Es ist eine Daueraufgabe. Und es ist eine Aufgabe, deren Wichtigkeit allen Verantwortlichen bewusst ist: Wohnraum in Freising. Vor allem bezahlbarer Wohnraum. Millionen Euro wurden bereits investiert, viele viele Millionen werden noch investiert werden, die Stadt und die Freisinger Wohnbau GmbH & Co. Immobilien KG, eine 100prozentige Tochter der Stadtwerke Freising, sind stets bestrebt, die Situation auf dem Wohnungsmarkt zu verbessern. Eine Bestandsanalyse und ein Blick in die Zukunft.
1162 Sozialwohnungen gab es Ende 2020 in der Stadt Freising, davon befanden sich 162 gerade in der sogenannten „Entmietung“, wurden und werden also nicht mehr neu belegt, weil sie demnächst saniert oder abgerissen werden. Von den restlichen 1000 Wohnungen sind 235 frei finanziert, was bedeutet, dass die Bindungsfrist abgelaufen ist. Das ist der Stand der Dinge – und alle wissen, dass das zwar eine stattliche Anzahl an geförderten Wohnungen, aber in einer Boomregion wie Freising noch immer zu wenig ist.
In den vergangenen Jahren wurde deshalb immer wieder in neuen Wohnraum investiert: An der Waidhofener Straße wurde durch eine Aufstockung die Zahl der geförderten Wohnungen von 16 auf 20 erhöht (was rund vier Millionen Euro gekostet hat), in den Wohnanlagen am Plantagenweg wurde die Zahl der Sozialwohnungen für 12,5 Millionen Euro um zwölf erhöht. Weil sich die Mieter aber auch wohlfühlen sollen, wurden zahlreiche Komplexe auch saniert: Neben den Gebäuden an der Rotkreuzstraße/Prechtlstraße ist da besonders die gelungene Sanierungsmaßnahme an der Angermaierstraße zu erwähnen: Für rund 300 000 Euro wurden Fassaden, Balkone und der Anstrich erneuert, außerdem die Fenster ausgetauscht. Modernisierungen und Verschönerungen wurden 2020 in den Gebäuden an der General-von-Stein-Straße 12 und bei dem Gebäudekomplex an der Wippenhauser Straße durchgeführt. Und dann ist da noch das Projekt an der General-von-Stein-Straße, durch dessen Fertigstellung im Jahre 2018 35 neue Wohnungen geschaffen wurden. Kostenpunkt: 9,1 Millionen Euro.
Ein großes und wichtiges Neubauprojekt wird derzeit an der Katharina-Mair-Straße verwirklicht: das städtische geförderte Mehrgenerationenhaus, für das im Herbst 2019 die Bauarbeiten starteten, das am Ende rund 30 Millionen Euro kosten dürfte und dem Bestand an öffentlich gefördertem Wohnraum 115 Wohnungen hinzufügen wird. Auf einem 6730 Quadratmeter großen Grundstück werden die Geschoßwohnungen derzeit errichtet, im kommenden Jahr soll die Maßnahme abgeschlossen sein. Dann werden verschiedene Wohnungsgrößen zur Verfügung stehen, ältere Menschen, Studenten, Menschen mit Behinderung und einkommensschwache Personen werden dort zum Zug kommen. Damit die Mieten günstig bleiben können, wurde eine kompakte Bauweise gewählt.
Während also dort in Lerchenfeld ein großes Projekt vor der Vollendung steht, laufen für andere Areale im Stadtgebiet bereits die Planungen: An der Oberen Pfalzgrafstraße sind die dortigen Mehrfamilienhäuser stark sanierungsbedürftig, teilweise stehen sie aufgrund des maroden Zustands schon leer. Eine Machbarkeitsstudie hat nun ergeben, dass auf dem 1,8 Hektar großen Areal zwischen Isarstraße und Angerbach eine ökologische und familienfreundliche Modellsiedlung entstehen könnte. Das Konzept hat auch auf höherer Ebene überzeugt, wurde als eines von zehn Modellprojekten für Experimentellen Wohnungsbau in Bayern ausgewählt. Die Folge: Der Freistaat beteiligt sich im Rahmen der Wohnraumförderung und bezuschusst den anstehenden Realisierungswettbewerb. Worum geht es? Auf dem Gelände stehen derzeit fünf Gebäude mit insgesamt 68 Wohnungen. Nun sollen durch eine zeitgemäße und qualitätvolle Bebauung rund 100 bezahlbare und öffentlich geförderte Mietwohnungen in verschiedenen Größen entstehen. Dabei sollen bei mindestens 30 Prozent der Wohnungen Genossenschaften berücksichtigt werden, die dann eine einkommensorientierte Förderung gewährleisten. Hinzu kommen ökologische Werte und soziale Nachhaltigkeit, ein klimaneutrales Bauen wird angestrebt. Bis das Projekt in mehreren Bauabschnitten umgesetzt wird, wird es aber sicherlich noch eine Weile dauern. Erster Schritt ist die Auslobung eines Realisierungswettbewerbs.
Die Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum ist also zu einer großen Herausforderung geworden. Auf Grundlage der Leitziele des Stadtentwicklungsplans (STEP 2030) haben deshalb Stadtrat, Verwaltung und Bürger einen Aktionsplan mit 28 Maßnahmen festgelegt. Dabei wurde auch die Entwicklung einer kommunalen Baulandstrategie als Ziel mit der höchsten Priorität beschlossen. Der Stadtrat der Stadt Freising hat im Mai 2017 einen Grundsatzbeschluss zum Kooperativen Baulandmodell zur Beschaffung bezahlbaren Wohnraums gefasst. Wesentlicher Inhalt: Bei der Entwicklung von Wohnraum über ein Bebauungsplanverfahren muss ein entsprechender Anteil an sozialem Wohnungsbau vorgesehen werden. Zudem ist ein Teil der Infrastrukturkosten, die durch die Neuschaffung von Wohnungen entstehen, vom Planungsbegünstigten, also dem Investor und Bauherren, zu übernehmen. Insgesamt soll so eine sozialgerechte Bodennutzung erreicht werden. Angewendet wird dies beispielsweise bei dem großen Neubaugebiet an der Angerstraße. Und auch im letzten Bauabschnitt der Projekte auf dem Areal im Stein-Park kommt diese Regelung zum Zug. Das Kooperative Baulandmodell zur Beschaffung bezahlbaren Wohnraums ist somit ein wichtiges Instrument zur städtebaulichen Planung und zur sinnvollen Weiterentwicklung der Stadt in Form von städtebaulichen Verträgen zwischen Bauherren (Investoren) und Stadt.
Dieses Modell dürfte auch bei einem anderen, noch in etwas weiterer Ferne liegenden, aber sehr interessanten Projekt Anwendung finden: Inmitten des Stadtteils Neustift sollen auf einem 16 000 Quadratmeter großen Areal keine Erdbeeren mehr wachsen, sondern Häuser. Das sogenannte „Neustifter Feld“ zwischen Hochacker- und Hermannstraße liegt aktuell noch völlig unberührt da. Wie aber jüngst bekannt wurde, ist der Eigentümer mit der Frage an die Stadt herangetreten, ob es sich bei dem Grundstück vielleicht doch nur um eine Baulücke handeln würde. Da das Areal dafür allerdings viel zu groß ist, so die Antwort, brauche man dafür einen Bebauungsplan. Und das bedeutet, dass auch hier das Kooperative Baulandmodell der Stadt Freising aus dem Jahr 2017 greift. Im Klartext: Sollte es etwas werden mit der Bebauung in Neustift, müssen 30 Prozent des entstehenden Wohnraums als sozialer Wohnungsbau zur Verfügung stehen. In einer ersten Studie ist eine Kindertagesstätte ebenso wie eine großzügige Grünfläche mit Spielplatz im Zentrum vorgesehen. Wie es im Stadtrat hieß, seien Grundstückseigentümer und Investor scheinbar auch bereit, das Vorhaben mit der Stadt im Rahmen des Kooperativen Baulandmodells zu entwickeln. Freilich: Bis da die ersten Gebäude stehen, werden sicher noch einige Jahre ins Land ziehen.
Großes vor hat aber auch die Freisinger Wohnbau GmbH selbst: An der Johann-Braun-Straße sollen die alten Wohnblöcke aus den 50er Jahren abgerissen und nach Aufstellung eines Bebauungsplans neu errichtet werden. Grund: Die insgesamt 64 Wohnungen sind marode, heruntergekommen, sind zum Teil gar nicht mehr bewohnbar. Außerdem sind die Grundrisse der Wohnungen zu klein, eine energetische Sanierung der Gebäude nicht sinnvoll, und die Statik ist auch nicht mehr die beste. Die logische Folge: Abriss und Neubau. Für den Neubau wurde inzwischen ein Wettbewerb ausgelobt, 14 Arbeiten wurden eingereicht. Aufgabe war es, eine gewisse Nachverdichtung zu ermöglichen, über eine attraktive Architektur das nachbarschaftliche Miteinander zu fördern und auch bei der Gestaltung der Freiflächen auf Kommunikationsmöglichkeiten und Aufenthaltsqualität zu achten. Eine weitere Forderung an die Wettbewerbsteilnehmer war die Schaffung von Wohnraum für unterschiedliche Bewohnergruppen. Familien, Singles, aber auch Menschen mit Behinderung sollen hier künftig bezahlbaren Wohnraum finden. Den Wettbewerb gewonnen hat ein Entwurf von Fink + Jocher Gesellschaft von Architekten und Stadtplanern mbH, der eine leicht geschwungene Bauzeile aus Dreispännern parallel zum Karwendelring vorsieht. An der Johann-Braun-Straße ist dagegen eine platzartige Aufweitung vorgesehen. Insgesamt werden in zwei Bauabschnitten 82 neue Wohnungen entstehen, auch die alten Gebäude sollen in zwei Stufen abgerissen werden.
Wie prekär trotz all dieser Anstrengungen die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist, zeigt der Wohnungsvergabebericht, den das zuständige Amt der Stadtverwaltung jährlich vorlegt. So wurden im Jahr 2020 insgesamt 313 Wohnungsberechtigungsscheine ausgestellt, die dann nach ihrer Dringlichkeit in drei Stufen eingeordnet wurden: Mit 200 Wohnberechtigungsscheinen stellt dabei die höchste Dringlichkeitsstufe den Löwenanteil. Zwischen Ende 2019 und Ende 2020 konnten 57 Sozialwohnungen neu vergeben werden, was im Umkehrschluss bedeutet, dass 256 Haushalte, die allesamt eigentlich sozialwohnungsberechtigt waren, keinen Zuschlag erhalten konnten. Nur 18 Prozent erhielten also eine Sozialwohnung. Von diesen 57 Zuweisungen kamen nur 19 Haushalte aus dem freien Wohnungsmarkt, die eine Sozialwohnung erhielten. Drei Haushalte kamen aus dem Frauenhaus, elf Haushalte waren zuvor in den Notunterkünften der Stadt untergebracht, in 24 Fällen kam es lediglich zu einem Tausch zwischen einer Sozialwohnung, die abgerissen und entmietet werden musste, und einer anderen Sozialwohnung. In den meisten Fällen (28) wurde eine Zwei-Zimmer-Wohnung vergeben, 18 Mal eine Drei- und neun Mal eine Vier-Zimmer-Wohnung.
Fazit: Es gibt wesentlich mehr Wohnungsbewerber als Freimeldungen. Und: Tendenz steigend. Vor allem, so die Analysen des Amtes, fehle es an größeren Wohnungen und an Wohnraum, der per Lift zu erreichen ist. Auch barrierefreie Wohnungen sind Mangelware. Und noch etwas stellt man vermehrt fest: Auch junge Menschen lehnen, obwohl sie an keinen körperlichen Gebrechen leiden, Wohnungen ohne Lift ab. Außerdem nehmen dringende Fälle – zum Beispiel aufgrund wirtschaftlichen Notstands – zu, gleichzeitig kann aber selbst in solchen Fällen nicht sofort eine passende Wohnung angeboten werden.
Die Situation führt auch dazu, dass Bewerber „oft nur wenig Verständnis“ dafür haben, dass es mitunter sehr lange dauern kann, bis eine Sozialwohnung frei wird. Viele Bewerber, so die Beobachtung in der Stadtverwaltung, verließen sich auf die Stadt, würden auch selbst nicht mehr aktiv nach Wohnraum auf dem freien Markt suchen. Und manche seien auch partout nicht bereit, die Stadt zu verlassen und nach etwas günstigerem Wohnraum im Landkreis zu suchen. Und noch etwas gestaltet die Sache schwierig: Antragsteller hätten oftmals „unrealistische Vorstellungen“ davon, was sie an Miete zu zahlen bereit seien.
Und deshalb fällt auch die Prognose des Sozialamts nicht sehr rosig aus: Freising werde auch weiterhin einen starken Zuzug verzeichnen, die Lage auf dem freien Mietmarkt und auch bei den Sozialwohnungen bleibe daher sehr angespannt. Wohnprojekte der Stadt Freising werden zwar für eine gewisse Entspannung sorgen, der Bedarf an Sozialwohnungen werde aber bestehen bleiben und sogar weiterhin zunehmen.
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom März 2021.
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