Jetzt bin ich aber mal gespannt! Seit etlichen Jahren muss ich mir anhören, dass ich doch endlich mal zum Schuhbauer nach Kirchdorf fahren soll. „Der is so unglaublich gut, Timi, da kannst sicher schön drüber schreiben!“, haben die Leute gemeint. Und genau das ist manchmal das Problem. Was soll man denn schreiben, wenn es einfach nur „unglaublich gut“ war? Das sind dann ziemlich genau drei Sätze und meine Kolumne ist zu Ende. Toll, ich werde pro Zeile bezahlt! Mein Problem ist zusätzlich, dass gestern Redaktionsschluss war und ich dringend etwas liefern muss. Das kann ja was werden. Also, auf geht‘s zum Schuhbauer und hofft mit mir, dass ich was Interessantes zu schreiben finde.
Wir betreten das Wirtshaus und es ist schon gut gefüllt. Zum Glück hatten wir gestern noch reservierte, sonst wären wir leer ausgegangen. Aber so haben wir einen gemütlichen Ecktisch in der Hubertus Stuben bekommen. Eine tote Hirschgeweih-Familie starrt mich von der Wand an. Das ist Geschmackssache, passt aber gut ins Ambiente.
Der Extrapreis des Tages geht an die Servicekräfte. Lauter fesche Madln im Dirndl, die allesamt sehr freundlich, gut ausgebildet und unglaublich schnell sind. Keine fünf Minuten nach Bestellung steht unser Essen auf dem Tisch, das ist neuer Rekord! Da muss alles klappen, da muss die Küche top vorbereitet sein, da müssen alle Abläufe flutschen. Und das ist hier der Fall. Wirklich gut!
Laut ist es hier drin. Ein paar Kinder plärren, hinter mir wird heiß über das 4:4 des letzten Deutschland Spieles diskutiert. Aber irgendwie passt das zum rustikalen Stil des Gastraumes.
Die Karte kommt. Ui, da gibt‘s tolle Sachen, jetzt krieg ich Hunger. Die Entscheidung fällt mir heute nicht gerade einfach. Nach langem Zögern fällt die Wahl auf die „Viertel Ente“. Mit Kartoffelknödel, Selleriesalat und Blaukraut. Da kann man nur hoffen, dass es schmeckt wie bei der Mama.
Und das tut es! Da in Bayern bekanntlich die Soße der wichtigste Bestandteil der Essens ist, beginnen wir mit ihr: Oftmals bestelle ich Ente bzw. Gans nur deshalb nicht, weil ich berechtigte Angst vor einer allzu fettigen Soße habe. Das ist hier nicht der Fall. Wunderbar emulgiert und mit leichter Balsamico Note – hier war wahrlich ein Meister am Werk. Und dieser Meister ist nicht geizig. Die Ente und die Knödel schwimmen buchstäblich darin. So muss das sein! Das Blaukraut wird separat serviert, das ist gut so, sonst würde es auch in der Sauce schwimmen. Und das wäre schade. Die Knödel erinnern ein wenig an Fertigprodukte, so perfekt ist deren Konsistenz und Form. Geschmacklich merkt man dann aber doch stark den Unterschied – diese Knödel wurden mit ganz viel Liebe gemacht, da bin ich mir sicher. Die Ente selbst wird neben den perfekten Beilagen fast ein wenig zum Nebendarsteller. Sie ist schön saftig und butterweich. Nur die Haut könnte ein bisschen knuspriger sein.
Während ich so vor mich hin esse und meinen Blick schweifen lasse, fällt meine Aufmerksamkeit auf einen kleinen Flyer für einige Events am Abend. Dort ist auch das jeweilige Menü zum Event abgedruckt. Solche Speisen hätte ich von einem alt ein- gesessenen Landgasthof in fünfter Generation nicht erwartet: „Bleeding Cross“ Spicy Rindertatar mit Chilli-Gelee oder „Brennender Sarg“ Praline vom Ochsenschwanz und Stopfleber mit Trüffeljus, Zwetschgenkompott und gebräunter Polenta. Ich bin von soviel Innovation sehr begeistert, das liest sich wirklich traumhaft. Das hätte ich hier nicht erwartet. Wunderbar! Das werde ich mir nicht entgehen lassen! Auch eine nette Idee sind die drei-, vier-, oder fünf- Gänge Überraschungs Menüs für Unentschlossene: Die Küche bereitet hier quasi ein Best-Of der Speisekarte zu und man hat einen Einblick in die Vielseitigkeit des Küchenteams. Und das für einen ziemlich günstigen Preis.
Als Nachtisch gibt es noch einen „lauwarmen Bananenkuchen mit Vanilleeis“. Wow! Kuchen sollte einfach immer lauwarm sein! Dazu reichlich cremige Karamellsauce und ein zart schmelzendes Vanilleeis. Garniert mit frischem Obst – und fertig ist die perfekte Nachspeise. Besser geht ́s nicht!
Ich bin begeistert vom Schuhbauers, dem freundlichen Service, der wahnsinns Küche und konnte mir endlich mal ein eigenes Bild machen. Meine anfängliche Angst, das es kaum was zu schreiben gibt hat sich ins Gegenteil gewandelt: Man könnte wahrlich eine zehnseitige, spannende Reportage über den Schuhbauer schreiben, dafür gibt es definitiv genug Material.
Bis demnächst, Timi
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom November 2012.
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