Seit über 125 Jahren gibt es den Alpenverein in Freising. Damals waren es sechs Freisinger, die 1887 einen Herrn Waßner zu ihrem Vorstand wählten. Gemeinsam galt es, Fahrten in die stets vor Augen stehenden Alpen zu machen, die dortigen Berge zu erklimmen und in der Gemeinschaft die Vielfalt der Natur zu erleben. Bis heute hat der Verein genau diese Ziele im Auge behalten. Das Klettern in der Halle im Seilerbrückl ist für viele Neumitglieder auch heute noch Türöffner in den Verein, der sich als Sportverein, Kulturverein und Naturverband sieht. Verteilt auf Geckos, Pandas und Trolle, auf Hochtouren-, Familien-, Wettkampf-, Sport- und Alpinklettergruppen bereitet der DAV Freising für unterschiedlichste Alters- und Interessengruppen den Weg in die Berge, die Natur und die Gemeinschaft. Ergänzt wird das Angebot durch die Ski- und Kanu-Abteilungen. Daher ist es wohl nicht verwunderlich, dass aus den sechs Gründungsmitgliedern mittlerweile 3900 Kinder, Jugendliche und Erwachsene geworden sind. Damit zählt die Freisinger Sektion des Deutschen Alpenvereins zu den größten Vereinen im Landkreis.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert, in der Zeit des Prinzregenten Luitpold, war es vor allem das gehobene Bürgertum, das sich den Genuss des Wanderns und Bergsteigens gönnte. „Aus heutiger Sicht finde ich es immer wieder erstaunlich, wie weit die Mitglieder in einer Zeit ohne Auto gekommen und wie hoch sie in die Berge gestiegen sind“, drückt Christian Rester, erster Vorsitzender das DAV Freising, seine Bewunderung für die hiesigen Pioniere aus. Zu deren Vorbildern wird wohl auch der einheimische Priesteranwärter Stefan Steinberger gehört haben. Ihm gelang bereits einige Jahre vor der Gründung der Freisinger Sektion die Erstbesteigung der Königsspitze, einem der höchsten Berge der Ostalpen, sowie die erste Alleinbegehung des Monte Rosa in den Walliser Alpen.
Nach anfänglicher Euphorie, dem Ersten Weltkrieg und den Wirren von Revolution und Weltwirtschaftskrise kam das Leben des Freisinger Alpenvereins in den zwanziger Jahren fast zum Erliegen. Wären da nicht die Arbeiter und Handwerker gewesen, die ihr Interesse am Gebirge entdeckten und sich in einer eigenen Sektion mit Namen Bergfriede zusammenschlossen. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg pachteten sie ein Stück Land in den Alpen als zukünftige Anlaufstelle. Nach der NS-Zeit, in der die NSDAP darauf drängte, dass sich beide Vereine im Jahr 1933 zusammenschlossen, bauten die Vereinsmitglieder genau auf diesem Stück Land 1953 gemeinschaftlich die bis heute bestehende Längentalhütte. Oberbürgermeister Max Lehner, ein ausgesprochener Freund der Sektion, setzte sich stark für den Bau ein. Die zweite Vereinshütte am Setzberg über dem Tegernsee gilt bei vielen älteren Mitgliedern als emotionaler Ort der Erinnerung. Hier wurden und werden Freundschaften geschlossen und gepflegt. Nicht nur bei den Mitgliedern ist dieser Ort sehr beliebt: Bei seinen Besuchen in der Nachbarschaft kehrte der norwegische Karikaturist und Zeichner der Satirezeitschrift Simplicissimus Olaf Gulbransson regelmäßig ein und verewigte sich mit einer Zeichnung und einem persönlichen Gruß im ersten Hüttenbuch. Und über Papst Benedikt XVI., der als Student des Priesterseminars eine der Hütten besuchte, wird erzählt, dass er ein sehr netter Mensch sei, als Skifahrer aber kein Talent hätte.
Nachdem die Vereinsgeschäfte lange Zeit in den heimischen Wohnzimmern geregelt und Mitgliederversammlungen am Stammtisch abgehalten wurden, zwangen die gestiegenen Mitgliederzahlen den Verein dazu, sich in den siebziger Jahren ein Büro gegenüber dem Kriegerdenkmal anzumieten. Bis 1998 waren diese Räume in Gebrauch. Dann sollten Verwaltung und Kletterhalle, die damals im ehemaligen Schlachthof untergebracht war, zusammengelegt werden. Es galt einen Standort aufzutun, der möglichst innerstädtisch lag, sodass auch Kinder und Jugendliche die Räume mit dem Fahrrad erreichen konnten. Nach langer Suche wurde Christian Rester, der damals bereits als erster Vorsitzender tätig war, im Seilerbrückl fündig. Das ehemalige Lagerhaus aus den zwanziger Jahren, das jahrelang von der Bundeswehr genutzt wurde, wurde in tausenden von Arbeitsstunden und mit großem finanziellen Aufwand in Eigenregie hergerichtet, die Kletterhalle geplant und montiert, die Außenfassaden angestrichen, Toiletten eingebaut, Räume für Büro, Besprechung und Versammlung eingerichtet. Bis heute sind die Türen hier immer offen, ständig ist etwas los. Wie beliebt das Angebot ist, zeigen der rege Zulauf und die Tatsache, dass der Verein aus allen Nähten platzt. Daher stellte Rester im Jahr 2005 die erste Anfrage nach einem Erweiterungsbau beim Hauptausschuss. Acht Jahre und zahlreiche Überarbeitungen der Pläne später ist der Spatenstich für den Neubau hinter der bestehenden Halle zum Greifen nah. Eine Million Euro soll der Bau kosten, zu achtzig Prozent vom Verein durch Spenden, Vereinsbeiträge, Einsparungen und viel Eigenleistung getragen. Unter dem neuen Dach wird es eine 14 Meter hohe Kletterhalle, einen Aufwärmraum, Umkleiden, ein Bistro und Platz für ein kleines Büro geben.
Sportliche Erfolge wie die von Mona Keller als Deutsche Meisterin, Zweite der Europameisterschaft und Dritte der Jugend-Weltmeisterschaft in Singapur oder des Nachwuchsteams, das bereits zum vierten Mal in Folge die Gesamtwertung des Südostbayern-Cups gewonnen hat, machen die Freisinger Sektion auch über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt. 2006 würdigte die Dresdner Bank die Tätigkeit mit dem Grünen Band der Jugendsportförderung, einem deutschlandweiten Programm. Wie hoch das Ansehen des Vereins ist, zeigt auch die Bouldernight, eine Erfindung der Freisinger Kletterer, die mittlerweile in ganz Bayern kopiert wird und zu der im Januar 500 Gäs-te aus dem süddeutschen Raum, Thüringen und Österreich kamen. Vor 125 Jahren, als es nur wenige Mitglieder zu betreuen gab, war es noch das Dienstmädchen des ersten Vorsitzenden, das die Mitgliedsbeiträge persönlich in der Stadt einsammelte. Heute sind es etwa 40 Ehrenamtliche – Jugendleiter, Trainer, Hallenaufsichten, Abteilungsleiter und Vorstände – die sich um die Organisation und Verwaltung des Vereins im Seilerbrückl kümmern; die Mitgliedsbeiträge werden schon lange per Bankeinzug eingeholt.
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Februar 2013.
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