Sie haben beide eine Odyssee hinter sich, die allerdings zum Großteil selbst gewählt war. 2022 aber sind sie angekommen – angekommen in Freising, wo sie sich wunderbar aufgehoben und angenommen fühlen. Da ist Elli Erl, die vor genau 20 Jahren die zweite Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ gewann, sechs Jahre lang von Musik lebte, durch Amerika tourte und zwei Alben schrieb, und da ist Tina van Wickeren, die 2012 an der Show „The Winner is“ mit Linda de Mol teilnahm und mit dem Erreichen des Halbfinals nur knapp die eine Million Euro verpasste. Seit einigen Jahren sind sie gemeinsam als Elli & Tina in Sachen Musik unterwegs, haben 2015 sowohl ihre gemeinsame Leidenschaft als auch ihre Liebe zueinander entdeckt. Ihren Lebensunterhalt freilich bestreiten sie nicht mehr als Singer-Songwriter, sondern als Lehrerinnen an der Realschule Gute Änger in Freising. Und so viel Unterschied gibt es da gar nicht, sagen sie. Denn: „Musik machen und Schule passt irgendwie gut zusammen. Beides ist genaugenommen eine Bühne, auf der man performen muss.“ Und im besten Fall könne man am Ende noch etwas mit nach Hause nehmen – einen Ohrwurm oder einen Unterrichtsinhalt.
Die Leidenschaft für Musik haben beide früh entdeckt: Elli Erl kommt aus Straubing, hat in Regensburg studiert, sang schon als Schülerin im Chor und hat mit 15 in ihrer ersten Band „Panta Rei“ als Sängerin angefangen. „Wir waren wirklich eine Wahnsinns-Gruppe“, erzählt sie. Sogar als Vorgruppe von Reamonn oder den Bananafishbones sind sie aufgetreten, haben diverse Alben produziert. „Aber leider hat es nie bis zu einem großen Plattenvertrag gereicht, obwohl wir alles versucht hatten und auch ab und an kurz davor standen“. In Regensburg wurde sie Sängerin der Coverband „Gong fm Band“ des ortsansässigen Radiosenders. Und irgendwann sah sie das erste Mal DSDS im Fernsehen, eine Freundin riet ihr, sich doch zu bewerben. Das Ergebnis: Elli Erl gewinnt die zweite Staffel, zieht sofort nach Köln, wo sie dann auch für viele Jahre eine neue Heimat gefunden hat. Leicht sei es in jenen Jahren nicht immer gewesen. „Ich habe viel Tolles erlebt“, erzählt sie im Rückblick, bereut auch nichts – auch wenn DSDS und die Folgen Fluch und Segen gleichzeitig war. „DSDS hatte durch Dieter Bohlen einen ganz speziellen Stempel, den ich so leicht nicht wegbekommen habe. Mit der Musik, die ich damals machen wollte, war es mit diesem Stempel einfach echt schwierig Fuß zu fassen.“ Aber es habe auch sehr viele positive Erlebnisse und Begegnungen gegeben. „Und darauf kommt es an.“ Bevor ihr 1. Staatsexamen zu verfallen drohte, habe sie sich 2009 für das Referendariat in NRW beworben, dort dann das 2. Staatsexamen absolvier. „Das war erstmal ein ganz schöner Schock. Weg vom Musikdasein in ein super strukturiertes Umfeld. Das musste ich erstmal wieder alles erlernen.“ Und dennoch sei es der beste Zeitpunkt und die beste Entscheidung gewesen, diesen Beruf nicht hinzuschmeißen. 2012 war sie dann fertig mit der Lehrerausbildung, wurde Lehrerin in Düsseldorf. Zu diesem Zeitpunkt habe sie kaum noch meine eigene Musik gemacht, bis sie 2015 ihre Frau Tina kennengelernt hat. Die war Ausbilderin für Lehrer im Fach Biologie und zu Besuch an Ellis Schule. „Wir kamen ins Gespräch und stellten fest, dass wir beide Musik machen würden. Recht schnell verabredeten wir uns für eine Probe und recht schnell wurde daraus die große Liebe. Wahnsinn. Im Juni 2019 feierten wir die beste Hochzeit die man sich wünschen kann.“
Tina van Wickeren hat ihre Kindheit und Schulzeit in Kleve verbracht. „Leider war ich an keinem musischen Gymnasium, habe aber schon früh bemerkt, dass ich sehr gerne singe und Musik meine Leidenschaft ist“, erinnert sie sich. Aber dass die Bühne ihr Zuhause ist, merkte sie schnell als Sängerin in einem Gospelchor, bekam früh Kontakte zu anderen Bands und sang noch in diversen anderen Konstellationen. 1998 begann ihr Studium an der Deutschen Sporthochschule in Köln und an der Uni Köln für Biologie und Sport auf Lehramt für Gymnasium. Schnell änderte sie ihren Studiengang in Diplomsportwissenschaft (Orthopädie/ Neurologie), beendete ihn 2004 mit einem „super Abschluss“, studierte gleichzeitig Biologie für das Lehramt Realschule und schloss es 2006 ab. „Die Arbeit in Rehakliniken konnte ich mir nicht dauerhaft vorstellen, die Arbeit mit jungen Menschen in Schule allerdings schon“, sagt sie. Nach dem Referendariat schloss sie ihr zweites Staatsexamen mit Bestnote ab, wurde kurz darauf Lehrerausbilderin für das Fach Biologie. Musik hat sie in all diesen Jahren immer weitergemacht, ist beispielsweise weltweit im Club Aldiana aufgetreten. 2012 hat sie dann an der Show „The Winner is“ teilgenommen. Die Million Euro hat sie knapp verpasst, ist aber „noch heute sehr glücklich darüber, ins Halbfinale gekommen zu sein“. Im Jahr 2015 begegnete ihr dann Elli Erl.
Recht bald entstand die Idee eines gemeinsamen Sabbatjahres. Nach fünf Jahren Ansparphase ging es für das Paar dann im August 2021 in ein Jahr „große Pause“. Sie kündigten ihre Wohnung in Köln, lagerten Hab und Gut ein und lebten ein Jahr lang im Camper Cliffi und reisten kreuz und quer durch Europa. Auf dieser Reise entstand die Idee für das Buch „Unplugged“, das nun im März im Cooper Verlag erschienen ist. „Wir wollten einfach mal raus. Ein Jahr den Stecker ziehen“, beschreibt Tins ihre Motivation. „Das war die beste Entscheidung und einfach eine unbeschreiblich wertvolle Zeit.“
Schon lange vorher hatten sie sich darüber Gedanken gemacht, danach nochmal ganz neu zu starten – in einem anderen Bundesland, „in Bayern, ganz nah an den Bergen und schönen Seen, Italien und nah an Ellis Familie.“ Ganz aktiv haben sie sich Anfang 2022 für Schulen in Regensburg und eben die Realschule Gute Änger beworben. Warum? Der erste Eindruck auf der Homepage sei toll gewesen, in der Realität noch viel besser: „Eine neue, sehr schöne Schule im Grünen, in der uns die Schüler*innen auf Socken entgegenschlidderten, uns Schulleiterin Frau Weigl herzlich empfing und sofort herumführte“. Weigl habe ihnen auch signalisiert, dass sie gerne beide bei sich hätte und das auch versuchen würde, hinzubekommen. „Irgendwie gab es uns ein wohliges und gutes Gefühl in dieser Ungewissheit. Ein wunderbarer erster Einblick in unsere mögliche neue Schule.“ Und dann hieß es erstmal abwarten und weiter reisen. Und dann, auf dem Rückweg von Frankreich nach Köln, der entscheidende Anruf vom Ministerium, der alles ändern sollte: Beiden wurde eine Stelle an der Realschule „Gute Änger“ angeboten. „Wir schauten uns an und es war klar, wir machen das genauso“, erinnern sich die beiden an diesen Moment. „Wir sagten also zu und sind jetzt glücklich an dieser wunderbaren Schule und auch sehr glücklich in Freising.“
Mit ihrem „Vorleben“ in der großen Öffentlichkeit gehen Erl und Van Wickeren sehr transparent um. „Unsere Schüler wissen von uns und unserer Vorgeschichte.“ Die Schüler wünschten sich ihre Musik immer wieder zu den verschiedensten Anlässen, kämen auch zu den Mitsingkonzerten im „Furtner“ und hätten sich zum Konzert im Lindenkeller am 26.4.24 angekündigt.
Mit „Unplugged“ hat sich das Paar einen weiteren Lebenstraum erfüllt hat. Die Idee zum Buch sei durch den Blog, den sie für ihre Familien auf den Reisen geschrieben haben, entstanden. Ein Verlag war schnell gefunden, nach der Heimkehr mussten sie die Reise erstmal sacken lassen und auch im neuen Zuhause erstmal ankommen. Dann habe sich eines zum anderen gefügt und alles unglaublich schnell Gestalt angenommen. Neben dem Buch nahmen sie mit Produzent Christian Lohr neue Lieder auf. Elli und Tina sind nicht nur musikalisch vielfältig, sondern auch sprachlich. Lieder in Kölscher Mundart gibt es von ihnen, jetzt aber auch in Bairisch. „Mundart zu singen ist einfach wunderbar“, sagen die beiden. Man könne auch beides wunderbar vermischen, haben schon Lieder auf Englisch, Kölsch und Bairisch geschrieben und alle drei Sprachen in einem Lied gesungen.
Ihr Outing sei soweit in Ordnung gewesen, es habe halt „ein bisschen gedauert“. Und: „Heute ist alles super und es könnte nicht besser sein. Eigentlich ist es auch überhaupt keine große Sache und sollte nicht unnötig aufgebauscht werden. Es geht doch einfach nur um Liebe und Glücklichsein. Nicht mehr und nicht weniger.“
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom April 2024.
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