Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft ist eine Forschungseinrichtung mit Hauptsitz am Freisinger Campus, die direkt dem Bayerischen Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten unterstellt ist. Dort spüren 1100 Mitarbeiter aktuellen Erkenntnissen nach oder nehmen unter anderem neugezüchtete Getreidesorten unter die Lupe. Ein Besuch im Back- und Braulabor.
Am Anfang steht eine laut ratternde Labormühle. Irina Klöcker führt durch das Labor der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und erklärt lebhaft gestikulierend deren Prinzip: Zwei geriffelte Walzen liegen im Frontteil des Labormahlautomaten einander gegenüber, ohne sich zu berühren. Sie drehen sich mit einer hohen Geschwindigkeit gegenläufig und mahlen die Körner, die zwischen den Walzen hindurchfließen. „Sechs Durchgänge (Passagen) auf geriffelten und glatten Walzen sind nötig, um das Mehl immer feiner zu vermahlen und die Schale vom Korn zu trennen. Das Ergebnis sind Weißmehl und Kleie. Die Kleieschleuder holt letzte Mehlreste (Nachmehl) aus der Kleie. „Im Müllereibetrieb werden Passagemehl und Nachmehl nach Bedarf gemischt, um das Mehl dunkler zu färben und die Mineralstoffe zu erhöhen.“ Um deren Gehalt zu bestimmen, muss die Ausbeute bei 900 °C verascht werden. Übrig bleibt ein kleines Häufchen an Mineralien. Dessen ungefähre Menge in Milligramm pro 100 Gramm gibt den Mehlen im Supermarkt ihren Namen. 405, 550, 1050 – je höher die Ziffer, desto dunkler und mineralstoffreicher das Mehl. Irina Klöcker: „In der Versuchsbäckerei backen wir nur mit der Weizenmehl-Type 550.“
Das Labor, in dem die junge Frau als „Mädchen für alles“ schaltet und waltet, Führungen organisiert oder sich um Maschinenprobleme kümmert, erhält seine Aufträge aus den Fachabteilungen der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), hier von den Instituten für Pflanzenzüchtung und für Biologischen Landbau. An unterschiedlichen Standorten in Bayern finden Sortenversuche statt, bei denen neugezüchteter Weizen, Dinkel, Gerste und Roggen angebaut und nach der Ernte in dem Freisinger Labor unter die Lupe genommen werden. „Rund zehn Jahre dauert die Züchtung einer neuen Getreidesorte durch Kreuzung und Auslese, bis sie beim Bundessortenamt zur Prüfung angemeldet werden kann“, erläutert Klaus Wiesinger, Forschungskoordinator ökologischer Landbau an der Landesanstalt. Es folgen drei Jahre Versuchsanbau auf kleinen Parzellen. „In Bayern gibt es dafür 18 verschiedene Standorte. An zwölf davon wird konventioneller Ackerbau betrieben, an sechs Orten kultivieren wir ökologisch.“
Ein Laborraum reiht sich an den anderen
Weiter geht es im nächsten Laborraum. Dort wird das mit Wasser angerührte Mehl analysiert. Rückschlüsse auf die Qualität der Stärke lässt die Fallzahl zu. Beim Farinographen geht es um die Kneteigenschaften, der Amylograph misst die Verkleisterung der Stärke im Mehl, der Extensograph gibt über die Elastizität Auskunft. „Das ist alles sehr wissenschaftlich“, gesteht Irina Klöcker lachend ein, „aber ich versuche, es so anschaulich wie möglich zu vermitteln.“
Geläufiger ist Laien das Thema Protein im Weizen – der wichtigste Parameter bei den Analysen, denn das Kleberprotein (Gluten) macht die Backfähigkeit von Weizen aus. Gluten ist aber für immer mehr Menschen unverträglich. Gesamtprotein sowie Kleberprotein lassen sich analytisch bestimmen. Noch ein interessantes Detail kommt ins Gespräch. „In der Diskussion um die Backqualität steht oft noch der Protein-Gehalt des Weizens im Vordergrund“, sagt Klaus Wiesinger, „er ist aber nur eine grobe Näherung.“ Ökoweizen enthält in der Regel weniger Protein, da synthetischer Stickstoffdünger im Anbau tabu ist, die notwendige Stickstoff-Versorgung versuchen Ökolandwirte durch Fruchtfolge oder organische Düngung auszugleichen. Ein Argument gegen den Öko-Anbau? Klaus Wiesinger verneint: „Auch wenn man im Öko-Anbau selten so hohe Proteinwerte erreicht, wie im konventionellen Anbau, so gibt es doch immer mehr Öko-Weizensorten mit ausgezeichneten Backeigenschaften.“ Die Bewertung der Laborergebnisse und Anbau-Empfehlungen gelangen über Internet und Beratungsstellen zu den Landwirten.
Der Duft führt ins Backlabor
Mit den Laborwerten lässt sich eine Aussage über die Backeigenschaften des Weizens treffen; praktisch überprüft wird diese im Backlabor. Ein verführerischer Duft führt Besucher auf dem langen Gang pfeilgrad zur richtigen Türe. Dort arbeiten Norbert Ruhland und Hans Grameier Hand in Hand, beide sind sie Bäckermeister. 400-500 Semmeln backen sie täglich – alle aus jenen Weizensorten, die in der Mühle gemahlen und in den Laboren beprobt werden. Norbert Ruhland bedient den Schnellkneter, der kaum größer ist als eine übliche Küchenmaschine. Schüsseln mit den Zutaten für die Probenteige stehen bereit: je 1 kg Mehl, 5 % Hefe und genau festgelegte Mengen an Salz, Zucker und Erdnussfett. Das Kneten dauert nur eine Minute. Norbert Ruhland formt den unförmigen Teigklumpen in Windeseile zur elastischen Kugel. „In 25 Jahren habe ich mehr als 10 000 Teige geknetet und geformt – irgendwann klappt das dann“, sagt er amüsiert. Geschmeidig bewegt sich der Teig durch die Hände des Bäckers und gibt ihm Aufschluss über die Qualität der Weizensorte.
Gärzeiten und Backzeiten sind festgelegt und exakt einzuhalten: der Gärraum misst 32 Grad Celsius und 18 Prozent Luftfeuchte. Die zu Fladen geformten Teige werden in einer Apparatur in 30 Teile gestanzt, in einer anderen zu länglichen Semmeln geformt, dabei eingekerbt und in den Backofen geschoben. Hans Grameier hat derweil im Nebenraum die ersten Chargen an Semmeln vom Morgen auf Volumen überprüft und trägt die Ergebnisse am Laptop in einer Tabelle ein. „Je höher die Düngermenge, desto höher das Volumen“, stellt er fest. Neben dem Volumen der Semmeln begutachten die Bäcker etwa auch, wie sich die Einkerbung (Ausbund) beim Backen entwickelt. Bleibt der Einriss tief oder zerläuft er am Ende ganz. Daraus lassen sich weitere Aussagen über die Backeigenschaften ableiten. Hans Grameier: „Der Müller mischt das Mehl von 3-4 verschiedenen Weizensorten zur passenden Backmischung.“
Gegen 8:30 Uhr klopfen etliche Kolleginnen und Kollegen an, um nach einer Brotzeitspende anzufragen. Diese wird gerne gewährt. Immerhin sind wöchentlich 800-1000 Semmeln unters Volk zu bringen, erzählt Hans Grameier. „Frische Frühstückssemmeln gibt es bei uns jeden Tag, zweimal pro Woche beliefern wir die Tafel. Verkommen lassen wir nix. Was keiner will, bekommen die Hühner.“
(von Elisabeth Melzer)
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Oktober 2023.
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