Das DIMU ist wieder da!
Nach neun Jahren wird das Diözesanmuseum wieder eröffnet

Die Nachricht kam im Juli des Jahres 2013 völlig überraschend: “Das Diözesanmuseum wird ab sofort bis auf Weiteres geschlossen”, wie es in einer Pressemitteilung des Erzbischöflichen Ordinariats hieß. “Bis auf Weiteres” – das bedeutete mehr als neun Jahre. Jetzt ist “bis auf Weiteres” vorbei: Am 1. Oktober wird das Haus wiedereröffnet, haben die Domstadt und der Domberg diesen internationalen Anziehungspunkt wieder. Schöner, moderner, attraktiver als je zuvor.

Modernisierung des Brandschutzes und architektonische Neugestaltung wurden 2013 als Grund für die Schließung des „Dimu”, wie es in jüngster Vergangenheit gerne genannt wird, angeführt. Diese Entscheidung, die eine komplette Generalsanierung und eine völlige – nicht nur bauliche – Neugestaltung des ehemaligen Knabenseminars bedeutete, beruhte auf dem Ergebnis bautechnischer Untersuchungen sowie einschlägiger Gutachten und einer aktuellen juristischen Überprüfung. „Unser Diözesanmuseum in Freising ist ein wichtiger Bestandteil des kirchlichen Lebens und der Verkündigung im Erzbistum, den wir künftig auf dem Domberg noch weiter stärken wollen“, erläuterte im Juli 2013 Prälat Peter Beer, Generalvikar des Erzbischofs von München und Freising: „Wir hoffen, dass wir möglichst schnell ein modernisiertes Diözesanmuseum wiedereröffnen können.“ Dass es nun mehr als neun Jahre gedauert hat, dass die Schließung des Museums auch so etwas wie der Auslöser für die Neuausrichtung und architektonische Umgestaltung des gesamten Mons doctus war, hat damals wohl noch niemand wirklich geahnt. Es würden Ausweichflächen gesucht, um den Betrieb des Museums auch während der Schließung aufrecht zu erhalten, hieß es damals. Und weiter: „Museumsdirektor Christoph Kürzeder und seine Mitarbeiter werden ihre qualitätvolle Arbeit auch außerhalb der gewohnten Räume fortsetzen. Alle geplanten Projekte und Kooperationen laufen nach Möglichkeit weiter“, versicherte Beer.

1974 wurde das Freisinger Diözesanmuseum in den Räumen des 1870 errichteten ehemaligen Knabenseminars des Erzbistums eröffnet. Es ist eines der größten kirchlichen Museen der Welt. Seine Sammlung umfasst Objekte von der Romanik bis zum Rokoko, Gemälde und Skulpturen des 19. Jahrhunderts sowie Werke der Moderne. Es beherbergt eine große Abteilung mit religiöser Volkskunst, eine der größten Krippenausstellungen Deutschlands, den Freisinger Domschatz und ein Ikonenkabinett. Das Museum zeigt unter anderem Werke von Erasmus Grasser, Jan Polack, Hans Leinberger, Lucas Cranach, Cosmas Damian Asam, Giandomenico Tiepolo oder Ignaz Günther. All das bleibt und gilt selbstverständlich auch nach der Wiedereröffnung. Aber: Die Generalsanierung hat Kürzeder und seinem Team die Möglichkeit eröffnet, eine neues, zeitgemäßes Museumskonzept auszuarbeiten und umzusetzen. Moderne Technik und der Anspruch, aus dem wehrhaft anmutenden Gebäude ein offenes Haus zu machen, sind dabei die wesentlichen Grundlagen des „neuen” Diözesanmuseums, das sich somit in die Neustrukturierung des Mons doctus einreiht. Seinen Anspruch an das neue Diözesanmuseum formuliert Kürzeder folgendermaßen: „Wir wollen ein Museum schaffen, in das die Freisinger gerne und oft gehen.“

An diesen Tag im Jahr 2013 kann sich Kürzeder noch sehr gut erinnern, als es plötzlich hieß: Das Museum muss schließen – unter anderem wegen mangelnden Brandschutzes. Der Zeitpunkt war denkbar ungünstig: Eine hochkarätige Ausstellung war in Vorbereitung gewesen, Kürzeder hatte gerade einige Verträge mit dem Vatikan unterschrieben. Sozusagen über Nacht hat man alles absagen müssen. Und das alles, obwohl Kürzeder doch erst 2012 seinen Dienst als Museumsdirektor angetreten hatte. Schon bei Amtsantritt sei ihm klar gewesen, dass Veränderungen ins Haus stehen würden: Fest installierte Ausstellungen wirkten für ihn überholt. Die Frage habe also vom ersten Tag an gelautet, wie man zu einem Alleinstellungsmerkmal komme.

Die Antwort: die Vielseitigkeit des Bestands und die Auswahl der Exponate. Im Diözesanmuseum sei nämlich alles vertreten – von kleinen selbst gemachten Objekten bis zur großen Kunst. Wer das Diözesanmuseum besuche, der soll nach Kürzeders Vorstellung auch von Lebensgeschichten, die die Ausstellungsstücke erzählen, berührt werden.

Kürzeders Augenmerk gilt also nicht nur den großen Werken der Kunstgeschichte, sondern auch den kleinen Stücken, die sich der Hoffnung und der Frömmigkeit verschrieben haben – etwa ein Amulett, das eine Mutter dem Sohn in die Kleidung nähte, als er in den Krieg ziehen musste. Auch deshalb hat sich seit Kürzeders Amtsantritt die Sammlung von etwa 16 000 Objekten auf 45 000 vergrößert: Bestände von Klöstern, aber auch das Archiv eines Verlags, der Heiligenbildchen verkauft hat, gehören dazu. Gerade in Zeiten der Bilderflut, in Zeiten, in denen Bilder in Social Media gerade mal eine halbe Sekunde angesehen werden, könne ein Museum einen Kontrapunkt setzen, „ein Ort der Konzentration sein”.

Titel der ersten Sonderausstellung ist „Tanz auf dem Vulkan“, die kostbare Objekte aus Neapel zeigt. Eine weitere Sonderausstellung ist dem zeitgenössischen Künstler James Turrell gewidmet, dessen Licht-Installation zur festen Sammlung zählen wird. Danach folgt „Verdammte Lust – Kirche, Körper, Kunst“ mit „hochkarätigsten Leihgaben“, eine Ausstellung, in der es um das Verhältnis der Kirche zur Sexualität in Kunst und Kulturgeschichte gehen wird – und auch um das Frauenbild in Kirche und Gesellschaft. Die Krippen werden im ersten Jahr noch nicht zu sehen sein, wegen der Kleinteiligkeit der Objekte ist das nicht zu bewerkstelligen.

Auf das, was das neue Museum zu bieten hat, können sich die Freisinger wahrlich freuen: Im alten Weihenstephaner Saal wird eine Museumsgastronomie entstehen, und auch die Westterrasse soll zu einem Gästegarten umgestaltet werden. Was auch entstehen wird: ein großer Museumsladen. Bei Kürzeder überwiegt die Freude die Angst, wenn das Diözesanmuseum jetzt seine Pforten öffnet – auch wenn er sich der nach neun Jahren Schließung ohne Zweifel hohen Erwartungen bewusst ist.

Wichtig ist Kürzeder, die zeitgenössische Kunst vermehrt in das Museum zu bringen, auch um eine neue Generation dafür zu interessieren. Ein Museum müsse sich allen Fragen jedes Alters stellen. Auf diese Weise hofft Kürzeder, dass so künftig auch mehr Freisinger regelmäßig und immer wieder auf den Domberg kommen.

Ändern wird sich die Präsentation der festen Sammlung im ersten Stock, sie soll nicht mehr chronologisch erfolgen, sondern laut Kürzeder „die Geschichte des Lebens erzählen“ – anhand und durch die Geschichte von Jesus.

Die Zwangspause hat das Museumsteam genutzt, um zahlreiche Ausstellungen wie etwa im Kloster Beuerberg im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen oder in der Kunsthalle in München auf die Beine zu stellen. Auch Sammellücken hat man jetzt weitgehend schließen können.

Freilich: Auch wenn manche Exponate unterwegs waren, so fristete die 45 000 Objekte umfassende Sammlung in den vergangenen Jahren zwar ein behütetes, aber doch irgendwie auch ein trauriges Dasein abseits der Öffentlichkeit.

Diese Wanderjahre seien für ihn, so sagte Kürzeder, in der Rückschau fundamental wichtig gewesen, um den Blick auf das neue Diözesanmuseums zu schärfen. Denn es soll ein Museum werden, zu dem die Freisinger nicht nur am Sonntag mit Besuchern hinaufgehen, sondern vielmehr ein lebendiger Ort für Kunst und Begegnung – sozusagen für Leib und Seele.

Sonderfall Oktogon

Vier Jahre lang nach dem Start des Architektenwettbewerbs liefen die Gespräche für den Umbau, da tat sich ein besonderes Kapitel auf, das für viel Gesprächs- und Diskussionsstoff sorgte: das Oktogon – jene sechs Jahre nach Errichtung des Gebäudes (also 1876/1877) angebaute Turm, der den Abort beherbergte. Aus Freising – vor allem vom Historischen Verein und Stadtheimatpflege – kam Widerstand gegen den Abbruch. Begründung: Das Oktogon präge das Stadtbild. Doch die Planer, das Erzbischöfliche Ordinariat und schlussendlich auch das Landesamt für Denkmalpflege kamen zu dem Schluss, dass man das Oktogon durchaus abreißen könne. Zitat des Landesdenkmalamts: Man könne dem Abbruch des oktogonalen Anbaus zustimmen, „da seine Bedeutung insbesondere in der Geschichte der Hygiene liegt und nicht in seiner architektonischen Qualität“. Schlussendlich gab auch der Bauausschuss der Stadt Freising dem Bauantrag der ErzdiözesegGrünes Licht, erteilte die Erlaubnis zum Abbruch.

von Andreas Beschorner

Fotos: Diözesanmuseum, Thomas Dashuber, Michael Hopf)

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Oktober 2022.
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