Es ist für alle Neulinge eine magische Zahl: 100 Tage im Amt. Für Freisings neuen Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher (Freisinger Mitte) war es am 8. August so weit. Im Gespräch mit dem FINK zieht der Rathauschef eine positive Bilanz. Und auch wenn ihm, wie er sagt, die ganze Palette des Aufgabenspektrums in dieser Dimension schon vorher klar war, wie tief er in die Materie eintauchen muss, damit hatte er nicht gerechnet. Eschenbacher sieht es positiv: „Da lerne ich noch täglich dazu.“ Und des- halb betont er immer wieder, welch großen Spaß ihm seine Aufgabe macht.
Rund 30 Sitzungen hat er inzwischen geleitet, zirka 100 Antrittsbesuche bei Institutionen und Verbänden absolviert. Er, dessen Ziel es unverändert ist, „die Stadt voranzubringen“, war bisher an jedem Tag als OB zufrieden. Jeden Tag gebe es neue Probleme und Herausforderungen, aber an jedem Tag auch „Erfolgsstorys“. Dass er bei dieser Terminfülle fast jeden Abend unterwegs ist, ist für den FSM-Mann keine große Umstellung. Schon vorher war er auf vielen Abendterminen präsent. Und doch gibt es einen Unterschied zu früher: „Es ist alles intensiver geworden“, erzählt er. Immer in der ersten Reihe stehen, selbst Reden halten und in den Ausschusssitzungen stets präsent und konzentriert sein – „das ist schon anstrengend“, beschreibt Eschenbacher seinen Arbeitsalltag. Dennoch weiß er genau: Man braucht seine freien Zeiten. Von einem überarbeiteten, völlig gestressten und ausgepowerten OB habe ja auch niemand etwas.
Der Spagat zwischen Politiker und Verwaltungschef ist auch so eine neue Herausforderung, der sich Eschenbacher stellen muss. Sein Credo ist klar: Er wolle den Stadträten kein Konzept aufdrängen, sondern deren Anregungen und Ideen annehmen. Der neue, frische Wind im Rathaus findet seit Eschenbachs Amtsantritt auch in Video-Podcasts im Internet und einem OB in Facebook seinen Niederschlag. Für Eschenbacher ist das aber eine reine „Ergänzung“ im Rahmen einer umfassenden Informationspolitik. Keiner müsse jetzt Angst haben, dass Freising „einen digitalen Oberbürgermeister“ hat. Beweis: Eschenbacher wird neben den Bürgerversammlungen in den Ortsteilen auch jedes Jahr Bürgerversammlungen in den Stadtteilen Lerchenfeld, Neustift und Vötting durchführen.
Öfter kommt es vor, dass ihn Kinder ansprechen, mit ihm zusammen fotografiert wer- den wollen oder sogar um ein Autogramm bitten. Eschenbacher fndet das nett und vor allem im Hinblick darauf wichtig, dass so die Kinder vielleicht später einmal einen Zugang zur Politik finden. Doch nicht nur Kinder sind auf den neuen OB gut zu sprechen: In den ersten Wochen seiner Amtszeit hat Eschenbacher auch vom politischen Gegner viel Lob eingeheimst. SPD, Grüne und CSU haben ihm bisher öffentlich eine souveräne und gute Amtsführung bestätigt.
Eschenbacher gibt das Lob aber gleich wieder zurück: Das liege auch daran, dass alle mitarbeiten. „Es herrscht eine konstruktive Stimmung über alle Fraktionen hinweg“, so sein Eindruck. Dass alle mitarbeiten, mag auch an der Sitzungsführung Eschenbachers liegen, der es gerne in Kauf nimmt, dass manche Sitzungen vielleicht ein bisschen länger dauern. Ihm sei aber wichtig, dass „jeder Stadtrat Raum bekommt, seine Bedenken zu äußern“. Das führe im Endeffekt dazu, dass Entscheidungen dann von den meisten auch mitgetragen würden. Freilich: Es werde schon Themen geben, für die er stark kämpfen werde. „Aber wenn die Stadträte etwas anders sehen, dann akzeptiere ich das.“
Ein Beispiel dafür aus der bisherigen Amtszeit des OB: die Überdachung des Asam-Innenhofs, die das Landesdenkmalamt ablehnt, der Stadtrat aber unbedingt will. Und dieses Stadtratsvotum nimmt Eschenbacher selbstverständlich ernst, versteht es als klaren Auftrag an die Verwaltung und ihn, mit dem Landesdenkmalamt zu reden.
Drei Monate, und schon hat Eschenbacher auch manche Kuh vom Eis gebracht, die seit Längerem darauf herumschlittert. Bei- spiel: die DAV-Kletterhalle. Er war es, der den Vertrag unterschrieben hat, auf dessen Grundlage der Alpenverein jetzt zu bauen beginnen kann. Auch wenn es noch Risiken gab, so der OB, die aber nur minimal seien. Seine Einstellung war klar: „Wir als Stadt können uns nicht auf Kosten des Vereins gegen alles absichern.“ Und unkompliziert, vor allem ganz offen und im Dialog mit den Bürgern hat Eschenbacher auch das Thema Auenstraße erledigt, wo die Anwohner gegen eine geplante und sogar schon beschlossene Umbenennung der Seitenstraßen Sturm gelaufen sind. „Das muss auch so sein“, betont Eschenbacher. Und weil er damals selbst im Hauptausschuss für die Namensänderung der Straßen gestimmt hatte, musste er halt jetzt auch dazu stehen, dass die Entscheidung damals nicht so durchdacht war.
Dass es momentan gut läuft für die Stadt, sieht auch Eschenbacher so: 34 Millionen Euro mehr an Gewerbesteuereinnahmen aus 2011 als gedacht lassen einigen Spielraum, sagte Eschenbacher, auch wenn man angesichts des Schuldenstandes damit keine Luftsprünge machen könne. Ein Drittel davon müsse in die Rücklagen fließen, weil man das als Kreisumlage bezahlen müsse. Und für einige große Projekte müsse später dieses Geld noch da sein. „Man kann also jetzt nicht alles rausschmeißen.“ Großprojekte wie die Westtangente, wo man „voll im Plan“ liege und bald eine konkrete Kostenberechnung vorlegen könne. Großprojekte wie die Innenstadtkonzeption, wo man eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben habe, die darlegen werde, in welcher Reihenfolge man die Maßnahmen realisieren könne. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir im kommenden Jahr die ersten Projekte umsetzen werden.“ Großprojekte wie die Sanierung des Asamtraktes, der Bau der Eishalle, der aus Termingründen auf kommendes Jahr verschoben wurde, und und und…
Doch vor allzu großer Euphorie warnt Eschenbacher: „Ich bin jetzt 100 Tage im Amt und werde nicht alle wichtigen Entscheidungen in das erste Jahr meiner Amts- zeit packen.“ Wohl auch nicht die über den so genannten „Freisinger Flaucher“ in der Nähe der Schwabenau, wo momentan der Widerstand der Anwohner groß ist. Eschenbacher findet es schade, dass da jetzt wilde Gerüchte von einem „Ballermann am Isarstrand“ kursierten, die keinerlei Grundlage hätten. So viel werde dort gar nicht verändert. Wenn es einmal konkrete Planungen gebe, finde ja ein Planfeststellungsverfahren statt. Eine intensivere Bürgerbeteiligung gebe es ja gar nicht. Und dann spürt man ihn wieder, den frischen Wind: „Selbstverständlich werden wir zuvor die Anwohner informieren und mit ihnen reden“, versichert der OB.
(Foto: Johannes Sieber)
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom September 2012.
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