Wir gehen jetzt ins Gefängnis
Sibylle und Klaus Neuenfeldt genießen den Ruhestand

Am 07. Juli 2007 eröffneten Sibylle und Klaus Neuenfeldt ihr Weinlokal im Alten Gefängnis. Sie boten damit vielen Neugierigen die Möglichkeit, sich endlich einmal in den Räumen hinter den lange Zeit verschlossenen Türen umzusehen. Nach zehn Jahren hat sich das Wirteehepaar nun am 23. Dezember 2017 in den Ruhestand verabschiedet. Zehn Jahre, die beide entspannt und zufrieden wirken lassen. Obwohl das Abenteuer Weinlokal zu Beginn beinahe ein Sprung ins kalte Wasser war.

Klaus Neuenfeldt, eigentlich Brauer, wurde, kurz bevor die Sanierungsarbeiten im ehemaligen Gefängnis losgingen, aufgrund einer Firmenumstrukturierung arbeitslos. Selbst immer schon interessiert an einer erneuten Nutzung des historischen Gebäudes, engagierte er sich daraufhin im gleichnamigen Förderverein, beaufsichtigte die Bauarbeiten und legte selbst mit Hand an. Im Kopf herrschte bereits Gewissheit darüber, dass hier im Erdgeschoss gerade die eigene Wirtschaft entstand. „Mit der Idee einer Wirtschaft sind wir immer schon schwanger gegangen“, berichtet Sibylle Neuenfeldt. „Bereits nach dem Studium hatten wir uns schon einmal um ein Lokal beworben. Das ist aber nichts geworden. Und dann haben sich diese Räumlichkeiten angeboten. Wir wussten, wie schön das Gebäude mit seinen Gewölben ist.“ Da es in Freising bereits ausreichend Bierwirtschaften gab, sollte die eigene ein Weinlokal werden. „Zu Beginn habe wir dann schon einige Weingüter besucht. Und wir haben die meisten Weine dann auch direkt von diesen bezogen. Kontakte haben wir selber geknüpft, sind viel rumgefahren“, erinnert sich der Wirt. Etwa achtzig Prozent der Weine auf der Karte wurden bis zum Schluss direkt von den Weingütern bezogen. Aus Franken und Österreich. „Anfangs haben wir den Wein sogar noch selbst aus Italien mitgebracht. Aber die Mengen reichten nie aus, um die Nachfrage befriedigen zu können.“

Die Einrichtungsgegenstände sind alles Einzelstücke, die individuell angeschafft, angefertigt und in das Gesamtbild eingefügt wurden. Für die entsprechende Atmosphäre sorgten Leuchten, die als original Kopien der Lampen des ehemaligen Weinlokals im Landratsamt angefertigt wurden. Diese wiederum waren selbst Kopien der Lampen aus der Sakristei der Neustifter Pfarrkirche. Die umlaufenden Bänke wurden durch das Team des Fördervereins angefertigt. „Als Tische wollten wir solche, wie sie in den alten Wirtschaften stehen. Mit einem dunklen Gestell und den Ahornplatten. Das hat uns gut gefallen, und wir haben sie dann vom Schreiner machen lassen“, berichtet die Wirtin. Auch der Kachelofen hat seinen Platz über Umwege in das Gefängnis gefunden: „Der Ofen ist eine Anfertigung von einem Ofenbauer. Die Kacheln sind zwar historisch, stammen aber nicht aus dem Gefängnisbau“, erinnert sich Klaus Neuenfeldt. „Sie wurden aus einem alten Haus herausgebaut. Da sie aber leider nicht ganz langten, mussten wir improvisieren. Wir haben dann die gleichen Fliesen auf einem anderen Dachboden noch einmal gefunden. Die haben zufällig gepasst.“

Und der Tresen wiederum stammt von einem Thekenbauer. „Es war ein Problem, die Theke reinzubringen. Das ganze Teil wurde im Stück geliefert. Die Lieferanten haben aber dann festgestellt, dass sie das gute Stück so nicht um die Ecken bringen. Und durchs Fenster ging es auch nicht, da die Gitter davor sind. Sie mussten sie dann demontieren, nach der Spüle irgendwo durchschneiden. Bis auf die große Edelstahlplatte. Die ging als Einzelteil gerade so durch“, berichtet er weiter schmunzelnd.

Der große Stammtisch war ein spezieller Wunsch der Chefin: „Ich habe damals gedacht – und damit recht behalten – dass sich dieser kleinere Raum gut für kleinere Gruppen eignet. Die könnten sich dann separat an einen großen Tisch setzen, auf den man das Essen schön draufstellen kann.“ „Bestimmt wollen die das nicht haben“, gab hingegen der Ehemann zu bedenken. „In die Wirtschaft geht man doch, um andere zu sehen und selbst gesehen zu werden. Wir haben es aber dann doch gemacht. Und jetzt ist es eigentlich ein beliebtes Zimmer.“ Mittlerweile wird der Raum von Stammtischen genutzt. Einzelne Leute gehen selten an diesen großen Tisch, wenn alternativ etwas anderes frei ist. Beliebt ist hingegen der einzelne Tisch im Gang. Hier sind die Akustik und der Überblick über die, die Kommen und Gehen, am besten.

Insgesamt ist die Akustik durch die hohen Gewölbe ein kleines Problem. Auch Stoffbezüge unter Tischen und Bänken konnten gegen den hohen Schallpegel nur wenig ausrichten. Insbesondere das Lüftungsrohr zwischen Stammtischzimmer und dem danebenliegenden Gastraum sorgt regelmäßig für Irritation. Denn obwohl man durch eine massive Wand von einander getrennt sitzt, sind die Stimmen und das Gelächter der anderen Gäste deutlich zu hören. Bis heute sind dem Wirteehepaar dennoch keine Lauschangriffe bekannt. „Uns war es lange Zeit nicht bewusst, wie deutlich man die Stimmen wahrnimmt, weil wir da natürlich normalerweise nicht sitzen. Irgendwann haben wir dann mitbekommen, dass es so ist, als ob man nebendran sitzt. Einmal gab es eine Gruppe, die sich konzentriert besprechen wollte, sich jedoch durch das Gelächter der anderen gestört fühlte und kurzerhand Kissen in das Rohr stopfte.“

Das Konzept hat sich nach und nach entwickelt, von einer Brotzeitwirtschaft hin zu einem Weinlokal mit ganz speziellen, regionalen Gerichten. Die Gäste sollten kommen, um gemütlich einen guten Wein zu trinken und dazu Kleinigkeiten essen. Motivation und Nachfrage führten dazu, dass aus Käsewürfeln und Schmalzbroten, individuelle Snacks und kleinere warme Mahlzeiten wurden. „Die ursprüngliche Idee war, dass man einfache Brotzeiten zum Wein anbietet. Dann haben wir mal einen Zwiebelkuchen und eine Suppe gemacht. Das kam halt gut an. Und dann haben die Leute immer öfter gefragt, was es heute denn gibt? Das war schon schön, dass die Leute darauf eingestiegen sind, was wir ihnen da anbieten. Und mir war das mit der Brotzeit auch relativ schnell zu langweilig“, gesteht Sibylle Neuenfeldt lachend.

Nachdem in den Monaten nach der Eröffnung zahlreiche Neugierige die renovierten Räume einfach nur besichtigen wollten, kamen nach und nach auch Gäste, die blieben. „Am Anfang kamen viele, um zu schauen, fanden es schön und meinten beim Rausgehen ‚wir kommen dann mal, wenn ihr aufhabt‘. Dabei hatten wir ja schon offen!“ Am Anfang waren es dann eher ältere Leute, die die ungewöhnliche Atmosphäre genossen, beschreibt Klaus Neuenfeldt die ersten Gäste. „Bevor wir die Wirtschaft wirklich aufgemacht haben, gab es regelmäßige Baustellenwochenenden, damit ein bissl Geld reinkommt, damit wir wieder weiterbauen konnten. Da hatten wir dann Samstag- und Sonntagnachmittag regelmäßig offen, mit Kaffee und Kuchen an Biertischen im Rohbau. Damals war noch totale Baustelle. Viele haben gesagt, lasst es doch so. Durchs ganze Haus ist eine Lichterkette gegangen, da noch keine Lampen drin waren. Und der Strom ist regelmäßig zusammengebrochen, da noch nichts richtig verkabelt war. Abenteuerlich, aber richtig gemütlich. Viele von denen sind dann auch nach der Eröffnung geblieben.“

Nach und nach wurden die Gäste dann jünger. Eine Zeit lang kam sogar eine Gruppe 25-Jähriger aus Sünzhausen. Zehn bis fünfzehn Personen, die alle zwei Wochen geschlossen einfielen. „Die haben ordentlich Zeche gemacht. Und sind dann alle geschlossen wieder gegangen. Haben ihre Verletzten mitgeschleppt. Niemand blieb zurück. Das war nett. Die sind im Pulk eingefallen und im Pulk wieder gegangen“, erinnern sich beide an diese erste Zeit.

Die Ideen für ihre ausgefallenen Gerichte recherchierte Sibylle Neuenfeldt nächtelang: „Ich schaue gerne Kochbücher an und koche gerne saisonal. Was es aktuell an Gemüse gibt, wird verwendet. Im Herbst natürlich erst einmal Zwiebelkuchen und dann auch andere Quiches. Kürbis im Herbst, Bärlauch im Frühjahr. Im Sommer viel Salat. Es gab eine Zeit, da habe ich gerne fränkische Spezialitäten gekocht. Fleck oder Panzen oder Herz sauer. Wenn es in der Bibliothek neue Kochbücher gab, gerade welche, die sich mit Gemüseküche beschäftigen, dann habe ich mir das ausgeliehen. Manchmal habe ich im Traum ganze Nächte durchgekocht.“

Während es bei anderen heißt: „Tschüss Schatz, ich gehe jetzt in die Arbeit“, hieß es bei den Neuenfeldts immer: „Wir gehen jetzt ins Gefängnis“! Und auch seitdem sie beide im Ruhestand sind, sind sie der ehemaligen Wirkungsstätte verbunden geblieben. Denn jetzt haben sie Zeit und Lust, sich entspannt privat mit Freunden an den Tisch ihrer Wahl zu setzen.

 

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Februar 2018.
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