Das MUCcc nimmt die erste Hürde
Stadtratsmehrheit steht der Konzert- und Kongressarena positiv gegenüber

Sie wäre in den kommenden Jahren mit Abstand das größte Projekt im Stadtgebiet von Freising: die Multifunktions-Arena, die die SWMUNICH Real Estate GmbH auf dem westlichen Flughafenareal plant. Bis zu 20 000 Besucher könnte die Halle aufnehmen, wenn sie denn an dieser Stelle gebaut werden darf. Der Freisinger Stadtrat zumindest hat mit seiner Entscheidung, den Planungsprozess zu starten, eine erste wichtige Weiche gestellt.

Als der Stadtrat Anfang April zu seiner Sondersitzung zusammentrat, war die Spannung zum Greifen. Ging es doch um nicht weniger als um die wegweisende Entscheidung, ob auf dem Stadtgebiet von Freising eine moderne, den heutigen Ansprüchen genügende und noch dazu nachhaltige Arena gebaut werden darf, die dann für internationale Kongresse und Messen, vor allem aber auch für die großen Music-Acts dieser Welt eine wichtige Location wäre. Nach knapp vier Stunden stand fest: Mit der deutlichen Mehrheit von 25:14 Stimmen votierten die Stadträte dafür, den Planungsprozess in Gang zu setzen, damit die SWMUNICH Real Estate GmbH mit Sitz in Freising ihr ehrgeiziges und Aufsehen erregendes Projekt vorantreiben kann. Wenn alles läuft, wie sich das die Investoren vorstellen, könnte auf dem rund zehn Hektar großen Areal die Event-Arena mit dem Namen „MUCcc“ in fünf Jahren eröffnet werden. 20 000 Quadratmeter Grundfläche soll die Event-Arena dann aufweisen, soll maximal 20 000 Besucher aufnehmen können und rund 300 Millionen Euro kosten – ein Parkhaus mit 1200 Stellplätzen und ein Hotel mit 200 Zimmern inklusive. Rund 20 Mega-Konzerte sollen dann dort stattfinden, insgesamt rund 100 Konzerte und Musikveranstaltungen pro Jahr abgehalten werden, dazu rund zehn Messen, Aktionärsversammlungen, internationale Kongresse und andere Veranstaltungen. Die ersten Überlegungen zu diesem Mega-Projekt stammen aus dem Jahr 2019. Was in den vergangenen Jahren und Monaten vor allem auch von Investoren-Seite her geschehen ist, das erblickte nun das Licht der Öffentlichkeit: der Siegerentwurf des Planungsverfahrens, zu dem von den Investoren vier renommierte Architektenteams eingeladen worden waren und aus dem der Entwurf des Londoner Architekturbüros Populous als Sieger hervorging. Die Planung der Freiflächen stammt von Latz + Partner Landschaftsarchitektur in Kranzberg.

„Zum Wohle der Region.“ So hat denn auch Lorenz Schmid, Geschäftsführer der SWMUNICH Real Estate GmbH, die Entscheidung des Freisinger Stadtrats für die Multifunktions-Arena kommentiert. „Mit dem Bau und Betrieb Deutschlands nachhaltigster Konzertarena entstehen viele kulturelle, wirtschaftliche und touristische Impulse für Freising und die Region“, ist sich sein Kollege Gert Waltenbauer sicher. Die SWMUNICH verspricht jetzt eine Umsetzung des Großprojekts „unter Führung der Stadt Freising, unter Einbeziehung der politischen Gremien sowie einer breiten Öffentlichkeitsbeteiligung“. Wichtig ist den Investoren „ein transparenter, kontinuierlicher Austausch und Dialog zwischen allen Beteiligten“. In der Metropolregion München, so die Überzeugung der Investoren, gebe es derzeit keine vergleichbare Veranstaltungsstätte. Die neue Arena wirke als „Kulturverstärker sowie als Tourismus- und Wirtschaftsmotor“. Und: „Mit dem positiven Grundsatzbeschluss hat der Stadtrat Freising seiner Stadt die Chance gesichert, eines der spannendsten Kulturprojekte in Deutschland mitzuentwickeln“.

Besonders stolz sind die Investoren auf die Architektur, deren „spektakuläre Außenfassade“ einen besonderen Blickfang darstelle. Die Trägerkonstruktion greife die Form der bayerischen Raute auf, schaffe deshalb einen hohen Wiedererkennungseffekt. Zudem liege die Arena „eingebettet in einem komplett neu entwickelten grünen Areal“, das sich an den Lab Campus anschließe. Und auch in Sachen Erschließung und Erreichbarkeit sei MUCcc bestens gelegen. Hinzu komme noch das Konzept der Nachhaltigkeit, das die Halle klimaneutral werden lasse.

14 Gegenstimmen – das bedeutet freilich, dass das Projekt nicht unumstritten ist. Vor allem die Fragen des Verkehrs und der Nachhaltigkeit stehen hier im Zentrum:

Verkehr

Es ist wohl das Thema, über das am meisten diskutiert wurde und wohl auch noch wird, wenn es um MUCcc geht: der Verkehr, die Verkehrsbelastung und die Erschließung. Ein erstes Gutachten, das überhaupt erst einmal grundsätzlich klären sollte, ob die Konzert-Arena an dieser Stelle möglich sei, stammt von den beiden Fachbüros Obermeyer Infrastruktur GmbH & Co. KG und Intraplan Consult GmbH. Man habe „ehrlich gerechnet“ hieß es, deshalb den Donnerstag als den Tag mit der derzeit höchsten Verkehrsbelastung herangezogen und dafür eines der rund 20 000 Besucher anziehenden Mega-Konzerte angesetzt (obwohl die doch meistens an Wochenende stattfänden). Ergebnis: Die für die Zeit zwischen 18 und 20 Uhr zu erwartende Verkehrsbelastung an so einem Donnerstag liege noch immer unter der Spitzenstunde am Vormittag. Was den Anschluss an den ÖPNV angehe, so sei die Arena gut angeschlossen, erst recht wenn es den Erdinger Ringschluss, eine Haltestelle für den ÜFEX und die zweite Stammstrecke gebe. Den für die Stadt Freising wichtigen Knotenpunkt FS 44/FS 45 habe man noch nicht in den Focus genommen. Das Parkraumkonzept sei dezentral, weil die bereits vorhandenen Parkflächen im westlichen Flughafengelände zu dem noch zu errichtenden Parkhaus dazu genutzt werden.

Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit

Dass das MUCcc die erste klimaneutrale Konzertarena Deutschlands wird, dafür soll Transsolar Energietechnik GmbH aus München sorgen. Da wird durch die gewählten Materialien, die thermische Hülle, den Wärmeschutz, die PV-Anlage auf dem Dach der Arena, die Vermeidung fossiler Energieträger, den Einsatz von Wärmepumpen und den Bezug von Ökostrom zusammen mit dem selbst produzierten Strom ein klimaneutrales Konzert- und Kongresszentrum gewährleistet. Man arbeitet weiter an einer eigenständigen Konzertarena-Klimastrategie.

Deutlich nach Partei- und Gruppierungszugehörigkeit getrennt fiel das Pro und Contra im Stadtrat aus: Für das MUCcc stimmten die Fraktionen von Freisinger Mitte (FSM) inklusive Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher, Freie Wähler (FW), CSU und SPD, gegen die Arena votierten die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, ÖDP und Freisinger Linke. Vertreter dieser Parteien hatten sich auch einige Tage zuvor dem in München gegründeten Aktionsbündnis „Koa Kongresshalle“ angeschlossen.

Das Pro

Die Befürworter argumentierten, dass die Konzert- und Kongresshalle auf jeden Fall gebaut werde – wenn nicht an dieser Stelle auf Freisinger Boden, dann eben in einer anderen Gemeinde rund um den Flughafen. Da sei es doch wesentlich besser, über das Bauleitverfahren mitreden und Einfluss nehmen zu können, die Chance zu ergreifen und vor allem auch die Vorteile, die das MUCcc für die Stadt bringe, wahrzunehmen. Der Standort sei günstig, Wohnbebauung sei nicht in der Nähe, so ein anderes Argument pro MUCcc. Zudem würden Bauweise und Betrieb des Konzert- und Kongresszentrums klimatechnisch höchsten Standards entsprechen. Und alles, was man bisher über zu erwartende Verkehrsbelastung gehört habe, sei vertretbar. Vor allem sei mit einer Zunahme der Flugbewegungen nicht zur rechnen, da es keinerlei Hinweise auf Sondermaschinen gebe. Die Arena biete auch wirtschaftlich nur Vorteile und lasse eine Stärkung für Hotellerie und Gastronomie in der Stadt Freising erwarten. Zudem stelle MUCcc einen Gewinn für das Kulturleben dar. Die Aussage, die Konzert-Arena sei eine Konkurrenz zum Lindenkeller oder zur Luitpoldhalle, fand manch Stadtrat absurd. Fazit: Es gebe vor allem Vorteile für die Stadt – von einem größeren Kulturangebot bis hin zu Gewerbesteuereinnahmen.

Das Contra

Die Gegner des Projekts hingegen sahen mehr Nachteile als Vorteile. Weil noch Unterlagen fehlten, könne man noch nichts dazu sagen, wie sich die Verkehrsbelastung bei Kongressen, die ja tagsüber liefen, darstelle – und das betreffe auch die dann noch zur Verfügung stehenden Parkplätze. Und was die Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit betreffe – die gelte ja nur im Vergleich zu einer normalen Bauweise, nicht im Vergleich zur Nullvariante. Das Projekt stehe zudem im Widerspruch zu Beschlüssen des Stadtrats – beispielsweise zu dem Agenda 21-Prozess, zum STEP 2030, zum Mobilitätskonzept und zur Klimaoffensive. Zudem zweifelten die Gegner der Event-Arena den Bedarf an, sahen in dem Beschluss, den Planungsprozess zu starten, eine Untergrabung des Abwehrkampfes gegen die Startbahn. Außerdem seien die bisher angeführten positiven wirtschaftlichen Effekte des Konzert- und Kongresszentrums doch stark zu hinterfragen. Und: Klimaschutz sei wichtiger als Gewerbesteuereinnahmen.

Das Planungsverfahren

Das zur Bebauung vorgesehene Areal liegt im Vorranggebiet Flughafen. Und deshalb war die Aussage der Obersten Landesplanung – also des Wirtschaftsministeriums – für das weitere Vorgehen wichtig, das MUCcc stehe mit der auf dem Gelände vorgesehenen Nutzung in Einklang. Begründung: So eine Konzert- und Kongress-Arena gehöre zu einem internationalen Drehkreuz. Die Folge dieser Feststellung: Ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren ist nicht notwendig. Allerdings ist es nicht möglich, das Projekt über das Luftverkehrsgesetz planfeststellen zu lassen. Grund: Dazu ist der flughafen-affine Anteil der Konzertarena dann doch zu gering. Fazit: Eine Genehmigung kann nur über die kommunale Planungshoheit – sprich: über ein Bauleitverfahren und die Genehmigung der Stadt Freising – herbeigeführt werden. Und genau dazu hat sich der Stadtrat entschlossen, was beispielsweise die Änderung des Bebauungsplans und des Flächennutzungsplans zur Folge hat. Wichtig: Dem Regionalplan widerspreche das Vorhaben nicht, weil regionale Grünzüge nicht berührt würden. Und es bleibe dabei: Stadt Freising und Flughafen dürften nicht zusammenwachsen.

Der Siegerentwurf

25 Jurymitglieder waren es, die darüber befanden, wie das künftige Konzert- und Kongresszentrum aussehen soll. Zur Teilnahme waren eingeladen asp Architekten GmbH Stuttgart, gmp International GmbH Hamburg, HKS Architects Limited London und POPULOUS Architects Limited London. Die Jury hat sich am Ende für die Planung des Architekturbüros POPULOUS Architekten, London mit Latz + Partner Landschaftsarchitekten, Kranzberg, ausgesprochen. Maßgeblich für die Entscheidung der Jury war neben dem in Summe besten architektonischen Konzept auch das überzeugende Nachhaltigkeits- und Klimakonzept gewesen. Der Entwurf gehe mit den Flächen sparsam um, das gesamte Arena-Dach werde mit einer PV-Anlage ausgestattet, so die Jury.

von Andreas Beschorner

 (Renderings: SWMunich Real Estate/Populous Architects, London)

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Mai 2022.
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