Dass ein 25jähriger ebenso leidenschaftlich und überzeugend handgemachte Musik macht wie er sich als Softwareentwickler engagiert, ist angesichts der doch recht konträren Genres sehr erstaunlich. Clemens Ripp meistert das spielend, mit viel Einfühlungsvermögen und Experimentierfreude samt einem Schuss Perfektionismus. Egal, wovon er gerade erzählt, er sprudelt regelrecht vor Empathie und Begeisterung, und ganz nebenbei stellt sich heraus, dass er über ein sehr umfassendes Wissen verfügt, das freilich in all seine Aktivitäten einfließt. Das komplexe Energiebündel interessiert sich für Filme und Bücher aller Art, für ernste Themen wie für Komisches, auch für japanische Comics, für Gaming, auch wegen der Art des sozialen Austauschs und dem Treffen mit Freunden, für Tattoos, die er als coole Kunstform betrachtet und ganz besonders für Mark Oliver Everett, den Frontman der US-Rockband Eels. Der vielseitig Versierte beschäftigt sich mit der „konstanten Unsicherheit“ des Lebens und beschreibt in seiner Autobiographie ‚Things The Grandchildren Should Know‘ (dt.: Glückstage in der Hölle) wie die Musik sein Leben rettete.
Wie so oft im Leben, war Ripps doppelte Blitzkarriere keineswegs geplant, vielmehr war der gebürtige Freisinger immer hellwach und nutzte die Chancen, die sich ihm boten. Obwohl er die Musik schon mit den Genen vererbt bekam, entschied er sich aus Vernunftgründen für ein Studium der Germanistik und Digital Humanities an der LMU in München. Im Laufe seiner Zeit am Dom-Gymnasium lernte er nicht nur Latein und Griechisch, sondern bekam auch weitreichende Einblicke in Sprachen und Geschichte(n). Das heißt aber nicht, dass Ripp mit seinem Tun in der Vergangenheit verhaftet ist, gleichzeitig ist er enorm neugierig auf alles Neue, besonders auf die digitale Revolution, und eben deshalb entschied er sich für den seinerzeit neu eingerichteten Studiengang. Auf der Suche nach ersten beruflichen Erfahrungen landete er bei Esri, der US-amerikanischen Firma, die ihren Deutschlandsitz in Kranzberg hat. Esri produziert unter anderem Software für Kartierungen wie die Corona-Dashboards der John Hopkins Universität oder des RKI. Die Firmenleitung war von dem Einsteiger so angetan, dass er gleich übernommen wurde, und der freut sich jetzt, dass er an Lösungen komplexer lokaler und globaler Herausforderungen, auch hinsichtlich Klimaschutz und Nachhaltigkeit, mitwirken kann. Anhaltenden Eindruck hinterlassen auch seine Songs, mit denen er den Hörer vom ersten Ton an mitnimmt auf eine Reise durch die Wechselfälle des Lebens, und eben darüber haben wir uns mit ihm unterhalten.
Trotz Ihrer Tätigkeit in der Marketing Automation und Technology verfolgen Sie ihre Karriere als Musiker weiter, und das recht erfolgreich. Sie haben 2020 den Kulturpreis des Landkreis Freising (3. Platz) verliehen bekommen und erhielten 2021 im Rahmen der Initiative Kickstart Kultur eine Unterstützung zur Produktion einer neuen CD von der Freisinger Bank. Mittlerweile sind sie seit fünf Jahren als Singersongwriter und Multiinstrumentalist präsent, wie kam es dazu?
Seit ich mich erinnern kann, war Musik immer ein Teil meines (Familien-)Lebens. Es liefen Platten, CDs oder Videoaufnahmen von Live-Konzerten. Mein Vater spielte und spielt viel Gitarre, später meine Schwester und ich schließlich auch. Als ich vier Jahre alt war, besuchte ich beim 3Klang die musikalische Früherziehung, knapp zwei Jahre später wechselte ich zum Schlagzeugunterricht und Percussion. Darüber konnte ich erste Band- und Ensembleerfahrungen sammeln, beispielsweise unter der Leitung von Vipo Maat. Am Dom wirkte ich als Schlagzeuger in der Bigband mit. Das Gitarre-Spielen brachte ich mir dann mit 15 autodidaktisch bei, später folgten die Ukulele, die Mandoline und die Mundharmonika. Ferner hatte ich noch Klavier- und Gesangsunterricht. Nach dem Abitur gründete ich im Jahr 2017 mit zwei Freunden die Alternative Rock und Indie-Metal Band SKOFJA, in der ich als Schlagzeuger und Sänger aktiv bin. Derzeit begann ich auch eigene Lieder zu schreiben und sowohl mit der Band als auch solo aufzutreten. Meine Lieder halfen mir in dieser Zeit, einiges zu verarbeiten und dienten als Ventil für alles Mögliche. Außerdem machte es riesigen Spaß, auf diese Art etwas Eigenes zu schaffen und sich so auszudrücken. Ab dem ersten selbstgeschriebenen Text war ich sofort angefixt, und genau diese Begeisterung für das Songwriting ist bis jetzt nicht gebrochen. Meine erste CD ‚Assorted Sad Songs for Hilarious Occasions‘ erschien 2019, mit der Band veröffentlichten wir 2021 die EP ‚Tracks‘.
Warum haben Sie sich als Erstes für das Schlagzeug interessiert und spielen Sie das heute noch?
Warum ich mich dafür entschieden habe, weiß ich ehrlicherweise nicht genau. Ich wollte einfach schon immer Schlagzeug spielen und weiß nur, dass es sich ab dem Moment, als ich zum ersten Mal hinter einem Schlagzeug saß, sehr richtig angefühlt hat. Und das tut es bis heute, weshalb ich nicht vorhabe, damit aufzuhören.
Und was hat Sie dazu bewogen, selbst Lieder zuschreiben?
Einerseits hilft mir mein Musikmachen sehr dabei, meine Gedanken zu ordnen, die Dinge, die mich beschäftigen, zu verarbeiten und das Grundrauschen in meinem Kopf ein bisschen runterzudrehen. Andererseits macht es einfach Spaß, eigene Dinge aus dem Nichts zu schaffen. Der ganze Prozess, aus einer kleinen Melodie oder einer Textzeile das für mich Bestmögliche herauszuarbeiten, kann zwar sehr anstrengend und frustrierend sein, aber die Freude darüber, wenn es klappt, ist riesig. Generell könnte man sagen, dass ich mir weiterhin die Begeisterung, die das Schreiben von Liedern in mir ausgelöst hat, behalten und mein Handwerk kontinuierlich verbessern will. Obwohl ich die Lieder in erster Linie für mich selbst schreibe und auch ohne Auftritte immer weiter schreiben werde, finde ich den Gedanken schön, mit meiner Musik vielleicht jemanden auf positive Art zu erreichen oder durch eine gute oder auch nicht so gute Zeit zu begleiten – sei es mittels einer Melodie oder mittels der Inhalte meiner Texte.
Sie konzentrieren sich stilistisch auf Folk, Indie und Alternative; gibt es dafür spezielle Gründe?
Eine bewusste Entscheidung war das eigentlich nicht wirklich. Hauptsächlich bin ich von der Musik beeinflusst worden, die ich selber höre. Ich denke, was mich am Folk vor allem anspricht, ist der Fokus, der auf die Texte und Inhalte, bzw. das Storytelling gelegt wird. Außerdem lag mir das Genre aufgrund meiner musikalischen Voraussetzungen (Gitarre, Mundharmonika, Gesang) logischerweise nahe. Bei Alternative und Indie begeistert mich einfach das Unkonventionelle, das in diesen sehr breiten, und auch schwer zu definierenden Genres zentral ist, sowohl in der Musik an sich wie auch in der Produktion. Es ist spannend, mit verschiedenen Stilrichtungen und Elementen zu experimentieren und dies in meine Musik zu integrieren, sowohl musikalisch wie auch textlich. Allein klassische Strukturmuster, etwa Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Bridge-Refrain, aufzubrechen, eröffnet viele Möglichkeiten. Für mich wäre es komisch und falsch, nur in einem festen, limitierten Rahmen Musik zu machen, das steht im Gegensatz zu meinem Verständnis von Kreativität und Songwriting.
In Ihren Songs erzählen Sie Geschichten, die das Leben schreibt. Haben Sie die tatsächlich alle selbst erlebt oder lassen Sie sich auch von außen inspirieren?
Ich denke, wie bei allen Leuten, die kreativ tätig sind, kommen meine Ideen aus meinem Alltag und persönlichen Erfahrungen. Dinge, die ich erlebt und gefühlt habe, Leute, die ich treffe, Gespräche, Musik, Filme, Bücher, all dies beeinflusst den ganzen kreativen Prozess zu jeder Zeit. Ich nehme mir selten vor, über etwas Bestimmtes zu schreiben. Meistens ergibt sich aus einem kleinen Baustein, wie einer Melodie oder einer Textzeile, ein erstes Konzept, das ich dann weiter ausbaue. Manchmal ist erst die Musik da, manchmal der Text. Manche Lieder brauchen Wochen oder Monate, bis ich sie fertig bekomme, manche Ideen verwerfe ich auch wieder. Für mich funktioniert es, jede Idee sofort aufzuschreiben, ins Handy zu tippen oder zu singen. Dadurch habe ich zwar eine Menge seltsamer Sprachaufnahmen und Notizen auf dem Handy, aber ein paar davon sind dann tatsächlich gut. Zudem kann ich auf jeden Fall bestätigen, dass einem unter der Dusche oft gute Ideen kommen.
Um all Ihre Intentionen realisieren zu können, sind Sie mit verschiedensten Bands und an unterschiedlichen Instrumenten aufgetreten.
Solo spiele ich bei Auftritten hauptsächlich Gitarre und Mundharmonika und singe dazu; vereinzelt nehme ich auch ein Klavier oder eine Mandoline dazu. In meiner Band SKOFJA spielen wir zu dritt, ich bin dabei für das Klavier und den Gesang zuständig. Live teilte ich die Bühne auch mit der Freisinger Punkband Against The Grain, die ich als Sänger unterstützen durfte, und mit Apollons Smile, die mich bei einem meiner Lieder begleiteten. Außerdem wurde mein Lied ‚Keep The Distance‘ für ein Projekt des Streicherensembles Session Strings ausgewählt, für das ich einige Parts aufgenommen habe, die momentan von dem Ensemble um Streicherparts erweitert werden.
Aktuell arbeiten Sie an ihrem dritten Album, ‚Little Black Room‘, das bald erscheinen soll. Wie stets damit und wen haben Sie sich dafür ins Boot geholt?
Die Arbeiten an ‚Little Black Room‘ sind momentan noch in vollem Gange. Da ich das Glück habe, von der Kulturinitiative Kickstart Kultur Freising der Freisinger Bank und der Uferlos Kultur und Veranstaltungs-GmbH ausgewählt worden zu sein, kann ich die Produktion aufwändiger und professioneller gestalten. Die Förderung erlaubt es mir, mit Berufsmusikern aus Freising und Umgebung zusammenzuarbeiten. Auch wenn ich als (Studio-) Musiker im Lauf der vergangenen Jahre deutliche Fortschritte machen konnte, ist es eine unglaubliche Bereicherung und Freude, sowohl mit erfahrenen befreundeten Musikern, als auch mit Berufsmusikern zusammen zu spielen. Die Aufnahmen finden, wie bereits die vorherigen, in den Farm Studios von Yogi Lang (RPWL) statt. Neben Yogi sind bis jetzt der Jazz-Bassist Andreas Kurz, die Bassisten Simon Meier (Against The Grain), Vincent Rüdiger (SKOFJA), Christian Erbar (Brain on a Stick, Duct Hearts) sowie der Gitarrist und Gitarrenlehrer Dennis Roithmeier (Against The Grain) mit von der Partie. Weitere kommen noch dazu oder sind geplant. Die Produktion verzögert sich leider durch die momentanen Umstände ein wenig, das Album sollte aber bis Mitte des Jahres erscheinen. Ich freue mich schon sehr. Die neuen Aufnahmen zu veröffentlichen; sie sind meiner Meinung nach besser als alle anderen vorher.
Für alle Neugierigen gibt es ja aber bereits zwei Alben von Ihnen; wo sind diese denn erhältlich?
Wer Interesse an einer physischen Kopie meiner CD ‚Assorted Sad Songs For Hilarious Occasions‘ und/oder der EP ‚Tracks‘ hat, kann bei einem Auftritt vorbeischauen (leider ist momentan keiner fix, Anm. der Redaktion) oder sich per Mail direkt an mich wenden: music@clemens-ripp.de. Außerdem hat Bücher Pustet einige meiner CDs auf Lager. Digital sind all meine Veröffentlichungen auf iTunes, Amazon und auf allen gängigen Streaming-Plattformen sowie meiner Webseite www.clemens-ripp.de verfügbar.
von Elisabeth Hoffmann (Foto: Hannes Sulzberger)
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom März 2022.
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