Dieses Wort liest man ja gerade überall und es wäre ein sehr heißer Kandidat für das jährlich gewählte Unwort des Jahres. Obwohl – noch ist ja viel Zeit, bis sich das Jahr zu Ende neigt. Mal abwarten. Was man auf jeden Fall schon mal sagen kann, die neuen 20er Jahre fangen nicht so golden an wie ihre nostalgischen Vorgänger. Besonders hart trifft es dabei auch die Welt der Kunstschaffenden.
Nicht wenigen wird es wohl so gehen, dass sie noch einige Eintrittskarten für verschiedene Veranstaltungen zuhause an der Pinnwand haben, die dort auf ihren Einsatz warten. Tickets für Konzerte, Kabarett und Theatervorstellungen, auf die man sich schon lange freut. Da geht es Zuschauern und Künstlern im Moment wohl ähnlich: Wird die Vorstellung sein oder nicht sein – Das ist hier die Frage?
Seit Mitte März bis zum 31. August bleiben die Vorhänge also erstmal zu, soviel scheint sicher. Und sie bleiben leer – „die Bretter, die die Welt bedeuten“. Auch wenn Geld in einem Theater nie die Hauptrolle spielen sollte, stellt diese ungewöhnliche Situation alle Theater, Tourneebetriebe und besonders die vielen kleineren, teils privatwirtschaftlich geführten Kulturhäuser vor äußerst große Herausforderungen.
Viele Kunstschaffende nutzen deshalb jetzt verstärkt das Internet und soziale Medien. Um ihr Publikum mit teilweise täglichen Posts, Videos, Lifestreams, Podcasts und was es da sonst noch so an Möglichkeiten gibt zu unterhalten, ist Kreativität gefragt.
Ganze Theaterstücke werden live gestreamt (für diejenigen, die mit dem Begriff streamen jetzt nichts anfangen können, das ist, wenn ein Inhalt der… also der nicht auf einem Gerät ist, wiedergegeben wird ohne…. ach, googeln Sie es einfach!) Eindrucksvoll zeigt sich der große Zusammenhalt auch in schwierigen Zeiten und dass die Liebe zur Kunst sowie der Drang, Menschen zu unterhalten, keine Krise kennen. Und trotzdem – auch wenn es uns die Zeit, in der wir in den eigenen vier Wänden festsitzen, versü.t, geht doch nichts über das Live-Gefühl. Man sehnt sich nach dem gemeinsamen Lachen, Weinen, Applaudieren. Und sogar fast schon ein bisschen nach dem ständig kommentierenden, herumkruschenden, hustenden (wobei das im Moment wahrscheinlich eher nicht) und die Armlehne klauenden Sitznachbarn.
Jetzt merkt man erst, dass es mit der Kultur ein bisschen ist wie mit einem gerade sehr beliebten Hygieneartikel – erst wenn er fehlt, merkt man, wie wichtig er ist. Und das Wort Rollenbesetzung bekommt plötzlich eine ganz neue Bedeutung.
Aber nicht nur die Welt der Profis hat Corona hart getroffen, sondern auch die vielen größeren und kleineren Amateurtheatervereine, die meist Jahr für Jahr mit viel Engagement, Leidenschaft und Herzblut in unzähligen ehrenamtlichen Stunden liebevolle Inszenierungen auf die Beine stellen.
Hier ist es Gott sei Dank nicht existenziell für den Einzelnen, aber dennoch kann es in der aktuellen Lage zum finanziellen Kraftakt für den einen oder anderen Verein werden. Da fällt es nach Wochen und monatelanger Arbeit sowie all der Vorfreude schwer zu sagen: „Abgesagt!“.
In Freising haben wir eine besonders ausgeprägte und reichhaltige Amateurtheaterlandschaft. Von Volkstheater über Klassiker, Zeitgenössischem bis hin zum Musical sind alle Genres vertreten, die die Theaterwelt zu bieten hat. Aber wie ist es den Vereinen in und um Freising bisher ergangen? Um hier ein Bild zu bekommen, lohnt es sich, die Stimmen einiger Verantwortlicher zu hören.
Mundschutz war bei den Interviews im Übrigen nicht nötig: Der Mindestabstand wurde jeweils eingehalten im Telefongespräch mit Walter Thumann (Regisseur Theater Giggenhausen), Helmut Schranner (Initiator der Inszenierung „Der Brandner Kasper und das ewig Leben“ in Nandlstadt), Wolfgang Schnetz (diesjähriger Regisseur und 2. Vorsitzender der Laienbühne Freising e.V.), Walter Tasin (Theaterleiter des Verein Frohsinn Lerchenfeld), Daniela Lederer (Vorsitzende des Theatervereins Attaching) und Norbert Huber (Intendant und musikalische Leitung des Freisinger Musicalsommers).
Welches Stück hätte uns oder wird uns noch erwarten?
Walter Thumann:
„As Glück is a Matz“ eine bayerische Neufassung von Winfried Frey nach dem Klassiker „Lumpazivagabundus“ von Johann Nestroy. Das Stück wäre mit einigen musikalischen Einlagen, 18 Darstellern und drei Bühnenbildern eine – wenn nicht die – aufwendigste Inszenierung der Vereinsgeschichte gewesen.
Helmut Schranner:
„Der Brandner Kaspar und das ewig Leben“ in der Fassung von Kurt Wilhelm spielen wir anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Musikschule Papageno und zum 20-Jährigen der Holledauer Musikanten. Bei dem Projekt wirken weit über 80 Personen aus dem gesamten Landkreis mit. Wir haben Livemusik, zahlreiche Jagdhornbläser und besonders freut es mich, dass wir mit Steffi Baier eine renommierte Profiregisseurin gewinnen konnten.
Wolfgang Schnetz:
Eine Altmünchner Komödie aus der Feder des Autoren Franz Gischel mit dem Titel „Die kleine Welt“. Das äußerst unterhaltsame Stück gehört zum gehobenen Volkstheater. Es wirken elf Darsteller mit und da es sich anbietet, werde ich die Handlung nach Freising verlegen, um mehr Lokalkolorit zu ermöglichen!
Walter Tasin:
Wir sind aktuell noch in der Stückfindung. Diese ist abhängig von der Anzahl der Personen, die gerne mitwirken möchten.
Daniela Lederer:
„Alte Liebe rostet nicht“ einen Dreiakter von Hans Lellis mit acht Darstellern, für den wir seit Anfang Januar geprobt haben!
Norbert Huber:
Das Musical heißt “Natürlich Blond” und beruht auf dem gleichnamigen Film. Es ist voller schöner und eingängiger Lieder und ist vom musikalischen Aufbau das bewegendste Stück, das ich je gehört habe! Die sieben Vorstellungen mit rund 100 Darstellern waren ab Juni diesen Jahres in der Luitpoldhalle geplant.
An welchem Punkt der Produktion habt ihr entschieden oder wart gezwungen abzubrechen?
Walter Thumann:
Es gab noch eine sehr vielversprechende Generalprobe, und wir mussten dann am Freitag, den 13. März, nach Rücksprache mit Vorstand, Gemeinde Neufahrn und mir als Regisseur leider schweren Herzens unsere Premiere am 15. März absagen.
Helmut Schranner:
Es war leider notwendig, den Probenprozess vier Wochen vor der Premiere abzubrechen und jetzt wurden bereits Gespräche mit der Gemeinde Nandlstadt geführt, um die geplanten 14 Vorstellungen in der Hopfenhalle nachzuholen. Im Juni/Juli oder auch im September, wie das zunächst einmal als Möglichkeit ins Auge gefasst wurde, wird es aber nichts. Eventuell müssen wir auf 2021 ausweichen. Aber aufführen werden wir den „Brandner Kaspar“ auf jeden Fall.
Wolfgang Schnetz:
Zum Zeitpunkt der Absage waren wir für dieses Jahr noch in der Anfangsphase der Vorbereitungen. Die Textbücher wurden bearbeitet und erste Gespräche mit dem Verlag geführt sowie mit den Verantwortlichen für Bühnenbild und das Plakat. Am 17. März hat die Vorstandschaft dann entschieden, die Produktion auf Herbst 2021 zu verlegen.
Walter Tasin:
Wir haben aufgrund der Beschränkungen noch nicht mit der Probenarbeit begonnen. Die finale Entscheidung, ob wir in diesem Jahr überhaupt auftreten, werden wir in der nächsten Vorstandssitzung fällen. Da der Verein Frohsinn heuer sein 100. Jubiläum und der Theaterstadel seinen 95. Geburtstag feiert, wird es eine schwierige Entscheidung werden.
Daniela Lederer:
Nach der Hälfte der Probenarbeit mussten wir leider abbrechen. Wir waren bis zu diesem Zeitpunkt noch in unserem Probenraum im Attachinger Gewerbegebiet.
Norbert Huber:
Am 15. März mussten wir mit Beginn der Ausgangsbeschränkung unseren Probenbetrieb einstellen. Dieser lief bereits seit Juli 2019 im Pfarrheim Sankt Lantpert. Die Proben der Solisten waren zum Moment des Stopps musikalisch bereits abgeschlossen und es fanden schon erste Proben zusammen mit dem Chor statt. Insgesamt waren die Vorbereitungen der gesamten Produktion schon weit fortgeschritten. Wichtige Bestandteile wie beispielsweise Bühnenbild und Kostüme waren bereits zu etwa 50 Prozent fertig.
Wie ist die Stimmung in der Truppe und wie wird es weitergehen?
Walter Thumann:
Diese lange gemeinsame Zeit und Arbeit nicht abschließen zu können war ein eigenartiges Gefühl,und die Enttäuschung war natürlich erstmal sehr groß. Wir haben dann aber gesagt: “Wir hätten es hingebracht – jetzt erst recht!” und haben entschieden, das Stück 2021 aufzuführen. Da nach einem Jahr sicher einiges des Erlernten wieder weg ist, werden wir ganz regulär wieder mit den Proben starten und haben dann vielleicht noch etwas mehr Zeit für das Feintuning (lacht). Da bereits alle sieben Vorstellungen ausverkauft waren, sind wir sehr zuversichtlich, dass der Verkauf auch nächstes Jahr wieder gut laufen wird und sich das Publikum gemeinsam mit uns umso mehr auf die Aufführungen freut.
Helmut Schranner:
Wir hoffen jetzt alle, dass die Vorstellungen in diesem Jahr noch klappen werden und das Publikum die bisher 5200 verkauften Karten für einen der Ersatztermine behalten wird. Bisher wurden davon zum Glück kaum welche zurückgegeben. Das ist bei unseren hohen Produktionskosten von rund 85.000 Euro und dem Ziel, wieder eine möglichst hohe Summe für einen guten Zweck spenden zu können, enorm wichtig. Das gesamte Team und ich sind positiv und es stehen alle voll und ganz hinter der Produktion. Man kann bereits jetzt sagen, dass es eine großartige Aufführung werden wird, und sobald wir wieder loslegen dürfen, starten wir mit voller Energie in die Endproben. In der Zwischenzeit finden unter Berücksichtigung der Auflagen viele größere und kleinere Arbeiten im Hintergrund statt wie etwa Bühnenbildmalerei, Programmheft und vieles, vieles mehr.
Wolfgang Schnetz:
Das ganze Ensemble hatte großes Verständnis für die Entscheidung. Auch der Verlag war kulant und hat meine Entscheidung mitgetragen, die Aufführungen um ein Jahr nach hinten zu verschieben. Nach 31 Jahren, in denen die Laienbühne jährlich eine, in manchen Jahren sogar zwei Produktionen gestemmt hat, werden wir jetzt die Zwangspause nutzen, um Kraft zu tanken. Zudem gibt es ja auch einige Dinge, die während der Zeit etwas untergehen. Wir haben beispielsweise seit unserem Auszug aus dem Asamtheater noch einiges in unseren neuen Lagerräumen zu tun, und dafür werden wir unter anderem die Zeit nutzen. Nächstes Jahr im März starten wir dann wieder mit voller Kraft in die Probenarbeit.
Walter Tasin:
Die Chancen, dass unsere Aufführungen stattfinden, sinken leider mit jedem Tag und wir suchen nach Alternativen für öffentliche Veranstaltungen. Auch die Frage, wann wir wieder in den Grünen Hof dürfen, in dem ja nicht nur unsere Vorstellungen, sondern auch die Proben stattfinden, ist derzeit unklar. Wir hoffen, jetzt einen Teil der vielen geplanten Feierlichkeiten zu unserem 100-jährigen Vereinsbestehen durchführen zu können. Mich freut es, zu sehen, dass wir ein starkes Team sind – und deshalb wird es Lösungen geben! Wir sind zuversichtlich, dass zumindest unsere Weihnachtsfeier mit zugehörigem Theaterstück, das wir für uns und einen befreundeten Verein jedes Jahr inszenieren, stattfinden kann!
Daniela Lederer:
Geplant ist, dass wir unsere Aufführungen auf Herbst 2020 verlegen und dann alle zwölf Vorstellungen nachholen können. Alle Darsteller und Mitwirkenden – von Souffleuse über Maske bis hin zum Pausenverkauf sind insgesamt zirka 20 Personen an unserer Produktion beteiligt – sind hoch motiviert und würden sich sehr freuen, wenn wir heuer noch gemeinsam auf der Bühne stehen könnten. Sobald es mehr Klarheit gibt, spätestens aber Ende Juli, werden wir in der Vorstandschaft eine Entscheidung treffen müssen. Als Vorlauf zu den Vorstellungen bräuchten wir zirka noch sechs Wochen für die Proben und um mit dem Kartenverkauf zu starten. Sollte es 2020 nicht mehr klappen, werden wir das Stück zu unserer gewohnten Spielzeit 2021 zur Aufführung bringen. So oder so – unseren Turnus wollen wir beibehalten.
Norbert Huber:
Unsere Vorstellungen werden jetzt vom 10. bis 14. Juni 2021 stattfinden. Bis dahin wird sich das Ensemble, sobald es wieder erlaubt ist, einmal im Monat treffen und dann ab Januar wieder wöchentlich. Das ist sehr wichtig, um die Gruppe und den Teamgeist aufrecht zu erhalten. Außerdem wollen wir vermeiden, die bisherigen Probenerfolge zu verlieren. Etwas schwierig gestaltet sich gerade die Suche nach einer geeigneten Lagermöglichkeit für die bereits fertigen Kulissen. Wir freuen uns alle sehr, wenn es weitergeht: Es wird bestimmt eine richtig unterhaltsame und witzige Show.
Man sieht also, die Freisinger Theatermacher lassen sich von der unfreiwilligen Pause so schnell nicht unterkriegen. Auch der große Shakespeare zum Beispiel musste anno 1600 und noch irgendwas (weiß irgendwie keiner mehr so genau, aber ist ja auch schon ein bisschenher) wegen der Pest für mehrere Monate sein Globe Theatre schließen. Angeblich hat er in dieser Zeit seine Tragödie “King Lear” verfasst. Wer weiß also, was in dieser Zeit der Quarantäne noch alles entsteht und dann vielleicht in 400 Jahren … Ja gut, ist jetzt etwas weit gedacht, aber wer weiß. Doch eines ist ganz sicher: Es gibt ein Virus das deutlich stärker ist als Corona – das Theatervirus! Und dafür braucht man dann auch kein Medikament, sondern nur viele Zuschauer, die sich wieder genauso auf die zahlreichen kulturellen Angebote freuen, wie die Künstler.
Wer sich jetzt fragt, wie man den vielen Theatervereinen, großen und kleinen Theaterhäusern und Solokünstlern helfen kann, dem sei empfohlen, sobald Veranstaltungen wieder bedenkenlos möglich sind, viele Karten zu kaufen. Dann machen Hamsterkäufe zum ersten
Mal so richtig Sinn!
Wenn Sie bereits welche haben, tauschen Sie diese nicht um, sondern nehmen Sie die Ersatztermine wahr. Falls Termine ganz ausfallen müssen: Vielleicht kann der ein oder andere den Eintrittspreis als kleine Spende verkraften. Die Künstler werden es sicher danken – auch wenn das wichtigste Brot des Künstlers natürlich der Applaus bleibt. Es bleibt also zu hoffen, dass unsere kleine Welt sich bald wieder a bisserl beruhigt, das Glück nicht mehr ganz so eine Matz ist und der Boandlkramer sich wieder mehr auf das Karteln und der Kerschgeist besinnt.
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Mai 2020.
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