Es ist eines der ältesten Zeugnisse der profanen Erinnerungskultur in Freising: Das Abensberger-Denkmal an der Münchner Straße. Errichtet wurde es vor über einem halben Jahrtausend als Sühnedenkmal, zunächst in Form eines Steinkreuzes, später, im Jahr 1804, in Form eines klassizistischen Gedenksteins.
Bis heute erinnert es an die Ermordung des Niklas von Abensberg (1441-1485), die Herzog Christoph von Bayern (1449-1493) zu verantworten hatte. Neben seiner eigentlichen Funktion, auf das Verbrechen und die Sühne des Täters hinzuweisen, ist das Denkmal längst selbst zu einem historischen Objekt geworden. Als solches spielte (und spielt) es in der Freisinger Geschichte immer wieder eine Rolle. Beides, das Ereignis, das zur Aufstellung des Denkmals geführt hat, wie der Umgang damit in der Geschichte, wollen wir im Folgenden kurz näher betrachten.
Die Ermordung des letzten Abensbergers bei Freising
Das Ereignis um die Ermordung des Niklas von Abensberg im Jahr 1485 soll, da es innerhalb der historischen Literatur mehrfach geschildert wurde, nicht noch einmal neu erzählt werden. Lassen wir einen Gelehrten des 19. Jahrhunderts, den Pionier der bayerischen Kunstgeschichte Joachim Sighart (1824-1867), sprechen. In seinem 1859 erschienen „Eisenbahnbüchlein“, in dem er – ein Jahr nach Eröffnung der Ostbahn – aus der vollkommen neuen Perspektive als Eisenbahn-Passagier die historische Kulturlandschaft zwischen München und Landshut beschreibt, geht er in einer längeren Passage auch auf das Abensberger-Denkmal ein: „Blicken wir noch einmal von der Bahn aus auf die Straße, die zur Linken sich zwischen den Isarauen gegen Freising zieht. Wir sehen da Dürneck […] mit einem stattlichen Wirtshause und später zwischen hohen Pappeln ein Steinmonument sich erheben. Hier ist der letzte Graf von Abensberg gefallen, und damit eines der ältesten Adelsgeschlechter in Bayern erloschen. Der Vorfall ist so ziemlich bekannt. Herzog Albert [Albrecht] IV. lebte in stetem Hader mit seinem Bruder Christoph, der immer Unruhen anzettelte, um Antheil an der Regierung zu erhalten. Unter den treuesten Anhängern des regierenden Herzogs [Albrecht] war Niclas von Abensberg. Er hatte den Herzog Christoph einmal im Bade überfallen und gefangen genommen, und neuerdings hatte er in München das Versprechen öffentlich kundgegeben, wieder ihn nötigen Falls fangen zu wollen. Daher der bittere Groll des Herzogs Christoph gegen ihn. Da der Abensberger nun die Heimfahrt [von München] nach Abensberg über Freising antrat, wurde Christoph, der eben in Augsburg sich aufhielt, davon benachrichtigt. Flugs eilte er mit seinen Reisigen gegen Freising, machte in Kranzberg Mittag, und kam darauf über Vötting an den Berg von Wei- henstephan, wo er noch in der Kirche betete. Als er darauf sein Gefolge im Gebüsch versteckt hatte, spähte er da oben, wo jetzt auch ein Luginsland, ein Hüttchen steht (vor der Schenke [gemeint ist wohl der Bereich des heutigen Lindenkellers]), ob der Gegner nicht komme. Endlich sah er ihn auf der Straße dahertraben mit seiner Begleitung von 62 Reitern. Da stürmte Christoph mit seiner Schaar herab vom Berge, ritt eiligst durch das Veitsthor nach Freising hinein, kam durch das Münchener Thor wieder heraus und zog dem Feinde entgegen. Als Niclas, der Böses ahnen mochte, den Herzog sah, rief er ihm zu: Woher Herzog Christoph? Statt aber eine Antwort zu geben, ertheilte Christoph das Zeichen zum Angriff. Der Ritter Diesser, dem Christoph die Führung seiner Schaar übergeben, legt die Lanze ein und wirft den Abensberger aus dem Sattel. Der bittet um das Leben und Diesser gibt ihm die Hand zum Handschlag. Da eilt ein Page Christoph`s, Seiz von Fraunberg, herbei und stößt, da er beide noch im Kampfe glaubt, dem Grafen Niclas den Dolch in den Leib. Darauf allgemeiner Kampf. Christoph tödtete die beiden Ritter Burghardt von Rohrbach und Lorenz Bogner durch einen Lanzenstich. Außerdem fielen noch sieben von den Leuten des Abensbergers, sieben wurden gefangen, 34 verwundet, die andern entflohen. Beim Anblick der Leichen soll Christoph dann gesagt haben: ‚Dieß haben sie itzt, und Alle sollen es so haben, die Zwietracht zwischen Brüdern stiften.‘ Beim Münchener Thor sammelte er dann seine Leute und da er fürchtete in Freising überfallen und eingeschlossen zu werden, ging er nicht mehr in die Stadt, sondern zog sich in den Auen und Wäldern (wie jetzt die Bahn) bis Landshut hin, wo er bei seinem Vetter Georg dem Reichen Aufnahme fand. Später hat Christoph dann, wie es gewöhnlich war bei Mordthaten, an der Stelle, wo sein Gegner fiel, ein Steinkreuz errichten lassen zur Sühne, damit man des Verstorbenen im Gebethe gedenke, mit der Inschrift: ‚Der edle Niclas von Abensberg, der letzt dies Namens ist allhie niedergelegen und todts abgegangen den 18. Febr. 1485. Gott genad.‘“.
Zur (Bau-)Geschichte des Abensberger-Denkmals
Über jenes Sühnekreuz, das Herzog Christoph von Bayern am Ort des Verbrechens aufstellen ließ, ist nicht allzu viel bekannt. Dass es, wie Sighart berichtet, aus Stein gefertigt war, ist nicht gesichert, jedoch sehr wahrscheinlich. Im Alltag dürfte es weniger eine Rolle als Ort der Sühne oder der Erinnerung gespielt haben, als vielmehr als Landmarke zur topographischen Beschreibung. Insofern ist anzunehmen, dass das Kreuz innerhalb bestimmter überlieferter Hochstiftsarchivalien, die die Umgebung des Kreuzes betrafen (z.B. innerhalb der Akten des sog. Isarwuhrbaues, der Jagdakten, der Forstakten, etc.), mehrfache Erwähnung gefunden hat. Auf einer topographischen Karte aus der Zeit um 1700 ist das Abensberger-Kreuz sogar dargestellt: Es steht an der damaligen Fürstenstraße, der heutigen Münchner Straße (die eigentliche Münchner Straße verlief damals weiter westlich). Dass es vom Hochstift Freising (nicht etwa von der Stadt oder einer anderen Institution) aus baulich unterhalten wurde, geht aus einem kleinen erhaltenen Akt hervor, der eine Instandsetzung des „Abensperger Kreutz“ im Jahr 1747 behandelt.
Im frühen 19. Jahrhundert, in der Zeit, in der die fürstbischöfliche Herrschaft ihr Ende fand und das alte Hochstift Freising zu Bayern geschlagen wurde, scheint das Abensberger-Kreuz in schlechtem Zustand gewesen zu sein. Das würde am ehesten erklären, warum es beseitigt und im Jahr 1804 der bis heute erhaltene Gedenkstein aufgerichtet wurde. Besonders interessant an dieser Maßnahme ist jedoch, dass der Auftraggeber des Denkmals niemand anderer war, als der neue Landesherr, der pfalzbayerische Kurfürst Maximilian IV. Joseph (reg. 1799-1825). Möglicherweise spielt hierbei die Wittelsbachische Familiengeschichte eine Rolle; wie der Auftraggeber des Sühnekreuzes, Herzog Christoph von Bayern, gehörte ja auch Max IV. Joseph der Familie der Wittelsbacher an. Dass der Kurfürst zum Zeitpunkt der von ihm veranlassten Säkularisationen und den damit einhergehenden massiven Zerstörungen am Freisinger Stadtbild (durch die Abbrüche v.a. mehrerer großer Kirchen) eine solche „positive“ Maßnahme durchführen ließ, ist auffallend. Die Kunsthistorikerin Ulrike Götz hat vermutlich recht, wenn sie mutmaßt, dass mit der Errichtung des Abensberger-Denkmals durch den Kurfürsten „wohl eines der frühesten und wenigen Zeugnisse“ dafür gegeben ist, „daß der neue Landesherr dem Freisinger Stadtbild nicht nur durch Abbrüche, sondern auch durch eigene Gestaltungsmaßnahmen seinen Stempel aufzudrücken gedachte.“.
Einige Bedeutung hatte dieses Denkmal auch für die Fabrikanten-Familie Schlüter. Mit ihm ist eine – freilich legendenhaft anmutende – Geschichte verbunden, die den Beginn der Beziehung Schlüter-Freising markant hervorheben sollte. So berichtete der Firmengründer Anton Schlüter (1867- 1949), dass er sich einst, als er als junger Geselle auf Wanderschaft unterwegs war und auch in Freising vorübergehend Arbeit fand, an dem Abensberger-Denkmal ermüdet ausgeruht habe. An eben dieser Stelle habe er dann Jahrzehnte später, als nunmehr erfolgreicher Unternehmer, eine große Fabrik errichtet. Tatsächlich wurde das Denkmal beim Bau der Fabrik 1915 bis 1917 nicht nur in das neue Umfeld integriert, sondern durch die mittige Ausrichtung des Pförtnerhauses unmittelbar hinter dem Denkmal zudem neu inszeniert. Diese städtebauliche Umgebung des Abensberger-Denkmals ist bis heute im Wesentlichen erhalten geblieben.
Auf Initiative des Historischen Vereins Freising erhält das Abensberger-Denkmal nunmehr auch seine „alten Nachbarn“ zurück: Am 18.11.2011 um 14 Uhr werden hier nach historischem Vorbild wiederum zwei Bäume gepflanzt.
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom November 2011.
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