Eine Freisinger Ära geht zu Ende: Der 30. April 2012 ist der letzte Arbeitstag von Dieter Thalhammer als Freisinger Oberbürgermeister. Seit 1994 lenkte er vom ersten Stock des Freisinger Rathauses aus die Geschicke der Domstadt. Der FINK besuchte Thalhammer in seinem Amtszimmer, sprach mit ihm über seine 18 Jahre als Freisings Stadtoberhaupt und blickte mit ihm in die Zukunft: In die der Stadt und auch in die des künftigen Oberbürgermeisters a.D.
Herr Thalhammer, der letzte Tag hier in diesem Büro als Freisinger OB rückt immer näher. Wie viel Wehmut ist da dabei
Thalhammer: Ich würde lügen, wenn ich sage, dass da keine Wehmut mit dabei wäre. Aber: Es ist auch ein gutes Gefühl, loslassen zu können, diesen Stress nicht mehr ständig zu haben. Das Amt des Oberbürgermeisters ist kein Honiglecken. Insofern schlagen zwei Seelen in meiner Brust. Aber ich als gebürtiger Freisinger habe das Amt sehr gerne ausgeübt.
Wie äußert sich dieser Stress? Wie sieht der Alltag eines Oberbürgermeisters aus?
Der Stadtrat besteht aus acht Gruppierungen. Da muss man Mehrheiten suchen, für Ausgewogenheit sorgen. Ich nehme für mich in Anspruch, dass ich das nicht autoritär getan, sondern mich bemüht habe, andere Meinungen zu berücksichtigen. Es ist ein schwieriges Unterfangen, die Stadt mit so vielen unterschiedlichen Meinungen zu führen. Allen kann man es nicht recht machen. Als Oberbürgermeister kommt man auch nicht um halb neun und wirft um halb fünf den Stift weg. Wo immer ein OB hingeht, ist er dort nicht der Bürger xy, sondern der Oberbürgermeister. Und ich muss auch mit meinen Mitarbeitern der Stadtverwaltung im Einklang stehen, aber eben auch die Anliegen der Bürger berücksichtigen. Es ist immer ein Spannungsverhältnis.
Blicken wir zurück: 1994 sind sie zum Oberbürgermeister gewählt worden. Was waren damals die Themen, die Probleme?
Für mich war ja nicht alles neu. Ich war seit 1978 im Stadtrat, war Finanz- und Wirtschaftsreferent. Außerdem habe ich 25 Jahre in der Gemeinde Eching gearbeitet, war also mit der Materie gut vertraut. Eine der schwierigsten Entscheidungen war gleich zu Beginn meiner Amtszeit: Der Umgehungssammler. Den Beschluss haben wir in meiner zweiten Sitzung als Oberbürgermeister gefasst. Die Schuldendebatte war auch 1994 schon das gleiche Thema. Auch damals gab es massive Kritik, es hieß, der Stadt steht das Wasser bis zum Hals. Aber ich bleibe dabei: Schulden sind nicht gleich Schulden. Investitionen in die Zukunft sind wichtig, dazu gehört eine vorausschauende Grundstückspolitik. Wir haben deshalb auch entsprechende Gegenwerte, die eine weitere Entwicklung Freisings ermöglichen. Insofern sehe ich das nicht so düster.
Sie blicken auf 18 Jahre als OB zurück. Was ist ihre persönliche Bilanz?
Ich war überrascht, als wir die Zahlen mal zusammengerechnet haben. Ich den 18 Jahren haben wir fast zwei Milliarden Euro bewegt, 546 Millionen Euro investiert. Schulen, Kindertagesstätten, Jugendzentrum, Bibliothek und vieles mehr. In den 1990er Jahren gab es den Spruch: Wenn du wissen willst, welche Gebäude in der Innenstadt der Stadt gehören: das sind die, die am meisten heruntergekommen sind. Das wurde alles saniert. Als geschichtsbewusster Mensch war mir auch das Stadtmuseum wichtig. Ich bin heute noch stolz, dass uns das alles so gelungen ist.
In den letzten Monaten wurde, auch im Zuge des Wahlkampfes, viel über Freising diskutiert und auch Kritik geübt: Der hohe Schuldenstand der Stadt, fehlende Freizeitmöglichkeiten wie ein Hallenbad…
Was ist wichtiger? Ein Kindergarten oder ein Hallenbad? Ein Kindergarten oder eine Überdachung des Eisplatzes? Man muss in Zeiten von Finanzknappheit Prioritäten setzen. Die Frage ist auch: Wo haben wir gesetzliche Verpflichtungen? Wie den Rechtsanspruch auf einen Kinderkrippenplatz.
Was waren die Highlights ihrer Amtszeit? Woran erinnern Sie sich gern?
Der Besuch von Papst Benedikt XVI. in Freising zum Abschluss seiner Pastoralreise in Bayern war sicher eines der Highlights. Wurde aber noch getoppt durch den Besuch im Vatikan, wo ich die Ehre hatte, dem Papst die Ehrenbürgerschaft zu überreichen. Ich hatte als Freisinger Oberbürgermeister auch die Möglichkeit, mit vielen Spitzenpolitikern ins Gespräch zu kommen. Einige haben sich auch hier im Goldenen Buch der Stadt Freising eingetragen. Es hat mich auch gefreut, den Kontakt zu Weihenstephan zu verbessern. Jetzt haben wir ein hervorragendes Verhältnis.
Und was waren die Niederlagen? Die schlimmsten Tage als Oberbürgermeister?
Als wir den ersten Prozess um die Westtangente verloren haben. Nach 20 Jahren Planung hat uns das sehr zurückgeworfen, wir mussten von vorne beginnen. Was mich sehr belastet hat, war der Überfall auf die Wirtschaftsschule und den Direktor Cislak. (Im Jahr 2002 stürmte ein ehemaliger Schüler die Wirtschaftsschule und erschoss den Schulleiter, Anm. d. Red.). Dass so etwas bei uns passiert, das war ein schwerer Schock. Auch die Schülerin, die am Josef-Hofmiller-Gymnasium auf ihre Mitschülerin mit einem Messer eingestochen hat, hat mich sehr getroffen. Negativ war auch die Entscheidung der Regierung von Oberbayern zur dritten Startbahn, die aus meiner Sicht nicht notwendig ist. Wie da die Belange der betroffenen Bevölkerung mit Füßen getreten werden, wie die enorme Wertminderung der Grundstücke. Das hat die gar nicht gejuckt.
Blicken wir in die Zukunft: Was würden Sie ihrem Nachfolger mit auf dem Weg geben?
Ich will keine großen Ratschläge geben und nicht als Lehrmeister auftreten. Zu den wichtigen Aufgaben der Zukunft gehört aus meiner Sicht, unsere Position im Spannungsfeld zwischen den Oberzentren München und Landshut zu behaupten. Es geht darum, keinen Modeerscheinungen zu erliegen, die geschichtliche Herkunft nicht zu vergessen, die Identität Freisings zu bewahren. Der Abwehrkampf gegen die dritte Startbahn ist wichtig. Aber bei aller Ablehnung sollte man nicht die Augen verschließen. Für den Fall, dass die Startbahn kommt. Meinem Vorgänger wurde ja vorgeworfen, im Abwehrkampf gegen den Flughafen keine Option gehabt zu haben und dass Erding sich da besser angestellt hat. Wichtig ist auch, weiter mit dem Magneten Weihenstephan zusammenzuarbeiten und die kirchliche Vergangenheit nicht zu vergessen. Und behutsam mit der Innenstadt umzugehen.
Und was macht Dieter Thalhammer nach dem 30. April?
Ich bin ja immer noch Vorsitzender von vier Fördervereinen, ich denke, dass mir nicht langweilig wird. Mit meiner Frau will ich keine Weltreise unternehmen, das liegt uns nicht so, aber viele Ausflugsfahrten. Außerdem habe ich dann mehr Zeit, mich meinem Garten zu widmen.
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom April 2012.
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