Timi geht essen: Dampftheo

Wir wollen anständig essen gehen und eine kleine Bar namens Dampftheo wird vorgeschlagen. Vor einer gefühlten Ewigkeit war ich mal da. Eigentlich nur auf einen Spezi (Getränk). Doch dann hat ein Spezi (Person) einen fünfzig D-Mark Schein auf dem Boden gefunden! Wir waren reich! Also alles sofort in diverse Biere und Schnitzel investiert. Das war ein Festmahl! Seit damals war ich nicht mehr da – Zeit also zu klären, ob das Schnitzel immer noch so gut wie in meiner Erinnerung ist oder ob es nur am Adrenalin in meinem Blut, bedingt durch das gefundene Geld, lag.

Wirklich brauchbare Informationen wie eine Speisekarte oder Bilder finde ich über das Dampftheo im Internet leider nicht. Auf der Seite der Mercure Hotels kommt bei der  Freisinger Niederlassung nur eine peinliche Fehlermeldung. Bei Recherchen zum Namensgeber des Restaurants stoße ich dann rein zufällig auf den sehr interessanten Wikipedia-Artikel über einen gewissen Herrn Ganzenmüller:
Theodor Ganzenmüller (* 9. November 1864 in Augsburg; † 27. Dezember 1937) war ein deutscher Maschinenbau-Ingenieur und Hochschullehrer. Er spezialisierte sich früh auf Brauereitechnik und revolutionierte mit der Einführung der Dampfmaschine um die Wende zum 20. Jahrhundert das Brauereiwesen. Dabei ersetzte er die Direktbefeuerung der Braukessel durch Dampfbefeuerung, was ihm den Beinamen Dampftheo einbrachte.

Am 1. November 1894 wurde er zum Professor an der Königlich Bayerischen Akademie für Landwirtschaft und Brauwesen in Weihenstephan (späteres Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt der Technischen Universität München) ernannt, ab 1904 amtierte er auch als Vorstand der Akademie.

Am 23. Dezember 1936 verlieh die Stadt Freising Theodor Ganzenmüller die Ehrenbürgerwürde, nordwestlich der Innenstadt wurde eine Straße nach ihm benannt.
Seine Ernennung zum Professor im Jahr 1894 gilt als Geburtsstunde zahlreicher Lehrstühle in Weihenstephan. Unter anderem gehen die heutigen Lehrstühle für Energie- und Umwelttechnik der Lebensmittelindustrie sowie für Lebensmittelverpackungstechnik auf ihn zurück. Er war einer der wichtigsten Hochschullehrer der Akademie für Landwirtschaft und Brauwesen in Weihenstephan.
(http://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Ganzenmüller)

Im sogenannten „Barrestaurant“ des Namensgebers spielt zudem jeden Freitag eine Live Band. Wir wollen zwar nur etwas essen, mit Band wird es aber sicher umso unterhaltsamer. Eine Blues Band soll da sein, die Brothers in Blues. Hört sich super an!
In dem kleinen Gewölbe unter dem Restaurant zur alten Schießstätte herrscht schon große Aufregung als wir eintreffen. Der Gitarrist der Band zupft zum Soundcheck ein paar komplizierte Akkorde, im großen Fernseher auf der Bühne dudelt der Nachrichtensender N24 und die beiden Kellner sind hektisch aufgeregt aber professionell.  Wir bekommen gerade noch den letzten Tisch direkt vor der Gitarrenbox, die übrigen Tische sind bereits besetzt oder reserviert. Uns wird im Eifer des Gefechts eine Karte auf den Tisch geschoben und wir werden mit den Worten „ich komm gleich“ begrüßt.
Eine wirklich schöne Atmosphäre herrscht hier unten. Sehr gemütlich. Die Leute sind gut gelaunt, die Kellner geben sich Mühe. Wir bekommen die Speisekarte. Klein aber fein. Gute Zusammenstellung der meist deftigen Speisen; als Dessert wird sogar eine Käseplatte angeboten – der Gedanke gefällt mir: Man kann es sich bildlich vorstellen, in dem Gewölbe bei schwacher Beleuchtung zu sitzen, der Blues Band zu lauschen und an der Käseplatte zu naschen. Nice! würde der junge Bayer sagen.
Für Tom, der mich heute begleitet, soll es eine Tomatensuppe und Käsespätzle mit Salat geben. Für mich das Schweineschnitzel in Meerrettichpanade und Kartoffelsalat. Und ich will extra Pommes dazu. Tom hätte außerdem gerne die Tomatensuppe gleichzeitig zu den Spätzle serviert, weil er gerne die Suppe und die Spätzle parallel essen möchte. Der Kellner nickt und bestätigt mit einem professionellen „gerne!“. Zu trinken gibt’s einen Spezi und ein Weihenstephaner Helles. Andere Brauereien gibt es leider nicht.
Bereits nach 10 Minuten kommt die Tomatensuppe. Leider ist die Suppe eher eine Sauce. Sehr dickflüssig, fast wie passierte Tomaten. Der obligatorische Klecks Schmand fehlt und sie könnte wärmer sein. Geschmacklich ist die Suppe allerdings gut, leicht zwiebelig und die Kräuter-der-Provence Mischung aus der Metro ist auch in dieser Küche anscheinend ein gern verwendetes Helferlein. Zur Suppe gibt es Brot. Vermutlich sogar selbstgemacht. Als alter Hobby-Bäcker freue ich mich darüber sehr. Auch geschmacklich sehr gut. Das reißt die Tomatensuppe wieder raus. Nach zwanzig Minuten folgen dann unsere Hauptgerichte. Die Käsespätzle werden in einer knallheißen gusseisernen Pfanne serviert und sind mit frittierten Zwiebeln dekoriert. Die Pfanne wird uns mit den abermals professionellen wie knappen Worten „vorsichtig, heiß“ überreicht. Die Spätzle selbst sind allerdings kalt. Im wohlwollendsten Falle vermutlich als lauwarm zu bezeichnen. Den Trick würde ich gerne kennen. Wie funktioniert das? Wird die Pfanne im Ofen erwärmt und die Spätzle kommen aus der kaputten Mikrowelle? Muss ich nicht verstehen. Der Beilagensalat  ist recht ordentlich, sieht ein bisschen aus als hätte ihn eine blinde Oma zurecht gezupft. Modern ist das nicht. Der Krautsalat ist gut, aber vermutlich gekauft. Da lass ich mich auch vom hinzugefügten Kümmel nicht verwirren. Geschmacklich ist alles in Ordnung und als Mittelmaß zu bezeichnen. Die Portion ist nicht wirklich groß, Tom könnte locker das Doppelte essen, ohne dass er ein sonderlich guter Esser wäre. Mein Schnitzel soll angeblich in einer Meerrettichkruste paniert sein. Davon schmeck ich nix. Schade. Dem Kartoffelsalat fehlt Essig und die Brühe ist dem Koch ausgekommen. Aber er ist selbstgemacht. Also der Kartoffelsalat. Der Koch vermutlich aber auch. Ich glaube, ich habe hier einen Funken Liebe im Essen entdeckt. Dankeschön. Diese fehlt dem Schnitzel ein wenig. Die Pommes entbehren jeglicher Wertung – die kann man einem 10 Jährigen vorsetzen. Mittelmaß, immer wieder Mittelmaß.
Die Band beginnt zu spielen. Die Brothers in Blues heißen sie, merkt der Bassist an. Und man soll sich bitte nicht unterhalten, wenn´s geht. Durch das Gewölbe gibt es da dann wohl akus-tische Probleme beim Sound. Keine Ahnung, was der meint. Wir lauschen dann also quasi stumm den ersten drei Songs der Band. Sogar Bob Dylan spielen sie. Wirklich gut. Sollte man sich merken, die Band. Ein Gast meint sogar, der Bob Dylan Song wäre besser als das Original… dieser miese Schleimer.

Wer einen netten Freitag Abend bei anständiger Musik, netten Leuten und guten Getränken verbringen möchte, ist im Dampftheo verdammt richtig. Die Atmosphäre hier ist wirklich verdammt lässig. Eine Reservierung kann ich auch wärmstens empfehlen – bei uns war es sehr voll. Das Essen ist leider Mittelmaß. Könnte aber mit ein, zwei Änderungen wirklich schnell verbessert werden.

Es grüßt euch ein zuversichtlicher Timi

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Februar 2013.
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