Die Chronik beginnt im Jahr 1674 in Murnau mit dem Metzger Benno Werkmeister, dessen Nachkomme Josef Mitte des 19. Jahrhunderts dank einer akademischen Malerausbildung und eines fürstlichen Empfehlungsschreibens nach Petersburg an die Kunstakademie gerufen wurde. Obwohl er das Studium dort nie aufnahm, soll er, so die Überlieferung, „neben anderen großen Aufträgen zweimal den Zaren Alexander gemalt haben.“ Mit seinem Bruder Vinzenz, der ihm gefolgt war, ließ er sich zunächst in Saratow nieder, wo sie gemeinsam ein Fotoatelier eröffneten. Vinzenz holte 1874 seinen 15-jährigen Neffen Jakob nach Russland und lehrte ihm das Handwerk der Fotografie. 1880 entließ er ihn nach Deutschland, damit dieser dort seinen Militärdienst leisten konnte. Hier zog es Jakob zu seiner zu diesem Zeitpunkt bereits verwitweten Mutter nach Freising.
Bald darauf, im Jahr 1889, ehelichte er die Moosburger Metzgerstochter Babette Mühldorfer, erwarb das Haus in der Amtsgerichtsgasse und machte sich selbstständig. Mit der Geburt der Söhne Jakob und Max in den Jahren 1893 und 1900 war das neue Glück perfekt. „Großvater hat nach seiner Rückkehr aus Russ-land zielstrebig und mit Umsicht den Aufbau eines eigenen Fotoateliers geplant“, hält sein Enkel in der Chronik fest. „Der Erwerb des Hauses an der Freisinger Amtsgerichtsgasse im April 1889 hat die Voraussetzung für seine Selbstständigkeit geschaffen. Die Mitgliedschaften in den wichtigen Vereinen, der Freiwilligen Feuerwehr, der Turnerschaft Jahn und der königlich privilegierten Feuerschützen waren zusätzlich geeignet, ihm Anerkennung in der Freisinger Gesellschaft zu sichern.“ Die Kunstfertigkeit des Freisinger Fotografen sprach sich rasch herum und so erhielt er am 08. März 1902 den Titel eines königlich bayerischen Hoffotografen.
Mit dem Ersten Weltkrieg endeten die unbeschwerten Tage der Familie in Freising, als der ältere Sohn ins Regiment eingezogen und ab 1917 vermisst wurde. Den jüngeren Max konnte der Vater mittels eines Bittbriefs davor bewahren, aus einer Reserveeinheit an die Front geschickt zu werden. Damit hatte sich das Atelier Werkmeister die Nachkommenschaft gesichert. Als Kind stets zu Streichen aufgelegt, hatte Max den humorvollen Charakter des Vaters geerbt. „Es ist überliefert,“ berichtet die Chronik, „dass die (Feuerwehr-) Uniform schon lange vor seinem 16. Geburtstag fertig war. Und weil er so begeistert war, wollte er sie natürlich auch unbedingt bei einem Einsatz ausprobieren. Großvater, der ja Kommandant war, hatte dies aber verboten, weil Papa zu jung war. Dieser fuhr jedoch bei nächster Gelegenheit heimlich mit zu einem Einsatz und machte sich mit Eifer an einem Wasserhydranten zu schaffen. Als Großvater den Befehl ‚Wasser marsch‘ gab, war durch Vaters falsche Drehung das Wasser abgesperrt und Großvater brüllte ‚Was für ein Depp ist denn da am Hydrant?‘ und erhielt von einem anderen Feuerwehrmann die Antwort ‚Dein Sohn, Kommandant!‘.“
Per Haustausch zogen im November 1919 Atelier und Hausstand in die Untere Hauptstraße 18 um. „Nach Erzählungen des Vaters war das Haus in der Amtsgerichtsgasse sowohl innen wie außen ein Schmuckkästchen, ausgestattet mit Licht, fließendem Wasser, Bad und Spültoilette. Im Gegensatz dazu befand sich das Haus in der Unteren Hauptstraße in geradezu mittelalterlichem Zustand. Das Fall-klosett befand sich im Rückgebäude über einer Versitzgrube, die mehrmals im Jahr ausgepumpt wurde. Der Abwasserkanal verlief nur mit Brettern abgedeckt durch den breiten Hausgang“, hält Max Werkmeister Junior die Erinnerungen seines Vaters fest. Dennoch konnte Max Werkmeister Senior nach der Geschäftsübernahme 1935 gemeinsam mit seiner Frau Mariele, geborene Vaitl, einer quirligen und rührigen Oberlehrerstochter aus Berg bei Landshut, und seinen Töchtern Rita und Rosemarie hier ein neues Zuhause finden. Das Atelier führte Mariele mit Beginn des Zweiten Weltkriegs zunächst alleine weiter, nachdem ihr Mann zum Kriegsdienst eingezogen worden war. Trotz der Kriegswirren plante sie den Bau einer Werkstatt im Hinterhof des Anwesens. Doch nicht nur diesen Erweiterungsbau, der 1938 fertiggestellt wurde und in dem sich heute das Studio befindet, verdankte der Vater seinen daheimgebliebenen Frauen. Mit großem Mut bewahrte seine Tochter Rita das Familienunternehmen vor der Plünderung durch die Amerikaner. Gemeinsam mit einem Hausmädchen legte sie sich alte Kleider und Schürzen an, die bis zur Unkenntlichkeit entstellten, und täuschte vor, sich an der Plünderung des eigenen Ladens zu beteiligen. Dabei verstellten sie stets den durch einen Vorhang verdeckten Gang zum Wohnhaus. So gelang es, dass die Soldaten weder die Wohnung noch das im Hinterhaus liegende Atelier entdeckten.
1943 kam der Nachzügler und Stammhalter Max Junior auf die Welt. Ganz nach der Mutter kommend, machte er sich nach der Geschäftsübernahme im Jahr 1969 an die Planungen für eine umfassende Gebäudesanierung. Waren die Räume in seiner Erinnerung stets dunkel und kalt, bekam das Haus 1973 ein vollkommen neues und helleres Gesicht. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Elke, geborene Streeck, gestaltete er die Geschäftsräume noch zweimal um, zuletzt 1989 zum 100-jährigen Firmenjubiläum.
Eine Erkrankung zwang ihn jedoch dazu, beruflich kürzer zutreten und seiner älteren Tochter Anne frühzeitig den Weg zur Geschäftsübernahme zu ebnen. 1996 legte sie mit 25 Jahren die Meisterprüfung mit Auszeichnung durch den Meisterpreis der bayrischen Staatsregierung ab und übernahm nach dem frühen Tod ihres Vaters 1999 das Geschäft. Seit 15 Jahren leitet sie nun das Fotostudio Werkmeister und führt das Atelier, das ihr Urgroßvater vor 125 Jahren umsichtig plante, mit Liebe zum Detail fort. An die überlieferte Geschichte wie auch an Erlebnisse aus der jüngeren Zeit wird Anne Werkmeister am Samstag, 11. Oktober und am verkaufsoffenen Sonntag, 12. Oktober nachmittags mit Sekt und einer Geburtstagstorte erinnern. Wer weitere Anekdoten hören möchte oder selbst etwas zu dieser Chronik beizutragen hat, ist herzlich willkommen.
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Oktober 2014.
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