Die Stimme im Kopf
Kalle Wallner über das Video, das Furtner und das Künstlerleben in Corona-Zeiten

Zu „Voices“ gibt es ja sogar ein Video. War das sehr aufwändig? Was musste dafür alles gemanagt werden?
Bereits seit vielen Jahren sind Videos für die Promotion eines Album ein sehr wichtiges Tool. Auch mit meinem anderen Soloprojekt BLIND EGO hatten wir für das letzte Album zwei tolle Videos gedreht. Und nicht zu vergessen die UFO-Landung in Attaching und viel andere tolle Videos mit RPWL.
Für einen solchen Videodreh ist natürlich das Kamera-Equipment und das Licht sehr wichtig, aber auch ein Drehuch oder wenigstens einen Drehplan, damit man keine Einstellung vergisst und die Geschichte sinnvoll erzählen kann. Dazu kommt die Ausstattung, vom Möbilar bis zu Gardarobe. In unserem Fall auch noch ein alter Röhrenfernseher, usw. Weil in unserer Story impliziert ist, dass der Sänger gar nicht persönlich anwesend ist, sondern nur als „Stimme in meinem Kopf“ existiert, mußten wir das auch noch vorab drehen und schneiden.
Am wichtigsten ist aber ein kreatives Team, in dem Fall Kameramann Sebastian Harnack aus Hamburg und mein RPWL- und Studiokollege Yogi Lang. Dazu kam noch meine Frau Carmen Tannich, die das Shooting fotografisch begleitet hat. Zusammen haben wir die Story entwickelt, uns vorher die Örtlichkeiten angesehen und dann entschieden, wo wir welche Szenen wie drehen werden. Der Dreh selbst dauerte dann knapp zwei Tage.

Wieso gerade das „Furtner“? Was ist an dieser Location so besonders?
Nachdem bei meinem kommenden Album „Voices“ das Thema ist, dass ich im Laufe des Albums immer eine Stimme mehr im Kopf höre und am Schluss wahnsinnig werde, durfte schon eine gruselige Athmosphäre aufkommen. Nachdem der obere Teil vom Furtner leer steht, hatte das genau die Athmospähre, die wir uns vorgestellt haben. Dazu kommt der an sich großartige Bau mit hohen Decken und die vielen grandiosen Details wie alten Treppengeländer oder unten der verlassene Bräukeller. Auch im Gasthof selber haben wir gedreht. All das passte perfekt zu unserer Idee. Dass es im ungenutzten oberen Teil ungeheizt ist und es keinen Strom und Licht gibt, hat diese Stimmung noch verstärkt. Natürliches Licht konnten wir ohnehin nicht brauchen, wir haben hauptsächlich abends und nachts gedreht. Die Wirtshaus-Betreiber Franzi und Zottl als Kulturbegeisterte waren sofort von der Idee sehr angetan und haben uns nach Möglichkeiten unterstützt.

Für Künstler und vor allem Musiker ist es seit zwei Jahren nicht leicht – keine oder kaum Konzerte und Tourneen? Ist das auch eine Chance, sich Projekten zu widmen, für die man sonst vielleicht keine Zeit hätte?
Das stimmt. Vor allem ab dem ersten Lockdown ab März 2020 saß ich monatelang in meiner Wahlheimat Tirol fest und hatte plötzlich so viel Zeit wie lange nicht. Immer wieder waren damals für lange Zeit die Grenzen dicht. Während dieser Zeit habe ich sehr viel neue Musik geschrieben. Irgendwann ist mir dann aufgefallen, dass bei vielen meiner Songs überhaupt kein Platz für Gesang war. Das war quasi die Initialzündung der Idee, ein Instrumentalalbum zu machen – bis auf einen Song.
Ich denke immer optimistisch und weiß, dass jede spezielle Situation neue Chancen bietet. Dazu muss man allerdings flexibel sein. Natürlich haben auch ich bzw. wir viel Geld verloren, aber dafür konnte man auch Projekte angehen bzw. diese mit mehr Zeit und in mehr Ruhe realisieren als das unter den „normalen“ Umständen geschehen wäre.

Wie übersteht man auch als Mitinhaber eines Musiklabels diese Zeit des Darbens?
Indem man die gewonnene Zeit sinnvoll für neue Projekte nutzt. Langweilig wird es nun wirklich nie, dazu sind wir zu breit aufgestellt. Neben unserer Band RPWL kommen unsere Soloprojekte dazu, aber auch viele nationale und internationale Künstler, die wir auf unserem Label Gentle Art Of Music unter Vertrag haben und die ebenfalls kontinuierlich fleissig neue Musik veröffentlichen. Das beinhaltet die komoplette Palette der Labelarbeit: von der Künstlerbetreuung, Produktion, Video- und Fotoshootings, Herstellung, Promotion und Vertrieb. Dazu laufen unsere beiden Tonstudios in Attaching sehr gut, wo wir nicht nur lokale, sondern auch internationale Bands und Künstler erfolgreich produzieren, aufnehmen oder mischen bzw. mastern. Ich komponiere auch für andere Künstler und finde zudem noch die Zeit, einen Tag die Woche Gitarre zu unterrichten. 2021 konnten wir zudem auch wenigstens einige der vielen abgesagten Konzerte spielen, auch wenn diese mit wesentlich mehr Aufwand, dafür leider vor weniger Publikum stattfinden konnten. Dennoch haben wir daraus viel Schwung und Motivation mitgenommen. Und im Moment schreiben wir schon für das kommende RPWL Album, das Anfang nächstes Jahr erscheinen soll, gefolgt von einer mehrwöchigen Tour durch Europa. Auch daran arbeite ich bereits.

Mit was beschäftigst du dich, wenn du gerade nicht in Sachen Musik aktiv bist? Hat ein Kalle Wallner auch Hobbies?
Oft bleibt nicht viel Zeit, aber ich bin sehr viel in den Bergen aktiv: zum Laufen, Langlaufen, Skifahren, Wandern, usw. Außerdem lese ich gerne und viel. Ich muss allerdings gestehen, dass ich viele Teile meines Jobs nicht als Arbeit empfinde. Selbstverständlich muss auch ich mich wie jeder Selbständige mit viel Bürokratie, Administration und Management herumschlagen. Aber all die musikalischen Projekte, an denen ich beteiligt bin, machen den Großteil meiner „Arbeit“ aus und das mache ich wirklich für meine Leben gern! Und auch nach alle den viele Jahren ist mir die Gitarre als Hauptinstrument noch nicht langweilig geworden.

Wie sieht denn so ein typischer Tag im Leben von Kalle Wallner aus?
Ein typischer Tag ist, dass es keinen typischen gibt. Ich arbeite entweder in meinem Studio in Freising oder in Tirol oder ich bin überhaupt unterwegs. Es gibt ja auch keine festen Arbeitszeiten, was jedoch naturgemäß Vor- UND Nachteile hat, weil ich oft sehr viel und lange arbeite. Dazu kommt die Vielseitigkeit meiner Tätigkeit: Musikmachen, Gitarre üben, produzieren oder auch Booking oder mal die Steuer machen, usw. Meine Tage sind sehr abwechslungsreich und das genieße ich jeden Tag sehr!

(Fotos: Carmen Tannich)

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Februar 2022.
In unserer Bibliothek können Sie diese und alle anderen Ausgaben der letzten Jahre online lesen.

zur Bibliothek...
weitere Artikel zu diesem Thema: