Wenn ein Mensch von nur 23 Jahren bereits das Zeug dazu hat, sich seinen Lebenswunsch zu erfüllen, dann ist das beileibe keine Selbstverständlichkeit. Mimi Neumair wollte einen eigenen Chor haben, in dem sie Menschen zusammenführen und gemeinsam mit diesen etwas schaffen kann, und genau dies verfolgte sie sehr stringent. In 2013, da war sie längst mitten im Studium, gelang ihr dies, zusammen mit Lukas Maier gründete sie 2013 den Jazz- und Pop-Chor anchora, der sich aus ehemaligen Camerloher-Schülern zusammensetzt, die seither wieder miteinander singen. Daher auch der Name: das aus dem Italienischen stammende ancora heißt zu Deutsch wieder und das h steht symbolisch für das h in Chor. Dass eben dieser von Anfang an sehr erfolgreich unterwegs war, liegt zum einen am Können und der Empathie des bis zu 100 Personen starken Ensembles, zum anderen am breitgefächerten Repertoire des Programms, das von fetzig und laut bis zu kontemplativ und leise reicht, und vor allem an dem kongenialen Führungsduo. Während Lukas Maier die Songs in mehrstimmige Chorversionen umschreibt, kümmert sich Mimi Neumaier mit Leib und Seele um die Korrepetition, das Dirigat, die Inszenierung, die Organisation der Konzerte und die Führung des Vereins. Dabei legt sie großen Wert auf das soziale Miteinander und ein „Familiengefühl“, um aus dieser Basis heraus die gelebten Emotionen der Musik mit Niveau zu transportieren.
Um solch eine Führungsposition zu erfüllen, braucht es ein gestandenes Fundament, und eben dies wurde Mimi Neumair schon mit in die Wiege gelegt. Dass ihre Eltern sie schon als Kind zum Singen animierten, kommt nicht von ungefähr. Ihre Mutter war schon immer eine leidenschaftliche Hobbysängerin, intonierte klassische Literatur und war im Kirchenchor aktiv, ihr Vater machte immer wieder als Schlagzeuger in verschiedenen Freisinger Jazz-Formationen von sich reden. In der logischen Fortsetzung probierte die neugierige Mimi alle m.glichen Instrumente aus und erhielt Privatunterricht auf der Block- wie der Querfläte, an der Geige und der Gitarre. Später, während ihrer Gymnasialzeit am Camerloher-Gymnasium lernte sie das Spiel auf dem Klavier, am Saxophon und auf dem Schlagzeug.
Daher rührt auch die Freundschaft mit Stefan Pellmaier und dessen Band ‚Luz amoi‘, die sie im Rahmen eines besonderen Konzertes mit einer kleinen Besetzung von anchora als Hintergrundchor begleitete. Entscheidend für ihre Karriere waren vor allem die alljährlichen Probenwochen des Schulchores unter der Leitung von Gunther Brennich, in denen sie mit wachsender Begeisterung mitwirkte. Auch während ihres dreimonatigen Aufenthaltes an der High School in Lansing / Michigan stieg sie gleich in den dortigen Chor ein und fühlte sich so rasch musikalisch eingebunden. Dieser Aspekt des Verbundenseins durch gemeinsames Singen zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben und so w.re alles andere als die Belegung des Leistungskurses Musik nicht nachvollziehbar gewesen.
Kurios erscheint nur, dass sie zunächst begann, in Innsbruck Italienisch zu studieren. Gut, in Italien ist die Oper zuhause und die Sprache lässt sich nur singend richtig sprechen. Der Auslöser dafür aber war die zweite Seele in der Brust, die sich für Tourismus, Kultur und Eventmanagement interessiert. Zwar hat sie das Studium zugunsten der größeren Liebe zur Musik abgebrochen, an den Themen aber hält sie nach wie vor fest. Nun steht sie an der LMU und der Hochschule für Musik in München kurz vor dem Examen als Musiklehrerin und Chorleiterin, einer geschickten Kombination, die es ihr ermöglicht, als Pädagogin allein im musikalischen Bereich tätig zu sein, was aber nicht heißt, dass sie damit ausgelastet ist. So gewann sie vor ein paar Jahren im Laufe eines Betriebspraktikums im Rahmen ihres Lehramtsstudiums, das sie in einem Ferien- und Sportclub in Italien absolvieren durfte, neue Erkenntnisse in Sachen Tourismus und Management. Außerdem fuhr sie zehn Monate lang jedes Wochenende nach Berlin, um dort an einer Weiterbildung für Chormanagement teilzunehmen. Und obwohl sie in den letzten Jahren im Rahmen ihres Referendariates im halbjährlichen Wechsel kreuz und quer durch Bayern tingelte, setzte das Energiebündel auch noch entscheidende Grundsteine für eine vielseitige berufliche Karriere.
So begann ihre Laufbahn als Chorleiterin bereits im Jahr 2011. Damals assistierte sie nicht nur bei den Proben des Oberstufenchores des Camerloher-Gymnasiums, die übernahm teilweise sogar die Leitung derselben. Parallel engagierte sie sich ebenso für den ‚Asamchor Freising‘, zu dessen Gründungsmitgliedern auch ihre Mutter zählt. Während der Asamchor sein Wirken der klassischen Literatur verschrieben hat, konzentriert sich die studentische Verbindung ‚UNIsono Chor München‘ auf Jazz und Pop. Neumair half diesem nicht nur beim Einüben der Stücke, sondern assistierte dazu bei den Proben. Ferner kümmerte sie sich noch um den Unterstufenchor am Camerloher sowie um den Kinderchor in Haag an der Amper. Spätestens damit hatte sie nun in verschiedensten Stilen und mit allen denkbaren Altersgruppen gearbeitet und war wie prädestiniert für Höheres, was in 2015 auch kommen sollte. Damals inszenierte Gunther Brennich, den sie heute als ihren wichtigsten Mentor benennt, eine viel beachtete ‚Carmina Burana‘ in Freising, an der Neumair maßgeblich mitwirkte. Sie begleitete nicht nur die Proben, sondern zudem die Organisation und Durchführung der Vorstellungen des immerhin 400 Personen starken Ensembles. Und damit kamen in dieser Produktion all die Bausteine zum Einsatz, die ihre Persönlichkeit ausmachen.
Mittlerweile aber engagiert sie sich in erster Linie für ihr ‚Baby‘, für anchora, mit dem sie immer wieder Neues ausprobiert und inszeniert, so dass kein Konzert dem anderen gleicht. Dabei begeistert sie sowohl die Professionalität der Chormitglieder, als auch die persönliche Bereicherung, die sie durch diese Zusammenarbeit erfährt. Das klingt sehr nach einem Paradebeispiel für wechselseitiges Geben und Nehmen. Heute ist sie sich sicher, dass die Gründung dieses Chores die beste Entscheidung ihres Lebens war. Und so ist es weiter nicht erstaunlich, wenn sich im Gespr.ch schnell herausstellt, dass sie sich voll und ganz mit ihrem Chor identifiziert. Die nächste Kostprobe von dieser fruchtbaren Kooperation gibt es im Herbst in Freising zu erleben.
Doch selbst wenn der Beruf Berufung ist, brauchen Körper und Geist mal Abstand, um den Kopf leer kriegen und neu denken zu können. Das geht gut beim Spazierengehen oder Joggen an der frischen Luft oder eben auf Reisen per Rucksack in ferne Länder, um dort andere Kulturen kennen zu lernen. Aber halt, da war doch was, da sind wir schon wieder mitten in ihren beruflichen Interessen wie Tourismus und Kultur – wäre ja auch ein Wunder, wenn ein mit so viel Herzblut engagierter Mensch aus seiner Haut herauskönnte.
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Juni 2020.
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