Mit zwei Sachbüchern ist der gebürtige Freisinger Aleksandar Janjic nicht nur einer der jüngsten Wissenschaftsautoren Deutschlands, auch bei der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) haben seine Anregungen nun Interesse geweckt. Der FINK hat mit dem Wissenschaftler gesprochen.
Aleksandar, du hast in deinem Studium sowohl die Biologie als auch die Astronomie bestritten. 2019 kommt dein zweites Buch – das Thema ist erneut die Astrobiologie. Was kann man sich darunter vorstellen?
Die Astrobiologie vereint die astronomische und bioökologische Forschung. Das Phänomen Leben wird hier als planetarer Prozess verstanden, also wie Lebewesen und deren Vorstufen grundlegend mit ihrer chemisch-physikalischen Umwelt interagieren. Eine Frage ist, ob sich die Evolution hin zu lebenden Wesen auch auf anderen Himmelskörpern entfalten kann – sei es auf weit entfernten Exoplaneten, oder auf direkten Nachbarn wie dem Mars. Die Ökologie der Erde steht hierbei im Fokus: Wir wissen nämlich noch nicht so recht, welche Umweltbedingungen den Prozess des Lebens auf der Erde einleiteten.
Dein neues Buch ist mit fast 600 Seiten fast dreimal so dick wie das erste. Ist dieses umfangreiche Werk der Grund, wieso du nun auch mit der ESA in Kontakt stehst?
Nein, die Bücher präsentieren lediglich die aktuelle astrobiologische Forschung für die interessierte Allgemeinheit. Der Kontakt kam zustande, weil ich ebenfalls in einer US-amerikanischen Fachzeitschrift veröffentlicht habe. Diese Fachartikel sind in den Naturwissenschaften das wichtigste internationale Sprachrohr, Bücher sind eine freiwillige Nebentätigkeit.
Dein Fachartikel behandelt die Evolution der Viren. Warum hat ausgerechnet dieses biologische Thema Aufmerksamkeit bei Raumfahrtbehörden erlangt?
Weil darin mithilfe des Mars erstmals ein Schlupfloch aus einem Dilemma der Evolutionsbiologie beschrieben wurde. Wir wissen heute nicht, wann und wie Viren entstanden sind. Es gibt drei konkurrierende Hypothesen. Eine besagt, dass Viren vor Zellen wie Bakterien entstanden sind und somit das älteste „Leben“ der Erde verkörpern – die anderen das Gegenteil. Die Krux: Auf der Erde ist es bisher unmöglich, diese Ideen endgültig gegeneinander zu prüfen, weil Viren und Bakterien überall gemeinsam vorkommen und miteinander interagieren und dies auch schon immer getan haben. Und hier kam für mich der Mars ins Spiel: Sollten wir dort Viren finden, aber keine einzige Zelle, wäre das der Beweis dafür, dass Viren in der Evolution tatsächlich die Vorläufer von Lebewesen sind. Da der Mars nur relativ kurz lebensfreundlich war, hat die Zeit für die Entwicklung von Zellen dort vielleicht nicht ausgereicht – für relativ einfache Viren aber schon. Und da Zellen viel besser konserviert werden als Viren, kann ein ausschließlicher Fund von Viren nicht mit den anderen Ideen erklärt werden, bei denen Viren von ehemaligen Zellen abstammen. Das wurde vorher einfach noch nicht bedacht. Alle geplanten Missionen sind deshalb auch nicht in der Lage, Viren zu identifizieren. Das gilt auch für den ExoMars-Rover der ESA, der ab 2021 auf dem Mars in bis zu zwei Metern Bodentiefe explizit nach mikrobiellem Leben suchen wird. Im unglücklichsten Fall könnten wir demnach den erstmaligen Fund außerirdischer Biologie verpassen, weil wir Viren aus Gewohnheit ausschließen und einer voreingenommenen Definition des Lebens folgen.
Mit der Erforschung des Mars könnten wir also ironischerweise in erster Linie etwas über die Grundlagen des Lebens auf der Erde lernen. Könnte also bald ein Instrument zum Mars fliegen, das von Freising aus angestoßen wurde?
Darüber wird nun diskutiert. Das geplante Instrument „MOMA“ wird in der Lage sein, biologische Moleküle aufzuspüren. Jedoch kann das Gerät nicht unterscheiden, ob diese dann von Viren oder Zellen wie Bakterien stammen. Entweder wird es also ein neues oder verbessertes Instrument geben, das von Freising aus angestoßen wurde. Oder man einigt sich auf eine Sample-Return-Mission, bei der die Proben zurück zur Erde gebracht werden, um sie hier zu untersuchen. Aber lieber nicht im Biozentrum Freising – wer weiß schon, was sich metertief im Boden des Mars verbirgt. Ab 2021 erhalten wir zum ersten Mal in der Geschichte Antworten dazu.
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Februar 2019.
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