Auf der Suche nach einer besseren Welt
Laura Mayer engagiert sich als Kreativschaffende und Aktivistin

Wer ist Laura Mayer, und wenn ja, wie viele? Das in Eching beheimatete Multitalent engagiert sich so vielseitig, dass es auf den ersten Blick kaum zu glauben ist, wie ein und dieselbe Person in so unterschiedlichen Bereichen zu Werke gehen kann. Sie selbst hat das für sich mit einer schlauen Benennung gelöst, indem sie all ihre Facetten unter der Berufsbezeichnung Kreativschaffende bündelt. Als solche bezeichnet sie sich als positiven Menschen, der ständig auf der Suche nach einer besseren Welt ist und gerne Probleme in einer utopisch wirkenden Darstellung aufdeckt, sowie als Aktivistin, die mit visueller Sprache kommuniziert. Sie hat sich der Klimaschutzbewegung Extinction Rebellion und den Fridays for Future angeschlossen, hat beispielsweise für eine Kampagne in Wien die Gestaltung übernommen. Ferner setzt sie sich für aktuelle Probleme, wie sie etwa durch den Krieg in der Ukraine entstehen, ein. Auch versucht sie permanent ihren Bekannten im privaten Umfeld die Augen zu öffnen. Um ihre Ideale und Ideen zu transportieren, nutzt sie ihre Potenziale als freischaffende Illustratorin, Designerin, Bildende Künstlerin. Wir wollten wissen, wie das alles zusammengeht und haben uns mit der ebenso umtriebigen wie charmanten 28-Jährigen getroffen.

Ein wesentliches Merkmal Ihrer Werke ist die pointierte, kritische Auseinandersetzung mit hochaktuellen gesellschaftspolitischen Themen, so etwas fällt nicht vom Himmel, sondern bedarf einer fundierten Grundlage. Was hat Sie dazu bewogen, sich bildnerisch auszudrücken?
Mein Großvater war ein begnadeter Zeichner, vor allem Karikaturen, und hat seinerzeit auch die Studentenzeitung illustriert. Gemeinsam mit ihm habe ich schon in sehr jungen Jahren gezeichnet. Ebenso habe ich immer gerne gebastelt. Als Kind habe ich über sechs Jahre lang an einem wöchent lich stattfindenden Malkurs an der VHS Eching teilgenommen. Dort standen vor allem der Spaß am Schaffen sowie das Ausprobieren von verschiedenen Techniken im Vordergrund. Gleichzeitig genoss ich die Musikalische Früherziehung an der Musikschule Eching. Tatsächlich spiele ich noch heute gemeinsam mit meiner Mutter Cello, und zwar bevorzugt barocke Literatur. Letztendlich gibt es keinen konkreten Auslöser, der mich zur Kunst gebracht hat. Ich habe mich dabei einfach immer wohl gefühlt und wollte mich stets visuell ausdrücken.

Dementsprechend haben Sie ja dann auch eine sehr geradlinige Ausbildung verfolgt.
Während meiner Schulzeit am Camerloher- Gymnasium in Freising war Kunst mein liebstes Fach, das ich auch als Abiturfach gewählt und damit schon recht früh meinen Schwerpunkt darauf gesetzt habe. Schade nur, dass ich als G8-Jahrgang keinen Leistungskurs belegen konnte. Eigentlich wollte ich mich für ein Studium der Freien Kunst an der Akademie in München bewerben, bin dann aber zufällig ins Kommunikationsdesign-Studium an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in München gerutscht und dabei geblieben, weil mir die angewandte Seite sehr gefallen hat. Dann habe ich aber doch recht schnell bemerkt, dass Grafikdesign nicht das Wahre für mich ist, weshalb ich mich sehr intensiv der Illustration zugewandt habe. Für mich trifft sich dort die praktische, angewandte Seite von Design mit dem freien Charakter der Kunst. Deshalb habe ich meinen Master of Design in Illustration dann an der Glasgow School of Art gemacht, weil es einerseits in Deutschland kaum eine derartige Möglichkeit gibt und weil ich andererseits gerne in ein englisch- sprachiges Land wollte. Die Werkstätten dort und der Fokus auf Konzeptarbeit und eine theoretische Vorbereitung der Arbeit sind super. Leider nur wurde meine Zeit dort durch Corona ein wenig ausgebremst. Zu der Zeit habe ich mich sehr zu Bilderbuch-Illustration hingezogen gefühlt, was mir immer noch viel Spaß macht, aber derzeit nicht mein Fokus ist.

Sie haben vor vier Jahren das mit viel Liebe zum Detail generierte Bilderbuch ‚Die Wunderung‘ herausgegeben, in dem so elementare Themen wie gegenseitiger Respekt, Tierschutz, Insektensterben, Plastikmüll, Medienfreiheit oder Lebensmittelverschwendung behandelt werden, erfreulicherweise nicht mit erhobenem Zeigefinger sondern durchaus mit Humor. Durch das 50 Seiten starke, gründlich recherchierte Oeuvre führt ein gewisses Grumml, das im Lauf der Zeit immer freundlicher und umgänglicher wird, eine wunderbare Metapher für die Bedeutung des menschlichen Miteinander. Voller Optimismus steht im Schlusswort zu lesen: „Eine Welt ohne unnötige Überflüssigkeiten. Eine Welt, die Sinn ergibt. Eine Welt voller Wunder.“ Das klingt beinahe wie ein ganz persönliches Credo.  Warum transferieren Sie ihre Gedanken und Ideen bevorzugt in Bilder?
Kunst hilft mir, die Konzepte die ich darstellen will, zu begreifen. Wenn ich in einem Denkprozess bin, um beispielsweise einen Sachverhalt zu verstehen, dann denke ich in Bildern oder Scribbles. Wenn der Sachverhalt komplex ist, dann bewegen sich meine Gedanken meistens auf Analogie- und Metapher-Ebene, um es simpler zu machen. Es fühlt sich so an, als könnte mein Gehirn es anders nicht abbilden. Und diese Gedankenabbildungen muss ich dann aufs Papier bringen, so dass ich sie tatsächlich sehen kann, anstatt sie mir nur vorzustellen. Mit meiner Kunst erreiche ich, meine Logik abzubilden, um sie schließlich selbst zu verstehen. Mein Schaffen ist also gleichzeitig mein Mittel zum Verstehen beziehungsweise Hinterfragen und das Endprodukt des Verstehens wie Hinterfragens. Kunst schafft einen Raum für die Ideen und Situationen, die im realen Leben leider scheinbar zu naiv, zu optimistisch und zu idealistisch sind. Ich glaube, ohne diesen Raum wäre ich relativ zynisch, negativ und pessimistisch der Welt gegenüber eingestellt. In einer gewissen Weise will ich also mit meiner Kunst erreichen, mir mein positives Weltbild zu bewahren.

Und genau dieses wollen Sie auch Ihrem Publikum vermitteln?
Dieses positive Weltbild zu bewahren, ist nicht nur das Ziel für mich selbst, sondern genauso ein allgemeines. Ich habe eine große Leidenschaft für die Bewältigung der Klimakrise, für Menschenrechte, für Gleichberechtigung. Ich betrachte es als meine Art einen Beitrag dazu zu leisten, indem ich als Kommunikatorin, Fürsprecherin und Übersetzerin agiere. Damit will ich eine neue Realität initiieren, neue Perspektiven hinsichtlich alter, überholter Ideen aufzeigen, Bilder für tatsächliche Alternativen schaffen und Ziele und Indikatoren für eine blühende Gesellschaft aufzeigen. Ich möchte die Fähigkeit der Kunst nutzen, Menschen auf emotionale, intuitive, aber gleichzeitig kognitive Weise anzusprechen. Damit will ich das Publikum neugierig machen, die Gehirne ein bisschen kitzeln, so dass sie die angestoßene Thematik selbst weiterdenken wollen.

Haben Sie, um dies zu animieren, für die Entwicklung Ihrer Bilder ein spezielles Konzept entwickelt?
Meine Kunst basiert ausschließlich auf Informationen, Sachverhalten, Konzepten oder bestehenden Methoden und Prozessen, sei es ein alternatives Wirtschaftsmodell, gesellschaftliche Normen, ein Perspektivwechsel oder Fakten zu einem Thema. Diese will ich hinterfragen, neu denken und ins Visuelle übersetzen. Ich hoffe, damit einen Zugang zu diesen Thematiken zu schaffen, die oft sehr theorielastig sind und die wir zwar verstehen, aber nicht ganzheitlich mit unserem Körper begreifen können. Ich nehme dabei keine Rücksicht auf die Frage, ob etwas tatsächlich möglich oder realistisch umsetzbar ist. Das erstickt meiner Meinung nach viele Ideen im Keim.

Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte, heißt es so trefflich; möchten Sie mit ihrer Arbeit die Vorstellungskraft ihres Publikums anregen?
Was mir persönlich an Kunst als Kommunikationsmethode so gut gefällt, ist, das ich damit leicht einen Weg aufzeigen kann, wie man aus dem Zustand, der verändert werden soll, herauswächst, anstatt gegen ihn anzukämpfen. Dies folgt dem Prinzip, dass alles, dem man seine Aufmerksamkeit schenkt, sich ausdehnt. Die perfekte Möglichkeit, eine neue Realität zu schaffen, besteht darin, die Vorstellungskraft der Menschen anzuregen und etwas sichtbar zu machen, das vielleicht noch unsichtbar ist. Mit all meinen Arbeiten möchte ich dazu beitragen, eine solche neue Realität zu schaffen; eine, die nicht auf der Ausbeutung von Menschen und Planeten basiert, sondern auf sozialen, nahhaltigen und gerechten Werten beruht. Ich möchte Leute motivieren, Gleichgültigkeit und Leugnung hinter sich zu lassen und stattdessen neue Perspektiven zu finden. All dem nähere ich mich mit Humor und ein bisschen Verdrehtheit, denn ich halte die Einbeziehung von Spiel, Spaß und Experiment in Aktivismus für entscheidend. Außerdem will ich, dass meine Kunst Spaß macht.

Sie haben in den letzten Jahren an einigen Ausstellungen zwischen Schottland und Österreich zu den Themen Umweltund Klimaschutz teilgenommen und wurden dafür mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Zuletzt haben Sie sich mit ein paar Kunstschaffenden aus Freising für das Projekt Semikola zusammengeschlossen, das im März mit einer Ausstellung und einem Konzert vorgestellt wurde. Wird diese Kooperation fortgesetzt oder haben Sie anderweitige Pläne in nächster Zukunft?
Ja, auf jeden Fall. Die nächste Semikola- Ausstellung wird noch in diesem Jahr im Künstlerhaus Andreasstadel in Regensburg stattfinden; sobald der Termin steht, wird er auf der Website www.semikola.net veröffentlicht. Darüber hinaus war ich in den letzten Wochen und Monaten mit der Illustration eines neuen Kinderbuches beschäftigt, das in den nächsten Wochen erscheinen wird. Unter dem Titel „shape me beautiful“ thematisiert die Autorin Magdalena Mayr Phänomene wie andersartig sein, sich in seinem Körper wohlfühlen oder sich selbst akzeptieren in einer kurz gereimten Geschichte für Kinder. Sobald das Buch erschienen ist, werde ich es auf meiner Website www.lauramayer.space veröffentlichen.

Interview: Elisabeth Hoffmann

Fotos: Mayer   

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Juni 2022.
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