Wer kann schon von seinem Job sagen, dieser sei „wie ein Sechser im Lotto“? Marco Hötzel vertritt diese Meinung mit Überzeugung. Trotz eines „gefühlten Zwölf-Stunden-Jobs“ plus Nacht- und Wochenend-Einsätzen, wie er einräumt, und einem Arbeitsplatz, der noch immer einige Leute die Nase rümpfen lässt: Marco Hötzel ist seit 1. Oktober 2010 Leiter der Freisinger Kläranlage. Nicht nur der 39-Jährige ist mit seinem neuen Wirkungskreis absolut zufrieden, auch die Stadtentwässerung Freising als Arbeitgeber hat mit dem Betriebsleiter einen Glücksgriff gemacht: Hötzel ist gelernter Ver- und Entsorger und diplomierter Umwelttechniker. „Ich denke, diese Kombination aus praktischer und theoretischer Erfahrung ist für Freising ein Gewinn“, bestätigt Hötzel.
Für ein Gespräch hängt er am Ende eines langen Arbeitstages, der gegen 6.20 Uhr mit einem Kontrollgang durch das Werk an der Parkstraße begonnen hat, noch ein gutes Stündchen an. Entspannt sitzt Hötzel im Besprechungszimmer des Betriebsgebäudes und bilanziert lächelnd: „Ich bin angekommen.“ Die anfänglichen Schwierigkeiten mit der bayerischen Sprache hat der gebürtige Hesse überwunden. Und kürzlich konnte er von einem winzigen Appartement in eine größere Wohnung wechseln – „jetzt kann meine Freundin endlich nachkommen.“
Eingetroffen in Freising ist Marco Hötzel bereits im Juli vergangenen Jahres. Er hatte sich gegen 40 Konkurrenten um die Stelle durchgesetzt: „Es gibt in Deutschland nicht so viele große Kläranlagen wie die in Freising, wo ein Umweltingenieur als Leiter gesucht wird“, weiß Hötzel und sieht seine erfolgreiche Bewerbung folglich als „Sechser im Lotto“. Sein Vorgänger Willi Frankl führte ihn in die Raffinessen der Kläranlage ein. „Das Freisinger Klärwerk ist wirklich sehr speziell“, räumt Hötzel schmunzelnd ein. In seinem bisherigen Berufsleben habe er keinen Betrieb mit räumlich so begrenzten Möglichkeiten kennengelernt. Die Lehre und die Gesellenzeit absolvierte Hötzel in einem Klärwerk in seiner Heimat Hofgeismar bei Kassel. Nach Abitur und Fachhochschulstudium als Diplom-Ingenieur technischer Umweltschutz mit den Schwerpunkten Wasser- und Abwassertechnologie war er in zwei Ingenieurbüros tätig. „Ich kannte nur Anlagen außerhalb von Städten auf der grünen Wiese.“ In Freising dagegen befinde sich das Betriebsgelände in der Stadt, quasi ohne Erweiterungsmöglichkeiten. „Man hat sich viele Tricks einfallen lassen“, sagt er anerkennend.
Die Jahre der umfangreichen Modernisierung liegen vor Hötzels Dienstbeginn in Freising: Hauptsächlich in den Jahren 2004 bis 2007 wurde die Anlage für rund 16 Millionen Euro grundlegend ertüchtigt. Beeindruckt haben ihn die Abdeckung von Becken und die Abluftreinigung für den Schutz der Anwohner: „Mir ist gleich aufgefallen, dass es hier nicht riecht.“ Ebenso imponieren ihm die bakterienbestückten Schaumstoffwürfel, durch die man die Belebungsbecken nur mehr halb so groß bauen musste. Und auch eine Wasser-Entkeimung, um für die Isar eine Badewasserqualität zu gewährleisten, habe er in einem Klärwerk nicht gekannt: „Das gibt es in Hessen nur im Bereich Trinkwasser.“ Was Hötzel aber „wirklich überraschte“, wie er betont, ist das Ergebnis der Optimierungsmaßnahmen: „Die Abwasserwerte sind einfach super!“ Tatsächlich liegt der Reinigungsgrad bei sagenhaften 99,4 Prozent.
Wer nun glaubt, die Freisinger Abwasserreinigung komme auf absehbare Zeit ohne Investitionen aus, täuscht sich: „Unsere Kläranlage ist wirklich gut, aber es gibt immer etwas zu verbessern.“ Irgendwo werde immer etwas repariert – und die nächste Baustelle sei schon in Sicht: Der Gasspeicher müsse in absehbarer Zeit generalsaniert werden. Außerdem sei trotz der energetischen Optimierung für zwei Millionen Euro im vergangenen Jahr „Energiesparen immer ein Thema – da bleiben wir dran“, betont der Betriebsleiter. Sein Ehrgeiz sei es, dass die Kläranlage „richtig gut läuft“.
Unterstützt wird er dabei von 20 Mitarbeitern. „Eine gute Mannschaft“, lobt der Chef sein Team. Zu den Aufgaben von Marco Hötzel gehören auch Führungen – für Kinder ebenso wie für ein erwachsenes Laienpublikum oder für Studenten, die vom großen Fachwissen des Umwelttechnikers profitieren. Freizeit bleibt Hötzel momentan nicht viel, um sich mit seinen Steckenpferden Kultur und Geschichte zu beschäftigen. „Ich bin ein wandelndes Geschichtslexikon“, verrät er. Auch von Freising weiß er schon einiges – natürlich vom Heiligen Korbinian, der den Bären zähmte, er kennt die Legende vom Brand der Föhringer Brücke und dass Freising erst nach der Säkularisation 1803 bayerisch wurde. Wenn es seine Zeit zulässt, ist Marco Hötzel mit dem Fahrrad unterwegs. „Freising ist wunderschön“, versichert er. Hier habe er „eine Lebensstellung“ gefunden.
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Oktober 2011.
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