Die Welt zu Hause im interkulturellen Garten
Interkulturelles Leben in Freising

„Die Vielfalt der Kulturen, jeder einzelne Mensch und die Lage am Schafhof“, antwortet Pepito Anumu auf die Frage, was in Freising fehlen würde ohne den Interkulturellen Garten, und weiter „auch das gemeinsame Arbeiten und Grillen, das oft mit Trommeln, viel Lachen von uns Erwachsenen und den Kindern begleitet wird.“ Mittlerweilen sind 14 Familien mit unterschiedlichen Zuwanderungsbiographien im Garten beheimatet.

Der Garten am Schafhof wirkt wie ein magischer Ort, sagt Pepito.

Der Interkulturelle Garten wurde im Juni 2007 offiziell eröffnet. Damit ist er einer unter 300 Gärten in ganz Deutschland. Die Initiative der Interkulturellen Gärten geht auf das Jahr 1996 in Göttingen zurück, dort gründeten zugewanderte Familien den ersten Garten. Schnell war klar, dass auch in Freising das besondere Integrationsprojekt „Sich verwurzeln in der Fremde“ seinen Platz am Südhang des Schafhofs finden sollte. Mit den Vorarbeiten in Freising hat Frau Gisela Landesberger, ehemalige Frauenbeauftragte des Landkreises im Jahr 2006 begonnen. Gemeinsam wurde das Projekt mit der damaligen Integrationsbeauftragten Meral Meindl weitergeführt. Der Fachhochschul- Vizepräsident Sebastian Peisl, der Landkreis Freising und die Stadt Freising waren schnell überzeugt. Die Familien wurden über Zettel in den Wohnblöcken und gezielte Ansprachen von zugewanderten Personen gefunden. Nachdem die Gärtner*innen gefunden waren, stand der Vereinsgründung nichts mehr im Weg. Seither dabei ist Pepito Anumu. Er arbeitet seit einigen Jahren als zweiter Vorstand für den Verein. „Der Garten ist für uns alle ein Geschenk, in dem die Kinder ihre Freiheit genießen können und ein buntes Leben kennen lernen.“ Der Name „Zugvögel e.V.“ geht auf ein Gespräch der Gartenmitglieder zurück, die festgestellt haben, dass sie alle aus unterschiedlichen Ländern kommen und sich wie Zugvögel auf dem Hügel des Schafhofs niedergelassen haben.

Menschen, die Reichtum mitbringen – Initiative, Optimismus, Beharrlichkeit, Mut, Großzügigkeit

Im Interkulturellen Garten findet der interkulturelle Austausch mit Gleichgesinnten statt, die sich erden und neu beheimaten wollen. Auch finden Menschen mit Schmerzen und Traumata hier ihren Platz, um sich gärtnerisch und handwerklich neue Handlungsspielräume zu erschließen. Im Garten gibt es Parzellen für die Familien, Gemeinschaftsflächen und eine Hütte für das Werkzeug und die Geräte. Der Garten ist ein wunderbarer Ort, um Sprachen zu lernen und internationale Rezepte auszutauschen. Dazu ist erst vor kurzem in dem P-Seminar „Interkulturelle Kooperation“ des Camerloher-Gymnasiums ein Kochbuch „Kochen rund um die Welt“ erschienen. Nachkochen kann man neben dem Käsegebäck „Saratele“ aus Rumänien, die „Unabhängigkeitssuppe“ aus Haiti auch das „Bananenbrot“ aus Namibia. Zu den Köstlichkeiten der Gärtner* innen erfährt man auch noch einiges zu ihnen selbst, über die Herkunftsländer und überraschendes zu ihrem Weg nach Freising. „Ich bin gekommen, um zu bleiben“, sagt Pepito Anumu und wünscht sich für die Zukunft des Interkulturellen Gartens „dass er noch über weitere Generationen bestehen bleibt, offen ist für neue interessierte Menschen und ein Ort, an dem unterschiedliche Leute über die Vielfalt der Kulturen voneinander lernen können. Der Interkulturelle Garten ist international.“

Neben Pepito Anumu konnten wir auch Anna Haikali, die erste Vorständin des Vereins „Interkultureller Garten – Zugvögel Freising e.V.“ für ein Interview gewinnen.

Seit wann bist Du im Interkulturellen Garten?
Wir sind seit Frühjahr 2011 dabei. Vorsitzende bin ich seit 2013.

Wie habt Ihr zum Garten gefunden? Wie habt Ihr zu dem Namen „Zugvögel“ gefunden?
Ich hatte vom Interkulturellen Garten hier in Freising gehört. Wir waren auf der Suche nach einer Gemeinschaft, um uns ein „Netzwerk“ hier in Freising aufzubauen. Mein Mann war neu in Freising und meine Kommiliton*innen vom Studium sind nach und nach weggezogen. Über die Kontakt-Email hatten wir keinen Erfolg, aber Pepito und wir waren damals Nachbarn und wir kannten uns vom Sehen. Eines Tages hat er uns dann ganz spontan zu einem Gartentreffen mitgenommen.

Was ist das Besondere am interkulturellen Garten?
Schon der Ort oben am Schafhof ist besonders. Fast noch mitten in Freising, gut erreichbar von der Innenstadt und doch weg von all dem Verkehrslärm, ganz im Grünen gelegen, umgeben von der alten Streuobstwiese am Südhang des Schafhofs. Im Sommer geht hier meist ein lauer Wind und vertreibt die Hitze der Stadt. Wunderbar, um einfach abzuschalten.

Außerdem machen natürlich die Menschen bei uns im Garten das Besondere aus. Momentan gärtnern 14 verschiedene Nationalitäten nebeneinander und miteinander. Wir ergänzen uns meist gut, doch natürlich gibt es auch Konflikte. Unsere regelmäßigen, ca. monatlichen Treffen sind wichtig, um Diskussionspunkte in der Gemeinschaft zu klären und eine Lösung mit möglichst viel Konsens zu finden. Das erfordert oft viel Toleranz von allen und ist für jeden eine gute Übung.

Daneben finde ich es bemerkenswert, dass unsere Türen immer offenstehen – wenn jemand im Garten ist. So kommen des Öfteren Spaziergänger*innen und Besucher*innen des Schafhofs nach interessierten Blicken über den Zaun für ein Gespräch herein und bleiben auch mal auf ein Getränk am Lagerfeuer.

Es heißt im Garten könne man „Wurzeln schlagen in der Fremde“. Hast Du das bei Dir oder bei anderem Gärtner* innen erkennen können? Wie zeigt sich dies?
Ja, ganz konkret. Wie bereits erwähnt, waren wir auf der Suche nach einem „Netzwerk“. Gerade in unserer ersten gemeinsamen Zeit in Freising waren die entstehenden Freundschaften und Bekanntschaften ein zentraler Punkt, um ankommen zu können. Ähnliche Erfahrungen und gegenseitige Unterstützung in ganz alltäglichen Dingen, aber auch das gemeinsame Bearbeiten von Projekten wie z.B. der Bau eines Wasserbeckens oder die Erneuerung des Zauns sowie gemeinsame Ausflüge z.B. zum Bioland Gemüsebetrieb Sturm in Paunzhausen, stärken die Gemeinschaft.

Einige Gärtner*innen haben auch junge Kinder. Welche Bedeutung hat der Ort für diese Kinder?
Gerade für Kinder, die an der Wohnung keinen Garten haben, ist der Interkulturelle Garten ein Ort, der viel Freiheit, Platz zum Toben und die Möglichkeit mit den eigenen Händen dem Gemüse beim Wachsen zu helfen, bietet. (Die letzten 2 Jahre haben einmal mehr gezeigt, wie wichtig solche Inseln außerhalb des Alltags für die Kinder sind.)

Was denkst Du, wenn es den Garten morgen nicht mehr geben würde, was würde in Freising fehlen?
Ein wichtiger Begegnungsort, an dem Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen miteinander reden, gemeinsam arbeiten und zusammen feiern.

Was wünscht Du Dir für den Garten?
Nachdem unser Vereinsleben in den letzten 2 Jahren aus bekannten Gründen sehr reduziert war, wünsche ich mir, dass wir nach und nach mit voller Energie und neuen Ideen zurück zu einem bereichernden Miteinander finden. Eine gute Möglichkeit den Interkulturellen Garten und seine Mitglieder kennen zu lernen, ist jederzeit einen Blick über den Gartenzaun zu werfen und auf Aktionen in der Tagespresse zu achten. Das Kochbuch kann man direkt vom Verein beziehen.

Vielen herzlichen Dank für die Interviews, liebe Anna und lieber Pepito. Wir wünschen Euch ein wunderschönes Gartenjahr! 

von Meral Meindl, Migrationsrat

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Juli/August 2022.
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