Der Brückenbauer
Ifeanyi Christian Okolo begeistert sein Publikum nicht nur als Bildhauer und Musiker

Jeder, der schon mal übers Uferlos geschlendert ist, kennt Ifeanyi C. Okolo, den Holzbildhauer, der zu den Urgesteinen des Festivals zählt und dort in der Luitpoldanlage Jahr für Jahr mit Feingefühl und Geduld an seinen Skulpturen arbeitet, es sei denn, eine Pandemie verhindert derartige Feste. Dann zieht er, der sich selbst zurecht als guten Beweis für eine gelungene Integration betrachtet, sich zurück, geht in sich und konzipiert neue Arbeiten, mit denen er seinen Gedanken und Gefühlen Gestalt verleiht. Stilistisch bewegt sich seine reduzierte Formensprache zwischen archaischen Symbolen, afrikanischer Kunst und Expressionismus.

Das kommt freilich nicht von ungefähr, Ifeanyi, wie er von allen genannt wird, kam in Owerezukalla im Südosten von Nigeria zur Welt. Die musischen Gene bekam er bereits mit in die Wiege gelegt, sein Vater machte sich als hochgeschätzter Schneider verdient und leitete einst eine Tanzgruppe, seine Großmutter machte als anerkannte Töpferin von sich reden. Da der Vater aber wollte, dass es sein Sohn mal leichter hat, empfahl er diesem, Jura zu studieren. Die Wartezeit darauf nutzte er für ein Schnupperstudium an der Fakultät für Bildende Künste in Enugu, entdeckte dabei seine Begeisterung am eigenen Machen, besonders an der Bildhauerei, und blieb konsequenterweise gleich vor Ort, um dort ein ordentliches Studium zu absolvieren. Schon bald war er so versiert, dass er sich über erste Aufträge freuen konnte. Jedoch entpuppte sich die Lehre als schwer theorielastig und zudem thematisch auf die abendländische Kunst von der Antike bis in die klassische Moderne fixiert. Das allerdings weckte Ifeanyis Neugier, der die Werke der hochgelobten Vorfahren im Original sehen wollte. Also machte er sich 1996 auf den Weg nach Berlin, streifte durch die reichhaltige Museumslandschaft und schlug sich mehr schlecht als recht mit allerlei Jobs durch. Ein wohlgemeinter Tipp bezüglich besserer Verdienste führte ihn 1999 nach Bayern, genauer an den Flughafen, wo er bei Gate Gourmet erst mal eine sichere Basis fand, von der aus er sich sein Leben hier einrichten konnte und damit auch seine erste Wohnung am Domberg. Mittlerweile lebt und arbeitet er schon seit vielen Jahren am Zeilhof bei Nandlstadt, wo er in einer geräumigen Scheune reichlich Platz für seine Arbeit zur Verfügung hat und zugleich den Anschluss an die dort ansässige Familie genießt.

Wie gut ihm dieser Standort taugt, lässt sich unweigerlich in seinen Werken und an seinen Erfolgen ablesen. Seine kraftvollen, manchmal überlebensgroßen Skulpturen ruhen in sich, strahlen Harmonie und Frieden aus. Das liegt nicht zuletzt an den geschlossenen Außenformen, wie sie hierzulande vor allem von Ernst Barlach bekannt sind. Aber Ifeanyi gelingt es, nicht nur eine Figur derart zu reflektieren, sondern derer sogar drei gleichzeitig, sprich eine kleine Familie, die sich stehend innig aneinanderschmiegt. So wie diese sind es immer wieder feinsinnige Allegorien für Menschen und deren Emotionen, die der versierte Künstler mit technischer Perfektion zu übersetzen vermag. In den letzten beiden Jahren konzentrierte er sich unter dem Eindruck der Pandemie und deren Folgen besonders auf Darstellungen von Umarmungen, die symbolisch für das Miteinander, den Trost, die Heilung, den Frieden und das Glück stehen. Deshalb hat er auch zwei Schweindl geschnitzt, denn wer Glück hat, hat auf gut Bairisch Schwein. Die allerdings sind ebenso wenig naturalistisch ausgearbeitet wie all seine Figuren, vielmehr geht es ihm darum, seine Ideen in aufs Wesentliche reduzierte Körper zu transferieren, die dem Betrachter Freiraum für seine Fantasie lassen. Angeregt dazu haben ihn die Arbeiten des weithin bekannten Fritz König aus Landshut.

So einfühlsam wie seine Themen ist auch seine Vorgehensweise, an der sich seine fundierte Materialkenntnis wie auch sein Respekt vor dem Werkstoff deutlich ablesen lassen. Er bearbeitet das Holz grundsätzlich mit dem Wuchs und nutzt darin befindliche Drehungen und hohle Innenräume für spezielle Effekte. Manchmal durchbricht er sogar gezielt die Gesamtform, um so spezifische Details herauszuarbeiten, was aber dem endgültigen Erscheinungsbild in seiner äußeren Geschlossenheit keinen Abbruch tut sondern diese sogar noch unterstreicht.

Um diese raffinierten Ergebnisse zu verifizieren, braucht es nicht nur Wissen und Können, sondern auch viel Zeit, Geduld und Überlegung. Bevor sich Ifeanyi ans Holz macht, zeichnet er als erstes diverse Skizzen, die ihm als Grundlage für kleine Modelle aus Ton, Karton oder Pappmaché dienen. Nachdem das Holz gesäubert und entrindet ist, entfernt er per Kettensäge diejenigen Teile, die er nicht für seine Arbeit benötigt. Danach sagt er, sollte die Endform als solche schon zu erkennen sein. Allerdings geht zu dem Zeitpunkt die Arbeit erst richtig los. Nun wird mit verschiedenen Stechbeiteln und dem Klüpfel ganz vorsichtig gehauen, mitunter auch gehobelt, weil schließlich kein Materialverlust rückgängig gemacht werden kann. Zum guten Schluss wird noch geraspelt, geschliffen und geölt sowie eine Bodenplatte fixiert. Erst dann werden Maserung und Ton der Hölzer deutlich sichtbar, was gerade bei Ifeanyis Werken von großer Bedeutung ist, da er sowohl hiesige Hölzer wie Linde, Eiche oder Obstbäume als auch afrikanische Hölzer verwendet. All diese Bäume weisen vollkommen unterschiedliche Farben und Strukturen auf, aber keiner von ihnen musste für die Kunst sterben, sie alle wurden von Wind und Wetter oder aus Sicherheitsgründen gefällt. Wie diese ihr Erscheinungsbild nach der Bearbeitung durch den Wahlbayern verändert haben, lässt sich bis 1. Juni 2022 in der Freisinger Bank (Münchner Straße 2, Montag – Donnerstag 8.30 – 12.30 Uhr, Montag + Mittwoch 14 – 16 Uhr, Dienstag + Donnerstag 14 – 18 Uhr, Freitag 8.30 – 13.30 Uhr) entdecken. Die sehenswerte Ausstellung resultiert aus der Kulturinitiative Kickstart Kultur, die die Freisinger Bank gemeinsam mit der Uferlos Kultur Veranstaltungs GmbH auslobte, wobei Ifeanyi einen der Förderpreise erhielt. Dies war aber keineswegs seine erste Auszeichnung, bereits in 2008 machte er beim Bildhauersymposion Kunstraum Bayern in Pfaffenhofen den 1. Preis.

Dass er, der sich selbst als Brückenbauer bezeichnet, mit all seinem Tun, seiner Leidenschaft und seinem offenen Wesen einen hervorragenden Botschafter zwischen den Kulturen verkörpert, wurde ein Stück flussabwärts schon lange erkannt. Bereits 2001 wurde er damit beauftragt, in Landshut eine Ausstellung mit afrikanischer Kunst einzurichten, daraus entwickelten sich die regelmäßig stattfindenden Landshuter Afrikatage, die heuer vom 8. bis 10. Juli auf dem Gelände der Alten Kaserne (Liesl-Karlstadt- Weg 4) über die Bühne gehen. Dort gibt er dann Trommelworkshops, mit denen er sich mittlerweile ein sicheres Salaire verdient. Denn er besitzt nicht nur einen gutsortierten Holzvorrat in seinem Domizil, sondern auch beachtliche 60 Trommeln, die reihum permanent zum Einsatz kommen. Trommeln sind für ihn in erster Linie Instrumente für die Kommunikation, mit denen er das Verhältnis der Menschen zueinander wiederbeleben möchte, frei nach dem Motto: jeder kann tanzen und trommeln. Er unterrichtet regelmäßig in Freising, Landshut und Wartenberg, wo sich zudem jeden ersten Freitag im Monat ein Trommelkreis unter seiner Leitung trifft. Dabei greift er meist auf sein fundiertes Wissen hinsichtlich der traditionellen Folklore der Igbo, Haussa und Yoruba zurück, um seinen Rhythmen diesen speziellen Hauch von Afrika zu verleihen. Und weil es ihm als Lehrer besonders am Herzen liegt, beide Gehirnhälften zu trainieren, achtet er sorgsam darauf, dass seine Schüler so wie er mit beiden Händen gleichzeitig trommeln.

Dabei geht es ihm um viel mehr, als den richtigen Rhythmus zu vermitteln, er will mit seinem Schaffen, als Bildhauer wie als Musiker, seinen ganz persönlichen Beitrag zum Leben in der hiesigen Gesellschaft leisten und legt großen Wert darauf, als Zuwanderer etwas mitzubringen in die neue Gemeinschaft. Diese christliche Grundhaltung kommt nicht von ungefähr, Ifeanyi ist katholisch getauft und heißt deshalb nicht zufällig mit zweitem Vornamen Christian. Angesichts der Tatsache, dass in Enugu ein römisch-katholischer Bischof sitzt, erscheint das weiter nicht erstaunlich. Die Begebenheit, dass ihn sein Weg ausgerechnet in eine andere katholische Bischofsstadt führte, wirkt wesentlich verblüffender.

von Elisabeth Hoffmann

Foto: Rainer Lehmann

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Mai 2022.
In unserer Bibliothek können Sie diese und alle anderen Ausgaben der letzten Jahre online lesen.

zur Bibliothek...

weitere Artikel zu diesem Thema: