Ein 25jähriges Bühnenjubiläum will gefeiert sein, zumal wenn die Freundschaft wie im Fall von Uli Wunner und Leroy Jones zusehends intensiver wird, was nicht zuletzt daher rührt, dass die beiden Vollblutmusiker mittlerweile im wahrsten Sinn des Wortes bestens aufeinander eingespielt sind. Kennengelernt haben sich die kongenialen Jazzer 1997 im Rahmen einer After-Session beim legendären Jazzfestival in Ascona, dem größten New Orleans Festival in Europa; seit 1998 sind sie mit verschiedenen Gruppierungen gemeinsam auf Tour, unter anderen mit der Freisinger Kultband Storyville Shakers. 2010 formierte Wunner das Projekt Uli Wunner’s Jazz Creole, nahm Jones mit ins Boot und begeistert damit landauf landab alle zwei Jahre das Publikum, allein Corona machte ihnen kurzfristig einen Strich durch den Rhythmus. Wer so vor Spielfreude strotzt wie dieses kongeniale Duo, feiert natürlich standesgemäß auf der Bühne samt Publikum, und das obendrein noch mit einer Tour. Die erste Night in New Orleans, so der Titel der Tour, steigt am 20. Oktober 2023 in Bülach nahe Zürich, am 22. steht der Salzstadel in Landshut im Kalender (Karten unter 0871 -22877), am 25. der Lindenkeller in Freising (Karten in der Touristinfo am Rindermarkt 20) und am 28. das Bachfeldhaus in Attenkirchen (Karten via info@tutuguri.de oder unter 08168 – 96 282), Konzertbeginn ist jeweils um 20 Uhr. Wer die beiden leidenschaftlichen Bläser schon des Öfteren erlebt hat, weiß, dass ein Konzert nie dem anderen gleicht. Zwar gibt es ein fixes, reichhaltiges Repertoire, was aber an welchem Abend gespielt wird, ist meist eine ziemlich spontane Entscheidung.
Der charismatische Afroamerikaner wurde in der Mutterstadt des Jazz geboren und bekam es folglich schon mit in die Wiege gelegt, eines Tages zum Startrompeter zu avancieren, der in der Szene als einer der Spitzenvertreter von „New Orleans Today“ gilt, einer Bewegung, die einerseits an der traditionellen Jazzmusik festhält, andererseits selbige aber mit Elementen aus Blues, R&B, Funk, Soul und Bebop anreichert, um sie so neu zu interpretieren. Als Mitglied der New Yorker Jazz Hall of Fame fungierte er bereits im zarten Alter von zwölf Jahren als Leiter der damals bahnbrechenden Fairview Band, einer Blaskapelle, zu der einige der bekanntesten Musiker aus New Orleans gehörten. Mit 15 gründete er seine erste eigene Band und nahm sich dazu keinen geringeren als Danny Barker zum Mentor, der einst mit Louis Armstrong zusammenarbeitete, und damit sicherlich ein Stück weit dafür verantwortlich ist, dass Jones, egal ob er gerade bläst oder mit samtig weicher Stimme singt, an den guten alten Satchmo erinnert. Dass Jones auch noch genauso wie Armstrong die Augen rollen kann trägt ein Übriges zu dieser vermeintlichen Wiederauferstehung bei. Mit diesen Qualitäten avancierte er rasch zum Mitglied der vielbeachteten Preservation-Hall-Jazzband, einer der führenden Bands am Mississippi-Delta. Um darüber hinaus seine persönlichen Ideen, Jones komponiert auch selbst, gezielter transportieren können, gründetete er schließlich sein eigenes Quintett namens New Orleans Finest, mit dem er weltweit erfolgreich unterwegs ist. Im Lauf der Zeit erspielte er sich einen so klangvollen Namen, dass ihn die Stadt New Orleans anno 2016 als besten Trompeter der Stadt auszeichnete. Drei Jahre später wurde sein Werdegang unter dem Titel A Man and his Trumpet –The Leroy Jones Story verfilmt und beim Filmfestival in Austin / Texas als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet; als besonderes Schmankerl ist der Streifen vor dem Konzert am 25. 10. um 18.30 Uhr im Lindenkeller zu sehen. Ebenfalls in 2019 wurde ihm der weltweit renommierte Ascona-Jazz-Award verliehen, wobei freilich Uli Wunner, der dort seit 35 Jahren als Gastmusiker präsent ist, nicht fehlen durfte; mitsamt seiner Band wurde er gebeten, Jones bei diesem festlichen Ereignis zu begleiten.
Wie Jones startete Wunner bereits als Jugendlicher seine Karriere. Als gerade mal 15-Jähriger wurde er zum festen Mitglied der Münchner Traditions-Jazzband Occamstreet Footwarmers, die im sagenhaften Allotria beheimatet waren. Zwei Jahre später, 1974, hob das Freisinger Jazzurgestein die Storyville Shakers aus der Taufe. Einfach nur aus hiesiger Sicht heraus New Orleans Jazz zu spielen, war Wunner zu wenig, er wollte es genau wissen und vor allem fühlen und reiste deshalb 1979 erstmalig in die Crescent City, die ihn seither nicht mehr losgelassen hat. Mittlerweile fliegt er jedes Jahr einmal über den großen Teich, um mit seines Gleichen im French Quarter aufzuspielen, was teils geplante Konzerte sind, teils aber auch ganz spontane Gigs, zu denen er kurzerhand auf die Bühne gebeten wird, weil die Musiker ihn längst kennen und schätzen. So tritt er immer wieder in den einschlägigen Clubs der Szene auf, wirkte beim berühmten Heritage Festival mit und ging mit Big Al Carson, einem der bekanntesten Bluessänger der Stadt ins Studio. Zugleich suchte der Klarinettist und Saxophonist aber auch immer nach neuen Inspirationen, um sein Repertoire zu erweitern und die Tradition ins Hier und Jetzt zu transportieren. In diesem Sinne gründete er 2006 die Creole Clarinetts, die sich südamerikanischer und karibischer Musik verschrieben haben und in Europa und Brasilien Erfolge feiern durften. Von den vier CDs wurden drei in Rio de Janeiro aufgenommen, in Begleitung brasilianischer Musiker. Vollkommen anders geartet ist seine Kooperation mit dem Pianisten und Sänger Christian Willlisohn, der mit der überragenden Lilian Boutte unterwegs war und in New Orleans mit Mitgliedern der Fats Domino Band Aufnahmen einspielte; gemeinsam lassen sie den Blues wie den Rhythm & Blues hochleben. Ganz offensichtlich ist der vielseitig versierte Uli Wunner so etwas wie ein musikalisches Chamäleon und deshalb dazu prädestiniert, als Solomusiker mit verschiedenen Formationen auf Tour zu gehen, wie etwa mit der berühmten Maryland Jazzband, dem Pianisten Jan Luley oder der New Orleans Night Owl.
Doch damit längst noch nicht genug der Einflüsse, die sich in Leroy Jones & Uli Wunner’s Jazz Creole zu einem besonderen Klangerlebnis vereinen. So konnte der Pianist Thilo Wagner, Mitglied der Allotria Jazzband, auf zahlreichen Touren mit Weltklassemusikern wertvolle Erfahrungen sammeln und wurde nicht zuletzt als Most-Swinging-Pianist ausgezeichnet. Den Bass bedient die aus Gent stammende Jazzlegende Karel Algoed, den Wunner aktuell für denjenigen Bassisten hält, der seine Art von Musik am besten versteht. Am Schlagzeug sitzt der aus Haag stammende Stephan Treutter, der mit seiner Wandelbarkeit und Empathie längst von sich reden gemacht hat und seit vielen Jahren mit Wunner in verschiedenen Projekten zusammenarbeitet. Da er genauso gut und gerne impulsiv und treibend wie samtweich und geschmeidig zu Werke geht, war und ist er dazu prädestiniert, in sämtlichen Stilen und Genres den Puls anzugeben. Und last but not least ist zudem der im New Orleans Jazz beheimatete Freisinger Posaunist Hank Braun mit von der Partie, mit dem Wunner seit rund 50 Jahren zusammenarbeitet. Braun ist u.a. festes Mitglied der Storyville Shakers, der Shakers Bluesband und der International Jazzband Schweiz. Gemeinsam mit Wunner und Jones komplettiert er die klassische Frontline einer Jazzband, während Bass, Piano und Drums im Hintergrund bleiben.
In dieser Besetzung feiert das bunt zusammengesetzte Sextett, das immerhin zur Hälfte aus Freisinger Musikern besteht, nun Premiere und wartet mit einem facettenreichen Line-up auf, um das spezifische Lebensgefühl am Mississippi-Delta zu transportieren. Neben traditionellen New Orleans Jazz-Nummern und Swing-Standards wird es auch ganz im Stile einer Street-Brass-Band herzhaft zur Sache gehen. Zum Verschnaufen werden dazwischen Balladen wie Georgia on my Mind intoniert. Und natürlich dürfen bei einer Hommage an New Orleans ein Gospel wie Over in the Glory Land oder ein Blues wie der Basin Street Blues nicht fehlen. Überhaupt haben sich die beiden Bandleader angeschickt, speziell solche Songs neu zu interpretieren, die überall in der Crescent City zu hören sind. Dazu gesellen sich noch ganz persönliche Vorlieben, wie etwa diejenige für den Bebop seitens Leroy Jones, der dann flux mal den Ray Charles gibt, oder die von Uli Wunner für den soulartig aufspielenden Saxophonisten David Fathead Newman, womit die Bandbreite des Programms quasi über den Tellerrand der Mutterstadt des Jazz hinausschaut. (von Elisabeth Hoffmann, Foto: Matteo Ceschi)
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Oktober 2023.
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