Wenn sich heutzutage einer als „professioneller Landschaftsbewohner“ bezeichnet, dann klingt das gerade so, als ob er auf den angesagten Zug der Zeit aufgesprungen sei. Doch im Fall von Tobias Mayerhofer hat die Liebe zur Natur nichts mit jedweden ökologischen Trendbewegungen zu tun, seine Verbundenheit zur Schöpfung beruht schlicht auf seiner Herkunft. Als „Landei“ wuchs er in Tiefenbach bei Passau am Waldrand in einer landschaftlichen Idylle auf; für immer dort verweilen aber wollte er nicht, die Neugier lockte ihn hinaus in die Welt.
So machte er sich mit ein paar Freunden, mit denen er eine Band gegründet hatte, auf ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten, um dort zu Rockstars zu avancieren. Das hat nicht so recht geklappt, dafür aber waren die landschaftlichen Erlebnisse im Lauf der fünfmonatigen USA-Rundreise enorm beeindruckend. Zurück in Deutschland stürzte er sich in den Großstadttrubel, ließ sich in Düsseldorf nieder und studierte Sinologie in Köln. Als Niederbayer war dies hinsichtlich der Mentalitätsunterschiede ein mutiges Unterfangen. Nach zwei Jahren am Rhein hatte er genügend Erfahrungen gesammelt, um zu erkennen, dass dies sein Ding nicht ist; das wartete in Freising auf ihn, und zwar in mehrfacher Hinsicht.
Zunächst nahm er 2002 in Weihenstephan ein Gartenbau-Studium auf, welches er mit einem Diplom absolvierte. Parallel dazu begann er als Garten- und Landschaftsbauer zu jobben, was er heute noch praktiziert; das sei zwar „körperlich anstrengend, sagt er, aber erfrischend für den Geist, schön haptisch, analog und im wahrsten Sinn des Wortes erdend“. Und zudem ein „guter und wichtiger Ausgleich“ zu seinen anderen Tätigkeiten. Das Multitalent nämlich ist sehr vielseitig unterwegs und schaffte es auch eben deshalb als selbstständiger Freiberufler seine Existenz zu sichern.
Ein glücklicher Zufall brachte ihn mit dem Gartenbau-Ingenieur Robert Sulzberger zusammen, der sich als Autor und Redakteur für Gartenbauthemen einen Namen machte. Selbiger animierte Mayerhofer zu schreiben und damit in seine Fußstapfen zu treten. Mit Pflanzenportraits und anderen Beiträgen für diverse Fachzeitschriften wie etwa Kraut & Rüben gab er sich als potenzieller (Co-) Autor für Gartenbücher zu erkennen. Deren Themen reichen von Biogärtnern für Einsteiger und Mein Garten Monat für Monat bis zu Was pflanze ich wo im Garten und Blattschönheiten, ein 160 Seiten starkes, reichbebildertes Nachschlagwerk über verschiedenste Stauden, Kräuter, Gräser, Gehölze und Balkonpflanzen samt Pflanz- und Pflegetipps sowie interessanten weiterführenden Anmerkungen zu speziellen Exemplaren (ISBN: 978-3- 8186-1279-5). Besonders viel Spaß machte ihm die redaktionelle Mitarbeit am Tages-Abreiß-Kalender Der grüne Wink, ein aufwändiges Werk mit ausführlichen Texten auf den Rückseiten. Doch damit nicht genug der Wissensvermittlung, die wohl kaum so direkt möglich ist wie auf Gartentagen. Und eben solche organisierte der umtriebige Naturfreund über zehn Jahre lang in Lindau und Bregenz.
Dann aber kam Corona, und damit verbunden viel Zeit und Freiraum für eine Rückbesinnung auf alte, vernachlässigte Leidenschaften, und auch für die Familie. Denn zwischenzeitlich lernte Mayerhofer die Frau fürs Leben kennen, ließ sich mit ihr nahe der Isar in Freising nieder und gründete eine Familie. Dank der Pandemie haben die Kinder jetzt einen Maler zum Vater, wiederum eine schöpferische Berufung. Und die hat er ebenso in den Genen wie seine innige Beziehung zur Landschaft. Sein Urgroßonkel Eduard Morres war ein renommierter Landschaftsmaler, auch sein Großvater griff zu Pinsel und Palette, und sein Onkel Richard Vogel, der von der Galerie 13 in Freising vertreten wird, schenkte ihm in seiner Kindheit Pastellkreiden, die natürlich sofort ausprobiert werden mussten. Bald entdeckte er als weiteres Medium Aquarellfarben und vieles weitere mehr, mit dem er eifrig herumexperimentierte, um Landschaften und Figürliches aufs Papier zu bringen, und liebäugelte mit der Idee, Comic-Zeichner zu werden. Auch hätte er am Gymnasium gerne einen Kunst-Leistungskurs belegt, doch der wurde seinerzeit nicht angeboten. Im Lauf der Jahre fehlte ihm jedoch immer mehr die Zeit, sich in die Malerei zu vertiefen. Das änderte sich schlagartig mit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020. Er streifte fast täglich mit seinen Kindern durch die Isarauen gleich vor der Haustür, unternahm mit ihnen Ausflüge ins Ampertal, ins Moos in die Holledau und ließ sich von den wunderbaren Naturerlebnissen zu einem malerischen Neustart inspirieren, diesmal in Öl.
Die technischen Grundlagen hat er sich mittels einschlägiger Fachliteratur angelesen und dementsprechend viel experimentiert, von Farbmischungen über Farbkontraste bis hin zu feinsten Ausmischungen von reinen nach blassen Tönen zur Transferierung der Luftperspektive. Wie diese richtigerweise aufgebaut werden muss, hat er während seiner zahlreichen Ausstellungsbesuche in Münchens Pinakotheken studiert. Eine treffliche Basis dafür stellten freilich auch die Kunstgeschichtsvorlesungen dar, die er im Zuge seines Gartenbaustudiums hörte. Wenn er sich nun ans Werk macht, dann fotografiert er zunächst besonders pittoreske Szenerien, um diese dann in Ölgemälde zu übersetzen, aber nie eins zu eins, sondern immer mit gezielten farblichen und formalen Veränderungen. Mal reduziert er das Kolorit auf tonige Nuancen, mal erweitert er das Bild mit hell gesetzten Lichtern, mal kontrastiert er gekonnt kalte und warme Farben, so wie bei der Kalten Moosach im warmen Licht. Oder aber es gelingt ihm gar, die Luft zum Vibrieren zu bringen, wie in seinem Amperflimmern. Mit solch sinnfälligen Titeln unterstreicht er den emotionalen Tenor seiner Kompositionen, die zur Meditation, zum Abschalten einladen. Es ist ihm wichtig, mit seinen Arbeiten Themen wie Ruhe und Langsamkeit zu visualisieren, als Kontrast zu unserer schnelllebigen, digitalen Zeit, in der Unmengen von unspektakulären Handyfotos geschossen werden. Und er will unter Beweis stellen, dass es nicht immer eine Fernreise sein muss, die anregende Impulse offenbart; wer bereit ist, sich darauf einlassen, kann auch in nächster Umgebung das Besondere entdecken. „Gerade in Zeiten von Pandemien und globalen Krisen rückt das Naheliegende wieder mehr ins Bewusstsein und ich freue mich, wenn ich mit meinen Bildern ein wenig den Blick dafür schärfen kann“, bemerkt er. Trotz dieses Anspruchs betont er, dass er mit seinen Arbeiten eher die Seele als den Kopf erreichen möchte, weil in jedem Stück Natur, egal wo es auch immer situiert sein mag, der gleiche Zauber wohne, den er versuche auf die Leinwand zu bringen. Und eben dies ist wohl mit ein entscheidender Grund dafür, weshalb seine Landschaften (fast) immer menschenleer sind, wie einst bei den Romantikern, die nach dem Eins-Sein mit der Natur und dem All strebten. Doch nicht nur die Romantiker haben in Mayerhofers Werk Spuren hinterlassen, auch die Impressionisten, wie in den neusten Werken von der Isar sichtbar wird. Diese unterschiedlichen Stile nutzt er bewusst, um die wechselnden Stimmungen der jeweiligen Jahres- und Tageszeiten einzufangen und dokumentiert damit ein ums andere Mal, wie sehr er selbst mit, in und von der Natur lebt.
Nun wollte er seine Werke aber öffentlich zeigen, herausfinden, wie das Publikum darauf reagiert, was in Corona-Zeiten samt Lockdowns von Ausstellungseinrichtungen kein Leichtes war. So schätzte er sich sehr glücklich, vor einem Jahr erstmals eine Auswahl seiner Werke im Rahmen der Kunstmeile Attenkirchen vorstellen zu können; passend zu seinen Themen fand diese Ausstellung im Freien statt, so dass sich seine Landschaften und Kuh-Portraits nahtlos in die umliegende Natur einfügten. Die Resonanz seitens der Besucher war so großartig, dass er beschloss, nach einer Möglichkeit für seine erste Soloausstellung zu suchen. Die läuft nun noch bis zum 10. September 2022 in der Stadtbibliothek Freising. Unter dem Titel Aussichten & Lichtblicke zeigt er dort 50 Gemälde, meist in sich ruhende, zur Kontemplation anregende Landschaften, aber auch Stillleben und Tierportraits, die sich durch eine gehörige Portion Esprit und Humor auszeichnen; zur Finissage am 8. September um 18.30 Uhr spricht Alexandra M. Hoffmann.
Und weil er nun aus eigener Erfahrung weiß, wie schwer es sein kann, in besonderen Zeiten überhaupt einen Ausstellungsraum zu finden, beschloss er kurzerhand, sich diesbezüglich umzuschauen. Zufällig entdeckte er den verglasten Raum neben dem Eishaus am Lindenkeller, der wegen seiner permanenten Einsichtigkeit für Ausstellungszwecke wie geschaffen schien. Diese Idee begeisterte auch das Team vom Stadtcafé und so machte sich Mayerhofer gemeinsam mit der Ausstellungsgestalterin Rita Schäftlmeier an die Arbeit, sprich putzen, tapezieren etc., pp., um den hiesigen Künstlern und Kunsthandwerkern eine Plattform zu bieten. So wie es aussieht, wohnt Mayerhofer nicht mehr allein in der Natur, sondern inzwischen auch im Kunstbetrieb.
von Elisabeth Hoffmann
Foto: Kristine Mayerhofer
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom September 2022.
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