dem Camera wurden drei Säle. „Das war reine Notpolitik“, erinnert sich Angela Lipp-Fläxl, aber erfolgreich: Die Besucherzahlen gingen wieder deutlich nach oben. Ein Vorteil war, dass das Programm umfangreicher wurde und die Filme auch länger laufen konnten. Davor waren viele Filme nur eine Woche bis vierzehn Tage zu sehen. Das Stadt-Kino, das aus einem großem Saal bestand und in die Jahre gekommen war, rentierte sich allerdings nicht mehr und wurde aufgegeben.

1986 kam mit dem Classic in der Oberen Hauptstraße ein weiterer Saal dazu. In diesem Raum, der früher als Pferdestall genutzt wurde, probierten die Fläxls etwas aus, was sie in Kinos in Belgien gesehen hatten: Bequeme, feste Sitzplätze, doppelte Armlehnen und ansteigende Stufen. Was heute der Standard in ihren Multiplex-Kinos ist, wurde damals in Freising getestet. Und die Freisinger nahmen das gerne an, wie sich die Fläxls erinnern. 1989 folgte die nächste Neuerung: Im Bavariakino wurde eine Popcornmaschine installiert, eine der ersten in bayerischen Kinos überhaupt. Die Techniker mussten aber bald nach dem Einbau wieder anrücken, denn die Maschine und auch die Zapfanlage für Cola waren viel zu klein dimensioniert.

Nach mehreren Reisen ins Ausland war den Fläxls Ende der 80er klar: Die Perspektive für das Kino heißt Multiplex. „Eine Zukunft ist nur möglich, wenn man mit vielen Sälen Attraktivität schafft.“, so Angela Lipp-Fläxl. Und wenn das Fläxl-Kino in Freising eine Perspektive haben soll, dann geht nur mit einer gewissen Größenordnung“. Wie so etwas aussehen kann, haben die Fläxls dann mit ihrem ersten modernen Multiplexkino in Vilsbiburg ausprobiert. 1994 war die Eröffnung und der Versuch war erfolgreich: „Es kamen doppelt so viele Besucher wie kalkuliert.“, so Lipp-Fläxl. 2000 folgte das Kino in Erding, 2008 wurde das Multiplex in Neufahrn eröffnet, nachdem es nicht gelang, das geplante Kino bei Freising zu realisieren. Gleichzeitig wurde das Bavaria Kino geschlossen und die Säle an der Oberen Hauptstraße modernisiert.

Auch in Zukunft dürfte es den Fläxls nicht langweilig werden, derzeit steht „die größte Innovation seit 30 Jahren an“, so Angela Lipp-Fläxl: Die Digitalisierung aller Säle. Juniorchefin Veronika Fläxl hat da durchaus gemischte Gefühle: „Man hat dann eben nichts mehr zum Anfassen, die Filme kommen nur noch digital. Und wenn etwas nicht funktioniert, kann man das nicht mehr selber schnell reparieren wie einen gerissenen Film. Da braucht man schon einen Computerfachmann.“ Trotzdem blickt die Familie für sich und die rund 250 Angestellten, 20 davon in Freising und 80 in Erding optimistisch in die Zukunft: „Kino lebt eben stark von Veränderung“, so Angela Lipp-Fläxl, „und bleibt doch ein großes Erlebnis“.

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Januar 2012.
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