Drinnen und draußen
Instruktion für die Freisinger Stadttor-Wächter von 1677

Das historische Freising war – wie die meisten mittelalterlichen Städte – ein umgrenzter, nach außen abgeschotteter Raum. Eine Wehrmauer mit vorgelagertem Graben (im Norden) und einzelne Moosacharme (im Osten und Süden) markierten mehr oder weniger klar die Stadtgrenze. Bis ins frühe 19. Jahrhundert besaß diese Grenze rechtliche Relevanz – sie machte den Unterschied zwischen „drinnen“ und „draußen“. Wer innerhalb der Stadt wohnte – sei es mit Bürgerstatus oder lediglich als „Inwohner“ –, der konnte sich einigermaßen sicher fühlen und verfügte zudem über deutlich mehr Rechte und Freiheiten als ein Landbewohner.

Um den privilegierten und dadurch auch besonders begehrten Stadtraum zu schützen, wurde der Zugang zur Stadt reglementiert und durchgehend kontrolliert. Diese Kontrolle erfolgte an den fünf Stadttoren: am Veitstor (Ende der Oberen Hauptstraße), am Ziegeltor (Ende der Ziegelgasse), am Murntor (Ende der Generalvon- Nagel-Straße), am Isartor (Ende der Heiliggeistgasse) sowie am Münchner Tor (Ende der Bahnhofstraße). An jedem dieser Tore beschäftigte die Stadt einen Torwächter, der die zu Fuß oder per Wagen passierenden Personen einschließlich der mitgeführten Güter überwachte. Um den Torwächtern eine einheitliche Norm an die Hand zu geben, wie sie ihren Dienst zu verrichten hatten, erließ der Stadtrat im Januar 1677 einen entsprechenden Instruktionstext, wohl in Zusammenarbeit mit dem fürstbischöflichen Hofrat (s. Abb.). Dieser Instruktion dürfte ein älterer Text vorausgegangen sein, der sich aber nicht erhalten hat.

Geregelt wurde in der Torwächter-Instruktion unter anderem die Zeit der Torbewachung beziehungsweise der Torsperre. Demnach waren die Stadttore im Sommer von 4.30 Uhr bis 22 Uhr geöffnet. Über die morgendliche Öffnung in den Wintermonaten ist nichts angegeben, vermutlich fand sie etwas später statt als im Sommer; die Abendsperre wurde im Winter bereits um 21 Uhr vorgenommen. Für die damaligen Freisingerinnen und Freisinger hieß das also, dass sie in den Nachtstunden die Stadt weder verlassen noch betreten konnten. Wer von außerhalb nicht rechtzeitig das Tor erreichte, musste sich vor der Stadt einen Schlafplatz suchen.

Besonders breiten Raum nahmen in der Instruktion diejenigen Vorschriften ein, die sich mit den Personen und sozialen Gruppen befassten, denen der Zutritt in die Stadt verwehrt bleiben sollte. In erster Linie betraf das Bettler, ferner auch „vagierente Handwerchs Gesöllen“ und „anders herrnloßes Gsündl, welche nit umb Dienste oder Arbeit willen herein begehrn“, sondern weil sie von den Einwohnern Almosen erbetteln würden. Sofern eintretende Personen (z.B. Handwerker) Passbriefe bei sich hatten, gestaltete sich der Zugang in der Regel leichter – außer die betreffende Person kam „von inficiert, unnd andern verdechtigen Orthen“, sprich: aus Städten, die gerade von einer Seuche heimgesucht wurden (die Herkunft konnte der Torwächter anhand des Passbriefs erkennen).

Wert gelegt wurde schließlich auch darauf, dass die Freisinger Torwächter ein angemessenes Bild von sich abgaben. Sie sollten sich nicht „niderlegen, oder schlaffen, oder vergebens wie die Martersaulen dastehen“. Wenn der Fürstbischof oder höhere Hofbeamte das Tor passierten, hatte jeder Wächter seine Hellebarde oder eine andere Waffe zu präsentieren.

Bei Nichtbeachtung der einzelnen Vorschriften drohte einem Torwächter die „Spot unnd Schandt Straff“, also die Ankettung und Zurschaustellung am Pranger auf dem Marienplatz.

von Florian Notter, Leiter des Stadtarchivs Freising

QUELLEN: StadtAFS, A I, Nr. 1 („Annotationes“, 1753), fol. 407r-411r.

Foto: Erste Seite der Torwächter-Instruktion von 1677 (Konzept) (StadtAFS, A I, Nr. 1, fol. 407r).

 

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Oktober 2022.
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