Exploring Weihenstephan
Eine florierende Wissenslandschaft

Weihenstephan – ein Mikrokosmos mitten in Freising, dessen Renommee in der Welt widerhallt: für wegweisende Forschung, traditionsreiche Braukunst und vieles, vieles mehr. Doch wer dort nicht arbeitet oder studiert, dem entgeht oftmals die dynamische Entwicklung dieses Wissenschaftsstandorts. Es wird Zeit für einen Rundgang: Was gibt’s Neues in Weihenstephan? 

Es ist Herbst – während sich die Natur zum Schlafen richtet, geht das Leben in Weihenstephan erst so richtig los. Es ist Semesterbeginn und zahlreiche neue und altbekannte Gesichter machen sich auf ihren Weg in die Lehrveranstaltungen.

Weihenstephan wird oft als Synonym für den Standort der Technischen Universität München (TUM) und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) genutzt – auf diese beiden Einrichtungen fokussiert sich auch dieser Beitrag. Doch zum Wissenschafts- und Forschungscampus Weihenstephan zählen zum Beispiel auch das Fraunhofer- Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV), das Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie (IZB), die Staatlichen Fachschule für Blumenkunst, die Bayerischen Landesanstalten für Landwirtschaft (LfL) und für Wald und Forstwirtschaft (LWF) und die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan. In dieser Gesamtheit ist Weihenstephan ein einzigartig vielfältiger Wissenschaftsstandort.

Grünes Forschungszentrum

Weihenstephan gilt als das „grüne Forschungszentrum“ Bayerns. Das Schwerpunktprofil der TUM und HSWT liegt im Erforschen und Vermitteln von Wissen rund um Natur, Umwelt, Landwirtschaft, Gartenbau, Lebensmittel, kurzum: den menschlichen Lebensgrundlagen im Großen wie im Kleinen. Angesichts der globalen Herausforderungen in der Energie- und Nahrungsmittelversorgung, sind diese Forschungsfelder heute von fundamentaler Bedeutung.

Zurück auf Start

Die Anfänge Weihenstephans als Standort für diese gebündelten Kompetenzen liegen rund zweihundert Jahre zurück. 1803 wurde das Benediktinerkloster Weihenstephan im Zuge der bayerischen Klostersäkularisation aufgelöst. „Wihanstephane“, wie es erstmals in einer Urkunde aus dem Jahr 1003 bezeichnet wurde, war jahrhundertelang ein Ort des Wissens – und, wie in jedem Kloster, der Kunst des Bierbrauens. Es war die Klosterbrauerei, die nach 1803 als bereits vor Ort bestehende Einrichtung weiter betrieben wurde; viele weitere Einrichtungen, wie beispielsweise die Landwirtschaftsschule, wurden in den folgenden Jahren und Jahrzehnten nach Weihenstephan verlegt. 1895 wurde Weihenstephan zur „Königlich Bayerischen Akademie für Landwirtschaft und Brauerei “ erhoben, 1920 zur eigenständigen Hochschule mit dem im Jahr 1924 folgendem Promotionsrecht. Der nachhaltigste Einschnitt vollzog sich 1930, als die Hochschule in die Technische Hochschule München (später TUM) integriert wurden.

Die Ursprünge der HSWT reichen ebenfalls an den Beginn des 19. Jahrhunderts zurück. Der große, weitläufige Komplex des einstigen Klosters Weihenstephan bot Raum für viele neue Möglichkeiten. Der bayerische Kurfürst Max IV. Joseph verlegte 1804 die Obstbaumschule nach Weihenstephan. Aus dieser entwickelte sich 1929 die „Staatliche Forschungsanstalt für Gartenbau“ und 1958 die „Ingenieursschule für Gartenbau“. In diesem Zusammenhang sind auch die umfangreichen Gartenanlagen in Weihenstephan entstanden. Als Ende 1970 in Bayern das Fachhochschulgesetz verabschiedet wurde, war der Weg für die Gründung der Fachhochschule Weihenstephan am 1. August 1971, hervorgehend aus der „Ingenieurschule für Gartenbau“, frei geworden. Die bis heute bestehende Grundausrichtung der Fachhochschule liegt auf einem praxis- und anwendungsorientiertem Unterricht. 2008/09 wechselte die Hochschule Weihenstephan ihren Namen zu „Hochschule Weihenstephan-Triesdorf“ und trägt damit ihrem zweiten Standort im mittelfränkischen Triesdorf Rechnung. 

Let’s speak English

Für die TUM hat sich in den vergangenen Jahrzehnten der Standort in Freising vom „Campus Weihenstephan“ über „Wissenschaftszentrum Weihenstephan“ bis zur heutigen „School of Life Sciences“ namensgebend weiterentwickelt. Englisch hat sich in den Naturwissenschaften schon seit langem als „lingua franca“ etabliert, die TUM forciert ihre internationale Verortung. So war es wenig überraschend, als 2014 der damalige TUM-Präsident Wolfgang A. Herrmann ankündigte, die Master-Studiengänge bis 2020 weitestgehend auf Englisch umzustellen. Zum Wintersemester 2022/23 werden sieben von 54 Bachelor- und 65 von 112 Masterstudiengänge auf Englisch absolviert. Rund 4.400 der insgesamt 50.000 TUMStudentinnen und Studenten haben derzeit ihren Studienschwerpunkt in Freising. Die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf stärkt ebenfalls ihren internationalen Schwerpunkt. Die HSWT versteht sich als „University of Applied Sciences“, entwickelt englischsprachige Studienangebote und fördert internationalen Wissensaustausch; aktuelles Beispiel ist die 2019 in den Hochschulentwicklungsplan aufgenommene Strategie „HSWT goes international“. Am Standort Weihenstephan wartet die HSWT mit ähnlichen Studentenzahlen wie der TUM Campus of Life Sciences auf: Zum Beginn des neuen Semesters zählte sie 3.900 Studentinnen und Studenten am Standort Weihenstephan; mit der TUM zusammen lernen in Weihenstephan also aktuell rund 8.300 Studentinnen und Studenten.

„Studentenstadt“ Freising

Dass Freising eine Studentenstadt ist, fällt auf den ersten Blick nicht auf. Im Gegensatz zu den Studentenstädten Freiburg oder Regensburg ist in Freising das kulturelle Freizeitangebot vergleichsweise klein; auch die Kneipen- und Gaststättenkultur ist in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen, wohl auch aufgrund der steigenden Pachten. Doch: Im Freisinger Stadtgebiet verstreut finden sich hier und da bauliche Hinweise, die auf ein jahrhunderte- und jahrzehntelang gewachsenes, traditionelles Studentenleben verweisen: die Verbindungshäuser der Studentenverbindungen. In Freising gibt es derzeit zwölf Studentenverbindungen: sechs Männerbünde, einen Damenbund und fünf gemischte Bünde. Die Verbindungshäuser erkennt man teilweise an den kleinen Wandtäfelchen oder auch aus den Fenster wehenden Fahnen in den jeweiligen Verbindungsfarben. Im ausgehenden 19. Jahrhundert entstanden diese Zusammenschlüsse auch in Freising, die den Studenten bis heute während ihrer Studienzeit eine Gemeinschaft und teilweise auch Unterkunft bieten. Die Frage „Wo wohnen?“ stellt sich vor allem für die Erstsemester ganz akut. Die Studentenzahlen wachsen seit Jahrzehnten beständig, die Nachfrage nach Wohnraum dazu. Einige neue Wohnheime und Wohnkonzepte, die den Bedarf auffangen, befinden sich gerade im Bau oder sind bezugsfertig geworden. Beispielsweise das Bauprojekt „bee free“ der BHB Unternehmensgruppe am Karwendelring, dessen Appartements bald Studenten zum Einzug bereitstehen soll; oder die Erweiterung des Wohnheimkomplexes des Studentenwerks München an der Giggenhauser Straße um 119 Plätze, das 2021 fertig gestellt wurde.

Nach der Eröffnung ist vor dem Spatenstich

Das Angesicht Weihenstephans wandelt sich stets. Über die vergangenen Jahrzehnte hinweg kamen viele neue Gebäude hinzu. Die drei jüngsten (Um-)Baumaßnahmen liegen nur wenige Jahre und Monate zurück. Da wäre einerseits das StudiTUM Haus in der alten Versuchsbrennerei am Weihenstephaner Steig, das vom Staatlichen Bauamt Freising saniert wurde, zu nennen. Die StudiTUM-Häuser, die an vielen Standorten der TUM vertreten sind, sollen den Studentinnen und Studenten rund um die Uhr als Lern- und Ruheorte, als Orte zum gemeinsamen Arbeiten und geselligem Beisammensein, dienen. Das StudiTUM in Weihenstephan wurde 2020 fertiggestellt und ist seit 2021 in Nutzung.

Erst vor wenigen Monaten eingeweiht wurde das neue Zentrum für Brau- und Getränketechnologie der HSWT, ebenfalls ein Bauvorhaben des Staatlichen Bauamts Freising. Auf 1.300 Quadratmetern finden sich Technik-, Labor- und Seminarräume. Vor kurzem fertig gestellt, beziehungsweise kurz vor Abschluss stehend, sind die beiden Servicegebäude der TUM an der Vöttinger Straße. Im Servicegebäude 1 bietet das „Lacanto“ kulinarischen Genuss, der TUM Shop wurde ebenfalls bereits eröffnet. In direkter Nachbarschaft nähert sich das Servicegebäude 2 seiner Fertigstellung. Ein Automat der Sparkasse ist bereits eingezogen, eine Bäckerei soll dort im kommenden Frühjahr ihre Türen öffnen.

Nach der Eröffnung ist bekanntlich vor dem Spatenstich: Die folgenden Bauprojekte stehen schon in den Startlöchern. Der Baubeginn für das Forschungszentrum integrierte Infektionsprävention der TUM ist für das Frühjahr 2023 festgesetzt, entstehen soll es an der Liesel-Beckmann- Straße.

Nicht nur in baulicher Hinsicht entwickelt sich Weihenstephan stets weiter, dasselbe gilt für ihre inhaltlichen Forschungsschwerpunkte und Lehrangebote. In Summe also all das, was Weihenstephan zu einer so florierenden Wissenslandschaft wachsen lässt.

 

von Isabella Hödl-Notter

Foto: Montage FINK/Fiedler mit Luftaufnahmen von Ronald Zöllner / ediundsepp
Gestaltungsgesellschaft mbH / TUM

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom November 2022.
In unserer Bibliothek können Sie diese und alle anderen Ausgaben der letzten Jahre online lesen.

zur Bibliothek...

weitere Artikel zu diesem Thema: