Bayrisch-Kretische Synthese
Das facettenreiche Leben und Wirken des Georg Schönberger

Dass ein Mensch dafür dankbar ist, in recht bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen zu sein, kommt eher selten vor. Der bildende Künstler Georg Schönberger, der gerade 80 geworden ist, ist so ein Mensch und er lebt, trotz so mancher Erfolge, noch heute ohne besonderen Luxus im alten Schulhaus in Volkmannsdorf, wo er jede Menge Platz für sein künstlerisches Schaffen hat. Reichtum reflektiert sich für ihn nicht in Statussymbolen, sondern in sinnvollen Inhalten und vor allem im Machen, und  dies in vielerlei Hinsicht. Die Wurzeln dafür liegen bereits in seiner frühesten Kindheit.

Da nur wenige Jahre nach seiner Geburt der 2. Weltkrieg ausbrach und ein Überleben in einer Großstadt wie München äußerst gefährdet war, brachten ihn seine Eltern sicherheitshalber zu den Großeltern in die Oberpfalz, wo ein komplett anderes Leben auf ihn wartete. Es gab weder Strom, noch Radio, noch eine Zeitung, stattdessen aber viel unberührte Natur, die erobert und erforscht sein wollte. Zudem hatten die Großeltern mit ihrer Landwirtschaft alle Hände voll zu tun, so dass kaum Zeit für den Enkel blieb. Doch genau deshalb war er ganz auf sich allein gestellt und lernte, dass er sich schon selbst etwas einfallen lassen muss, wenn er etwas bewirken will. Eine bessere Basis für einen späteren Künstler ist kaum denkbar.

Um ein solcher zu werden, musste er zunächst das Gymnasium und später die Universität sowie die Akademie besuchen. Dies absolvierte er in München, die Akademie sogar als Meisterschüler von Franz Nagel, der unter anderem  die Martins-Kapelle im Kardinal-Döpfner-Haus in Freising gestaltete. Nicht nur Nagel vermittelte ihm erste Einblicke in architekturbezogenes Arbeiten, auch seine Aufenthalte als Werkstudent bei einem Kirchenmaler im Allgäu brachten ihm weitere Kenntnisse ein, was in der Folge zu zahlreichen Aufträgen von Kirchen, Banken und der Industrie führte. Schließlich arbeitete er sogar über einige Jahre mit der renommierten Mayer’schen Hofkunstanstalt in München zusammen, was ihm zusätzlich zu internationalen Aufträgen verhalf. Das wohl aufregendste Engagement war für den neuen Kulturpalast in Riad / Saudi-Arabien Entwürfe für die Innenraumgestaltung zu zeichnen. Um diese verwirklichen zu können, befasste er sich zunächst mit der orientalischen Ornamentik und der arabischen Sprache. Nach drei langen Jahren, zahlreichen Flügen und so manchen Diskussionen konnte er seine Pläne endlich realisiert sehen.

Doch Schönberger zählt glücklicherweise nicht zu den Propheten, die im eigenen Land nichts gelten. Erst vor wenigen Monaten stand er noch auf dem Baugerüst an der Fassade des Feuerwehrhauses von Bruckberg, wo er ein knapp fünf Meter hohes Wandbild des Heiligen Florian in leuchtenden Vinyl-Farben und mit viel Verve realisierte. Ganz besonders freute er sich bei dieser Gelegenheit, dass er endlich mal wieder auf einem Gerüst stehen und arbeiten durfte.

Was Georg Schönberger kennzeichnet, ist die Dualität zwischen seinem zupackenden, lebenslustigen Wesen und seinem feinsinnigen Empfinden. Ersteres ist für einen Bayern durchaus typisch, letzteres wird üblicherweise von einem Künstler erwartet. Doch bei Schönberger kommt noch ein besonderer Aspekt dazu. Seit er 1958 im Rahmen einer Studienreise zum ersten Mal auf Kreta war, fuhr er fast in jedem Jahr, oft für längere Zeit, auf diese Insel, auf der die Finessen der griechischen Antike in massierter Form zu bewundern sind. Aber nicht nur die, auch die extrem gegensätzlichen Landschaften, die die Menschen dort geprägt haben, beeindruckten  ihn. Im Lauf der Jahre schloss er so manche Freundschaften mit Bauern, Fischern und Hirten, was letztlich sein Leben dort beeinflusste. Diese archaische, bukolische Welt, die durchaus Parallelitäten zu den Kinderjahren in der Oberpfalz aufweist, schlug sich markant in seinen Werken nieder. So avancierte Georg Schönberger zu einem Wanderer zwischen den Kulturen, der mit kraftvollem, expressiven Duktus und klassischem Feingefühl eine Synthese von Bayern und Kreta generiert. Seine Affinität zu Kreta führte sogar soweit, dass er in Volkmannsdorf begann, Schafe zu züchten und selbst Käse herzustellen. Spätestens damit ist der Kreis zu seiner Kindheit geschlossen und wird nachvollziehbar, weshalb er für die kargen Jahre dankbar ist, sie machten ihn selbstständig und autonom.

Wie er all die Eindrücke aus seinem facettenreichen Leben mit viel Kreativität und Disziplin in Kunstwerke transferierte, ist nun in einer Ausstellung im Alten Gefängnis zu sehen. In den letzten Monaten recycelte er die Mallappen, die er für das Wandbild des Heiligen Florian benutzte. Auch diese waren bereits wiederverwendeter Stoff, ein abgetragenes Hemd. Dessen vollgekleckste Segmente fungierten als Grundlage von Materialbildern in der Form, als die Stoffteile auf Platten kaschiert wurden, um so als Ausgangspunkt für freie Kompositionen zu dienen, die sich ganz in den feurigen Restfarben des Heiligen Florian bewegen.

Natürlich sind in der Ausstellung auch Gemälde von Engeln zu sehen, ein Thema, das Schönberger seit Jahrzehnten fesselt. Diesmal zeigt er seine Serie zu den Engeln aus der Offenbarung, die ihre Schalen des Verderbens ausgießen. Mit den Übersetzungen in seine auf das Wesentliche konzentrierte Bildsprache transferierte er die frühmittelalterlichen Buchmalereien in die heutige Zeit. Ein Beispiel für all die Bilder, in denen er sich mit der Natur auseinandergesetzt hat, ist das große, vierteilige Werk zu den vier Jahreszeiten.

Aber Schönberger ist bei weitem nicht nur der Realität verpflichtet. In seinen informellen Arbeiten tritt sogar sein Farbgespür und seine Experimentierfreude noch viel mehr in den Vordergrund. So gibt es Drucke mit seltsam geformten Kartoffeln zu sehen, leichte Federzeichnungen von massiven Holzstrukturen und sogar farbig gefasste Holzskulpturen, zu denen er sich von gespaltenem Brennholz anregen ließ. Mit all diesen vollkommen unterschiedlichen Exponaten werden nicht nur die verschiedenen Schaffensperioden des Georg Schönberger nachvollziehbar sondern auch sein reicher Erfindergeist  jenseits von jeglichen Moden und Strömungen.

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom März 2016.
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