Manuela Holike: “Ich habe schon gecoacht, als ich es noch nicht wusste”
Die große Fragestunde

Modebewusste in Freising und Umgebung kennen Manuela Holike als rührige Geschäftsfrau, die mit ihrem Mann und ihrem Sohn erfolgreich mehrere Boutiquen betreibt. Sehr Aufmerksamen ist vielleicht nicht entgangen, dass es da etwas Neues gibt in dem eh schon reichlich ausgefüllt erscheinenden Leben: Manuela Holike unterstützt als Coach Unternehmerpaare und hat hier eine Nische gefunden, in die sie alleine schon wegen ihrer eigenen Biografie Erfahrung und Interesse mitbringt.

Manuela, danke für Deine Zeit. Wie hat sich Dein Leben verändert, seit Du nicht mehr „nur“ Geschäftsfrau bist, sondern auch Coach?
Ich fühle mich viel gerundeter noch. All das, was ich an Erfahrungen sammeln durfte die letzten vielen Jahre, kann ich jetzt einfach voll mit einbringen. Ich kenne das alles.

Der Impuls für Deine neue oder besser gesagt zusätzliche Tätigkeit kam aus Deiner eigenen Erfahrung, Du bist seit 30 Jahren mit einem Unternehmer verheiratet, Ihr leitet ein Familienunternehmen. Spannend war für Dich dann vermutlich, wie Du die eigene Biografie nutzen und trotzdem eine professionelle Distanz aufbauen kannst…
Ich bin der Meinung, dass diese kleineren und mittleren Unternehmen, aus denen meine Klienten hauptsächlich kommen, ein Wert an sich sind. Und ich versuche immer, quasi aus der Sicht des Unternehmens drauf zu schauen. Nicht: Wie war es bei mir? Sondern: Wie wirken die beiden in ihrem Unternehmen? Was bewirken sie dort? Was bewirken sie nicht? Und wie koppelt das auf sie selbst zurück? Wenn ich die Situation so ganz neutral anschaue, dann trete ich selbst automatisch komplett in den Hintergrund.

Deine Analyse geht also weniger von den Emotionen der Beteiligten aus oder von den aktuellen Problemstellungen, sondern idealerweise von dem Wert, den die beiden entweder miteinander geschaffen oder in einer gemeinsamen Zeit vervollständigt oder erweitert haben. … Kommen wir nochmal zurück auf Deinen eigenen Ausgangspunkt, welchen Weg bist Du in die Coachingszene hinein gegangen?
Ich habe schon sehr früh angefangen, Fachbücher zu lesen und mich mit Kommunikation, mit Strategie und solchen Dingen zu befassen. Ich hab dann auch noch nebenbei Psychologie studiert. All das habe ich gemacht, um Dinge besser zu verstehen, um Dinge klarer benennen zu können. Vor sechs Jahren habe ich in einem Coaching-Institut in Dresden eine einjährige Ausbildung gemacht. Das war sehr gut für mich, denn es hat sich für mich da einiges wiederholt, was ich schon aus der Praxis kannte. Auf der anderen Seite war es aber auch sehr, sehr hilfreich, unter Supervision zu arbeiten und gesagt zu bekommen „pass auf, da hast du jetzt nicht gescheit hin geschaut“ oder „das hätten wir jetzt anders gesehen“, also einfach solche Einordnungen zu bekommen.

Wenn du Deine Klientinnen und Klienten anschaust, die ja alle in einer gewissen Nische wirken, also als Paare und Unternehmer, was sind deren zentrale Themen, was macht ihnen zu schaffen?
Grundsätzlich hab ich unter meinen Kunden schwerpunktmäßig zwei Altersgruppen; das sind einmal die wirklich Jungen, die Nachfolger oder die Gründer, die sich eben überlegen „will ich das“. Und die andere Gruppe sind Paare, die so mitten aus ihrem Leben kommen, die sich – vielleicht zum ersten Mal – wirklich die Sinnfrage stellen. Die haben meist sehr hart und über viele Jahre auch ganz tapfer mehr oder weniger miteinander gearbeitet. Und sich oft auch aneinander abgearbeitet. Und jetzt stellt sich die Frage „wozu das Ganze?“. Bei den meisten ist auch der Erziehungsauftrag erledigt. Und dann haben meine Paare eigentlich einen Riesenvorteil, weil sie nach wie vor ein gemeinsames Objekt haben, um das sie sich zu kümmern haben. Aber gleichzeitig sind sie ein bisschen müde und erschöpft und sie leiden an ihrem „zu viel“ und „zu wenig“: zu viel Zeit für die Diskussion um immer dasselbe Objekt und zu wenig Zeit für sich. Es herrscht manchmal eine ganz große Sprachlosigkeit, weil sie zwar ihr Business miteinander betreiben, aber schon lange nicht mehr als Paar kommuniziert haben.

Inwieweit oder wie stark vermischen sich denn die Beziehungsthemen mit den Businessthemen? Gibt es zum Beispiel auch den Fall, dass Du empfiehlst, etwa einen Paartherapeuten hinzu zu ziehen?
Absolut. Es gibt Dinge, die sich sehr vermischen. Weil ich selbst aus dem Businesskontext komme, bringe ich dafür auch Verständnis mit. Zum Beispiel geht es oft auch um so Dinge wie die Altersversorgung für die Ehefrau. Ich habe da zum Beispiel schon an Vermögensberater weitergeleitet. Ich hatte ein Paar hier sitzen, die haben schon seit zwanzig Jahren einen Handwerksbetrieb miteinander. Es stellte sich heraus, dass die Frau dort immer mitgearbeitet hat und der Betrieb hat aber ihrem Schwiegervater gehört. Theoretisch unvorstellbar, aber die hatte quasi keinerlei Ansprüche, sie hatte lange Zeit auch nur als geringfügig Beschäftigte dort gearbeitet. Und plötzlich sind bei der Frau Gedanken hochgekommen wie „wie schaut’s bei mir im Alter aus?“. Da haben wir dann unter anderem die Lösung gefunden, dass wir sie in der Firma präsent gemacht haben, schon rein optisch. Sie steht jetzt auf dem Briefkopf, auf dem Firmenschild, sie ist gesehenerweise da.

Sie hat also quasi einen eigenen Sinn in ihrer Tätigkeit bekommen. Das bringt uns zurück zur Sinnfrage. Natürlich ist eine Antwort selten einfach, aber wie ist das im Moment für Dich, hat sich der Sinn Deines Lebens durch diese neue Tätigkeit verändert?
Ich hab das Gefühl, es wird immer richtiger. Es kommt mir heute – jetzt im Rückblick betrachtet – so vor, als hätte ich quasi 30 Jahre Anlauf genommen. Damit ich das machen kann, was ich heute machen darf.

Hast du denn heute mehr Freizeit als früher, weil du besser auf Dich aufpasst?
Ja. Ja, ich habe mehr Freizeit und ich habe mehr Reflexionszeit, ich bin weniger termingetrieben. Natürlich habe ich meine Termine, aber ich teile sie mir heute auch anders ein. Unter anderem auch, weil meine Paare aus dem Businesskontext nicht unendlich Zeit haben. Ich finde übrigens auch, wir sollten zügig wirklich zu Lösungen kommen. Das heißt für mich: In der Zeit, in der ich für die Paare da bin, muss ich höchstkonzentriert sein. Von meiner Seite aus ist so eine Zusammenarbeit nicht auf die Ewigkeit gedacht, sondern ich möchte in drei Monaten schon an einem Punkt sein, an dem wirklich etwas passiert ist.

Von wem kommt denn der Impuls, sich in eine Beratung zu begeben? Von den Frauen oder ist das ausgewogen?
In 94% der Fälle von den Frauen.

Wie auch bei der Ehetherapie oder bei der Paartherapie. Können wir daraus auch ableiten, dass die Frauen in einem gewissen Alter gerne eine eigene Rolle haben möchten, eine eigene Bedeutung?
Ja. Frauen reflektieren viel und oft hat das auch mit einer körperlichen Rückkopplung zu tun. Wenn die Frauen eine Rückmeldung vom Körper kriegen, dass irgendwelche Dinge nicht mehr so rund laufen, dass sie Probleme haben, dann fangen sie an, feiner hin zu hören, sich zu fragen, worum es da eigentlich geht. Die nehmen ihre Baustellen oft eher wahr. Bei den Männern kommt es mir manchmal so vor, als würden die lieber die Ohren anlegen und sagen „geht schon“. Wobei ich wirklich feststellen darf, wenn sie dann erstmal hier sind, würde man sich oft wundern. Sie haben oft doch eine sehr gute Vorstellung, aber sie würden von sich aus nicht darüber reden. Aber wenn sie dann bereit sind, dann sind die durchaus sehr reflektiert, also da bin ich oft überrascht.

Und dann auch bereit, etwas zu ändern?
Wenn ich das Gefühl habe, es ist jemand nicht handlungsbereit, dann breche ich das auch von meiner Seite aus ab. Ich habe kein Interesse daran, mir von gestressten Männern sagen zu lassen, dass es keiner so schwer hat wie sie. Ich versuche, raus zu finden, wo das Paar steht und wohin es gehen könnte. Dann kommt oft der Satz: „Jetzt wollen wir miteinander alt werden.“ Nur da ist ja so eine Bandbreite drin und wenn wir versuchen, das ein bisschen aufzudröseln, dann kommen die meistens automatisch ins Nachdenken.

Mir kommt es bei dem, was Du erzählst so vor, als hätten die Menschen zu Hause nicht den Raum für ein Gespräch und wenn der Anstoß gegeben wird an einem neutralen Ort, scheint aber wieder etwas in Bewegung zu kommen…
Es ist immer wieder erstaunlich, wie wenig Paare wirklich miteinander übereinander reden. Sie sind oft so erschöpft in Abwicklungsdingen, in gemeinsamen Businessdingen. Aber ihre ehrliche Befindlichkeit, die ist so oft nicht thematisiert. Das habe ich mir am Anfang immer gar nicht vorstellen können, auch dass man das so konsequent wegpackt.

Hat sich denn deine eigene Partnerschaft auch verändert durch diese neue Tätigkeit?
Ja, natürlich. Ich glaub einfach, dass man ja immer in einer Entwicklung ist und ich für mich bin noch dankbarer geworden für das, was wir an Aufgabenstellungen gemeistert haben, weil ich schon oft erlebe, wie unglücklich Paare miteinander sein können. Und ich bin noch wachsamer geworden. Eine Beziehung gehört einfach auch gepflegt, und das heißt, sich Zeit zu nehmen, zu sagen, was ich spüre. Was kommt mir da entgegen? Dass wir uns dann austauschen, das muss nicht immer ein ganz langes Gespräch sein, aber einfach uns wieder andocken und schauen, was liegt denn vor. Wie geht’s uns denn?

Wir sind ja in einem Videotalk und ich sehe ein gefülltes Bücherregal. Was ist denn heute für dich noch Inspiration? Gibt es Autoren, die du magst, gibt es Podcasts, die du magst, Dinge, die Dir Dein Hirn noch mal so ein bisschen in Bewegung bringen?
Ja, also gefühlt lese ich nonstop. Ich hab mich auch gerade noch zu einer Weiterbildung entschlossen, ich versuche, in meiner eigenen Argumentation, männergerechter zu werden. Und ich hab hier grad ein kleines Buch, das hat mir jemand empfohlen, es heißt „Das Wunder der Dankbarkeit“, die Unterzeile ist „Wie Wertschätzung das Leben verwandelt“. Von Wertschätzung kann es gar nicht genug geben.

Letzte Frage: Wenn du heute dein Leben mit einer Farbe beschreiben dürftest, welche wäre das und warum?
Gelb. Ich mag die Fröhlichkeit hinter gelb und die passt für mich in jede Jahreszeit. Es ist eine positive, helle Farbe. Es hat was mit Sonne, mit Licht zu tun und es symbolisiert für mich auch einfach ein Lächeln. Ich glaube, mit einer gewissen Grundentspanntheit und Grundfreude fühlen sich viele Dinge nicht so schwer an, sondern sie sind dann leichter zu erreichen.

 

Manuela Holike präsentiert ihre Arbeit unter der Adresse www.manuela-holike.de.

von Birgit Mooser-Niefanger

 

Die große Fragestunde
Unsere Autorin Birgit Mooser-Niefanger trifft sich ab dieser Ausgabe mit interessanten Menschen zur „großen Fragestunde“ und hofft, heraus zu finden, was Menschen in ihrem Innersten bewegt. Die Fotos zur Serie macht Birgits langjähriger Freund und Kollege Franz Josef Kirmaier (das produktionshaus).

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Juli/August 2022.
In unserer Bibliothek können Sie diese und alle anderen Ausgaben der letzten Jahre online lesen.

zur Bibliothek...

weitere Artikel zu diesem Thema: