Hohe Kochkunst im alten Kuhstall
Biohof Braun in Achering

Der Gewölbekeller ist schlicht und wirkt dennoch edel, die Tische sind für den Abend gedeckt. Auf jedem steht eine kleine Vase mit gelb blühendem Dill, ein feiner Duft nach Anis und Brot liegt im Raum. Auf einem Holztisch in der Mitte stapeln sich Brotlaibe und Baguette-Stangen auf einem Nudelbrett, lustig geformt mit Spitzen und Dellen. Keines ist wie das andere. Daneben: Salz, Pfeffer, ein Brotmesser – ein Stilleben! Kunst mit Brot, könnte man meinen.

Johanna Braun, die Bäckerin von heute morgen, steht in der Küche, wo das Abendmenü in Arbeit ist. Sie trägt eine grüne Kochschürze, an deren Seite ein kariertes Geschirrtuch hängt. Um die dunklen Haare hat sie ein schwarzes Band geschlungen. Es ist Freitagnachmittag, 16 Uhr auf dem Biohof Braun in Dürneck. In der Küche werkeln vier weitere junge Frauen im gleichen Outfit. In ruhigem Ton gibt die Chefin ihre Anweisungen: der Käse muss gewürfelt, Rote Bete und Blumenkohl in Scheiben geschnitten, Kräuter, Kapuzinerkresse, Rosenblätter und Himbeeren aus dem Garten geholt werden – als Würzzutat und Dekoration. Die achtjährige Tochter Mona darf mithelfen. Sie wälzt kleine Fleischkugeln in Semmelbröseln und erzählt munter, dass heute Stier Amadeus auf die Teller kommt. Ob es ihr nicht leide täte. „Ja schon“, sagt Mona ganz selbstverständlich, „er hatte soo schöne Locken. Aber wir haben wieder einen neuen, den Felix.“

Mutter Johanna Braun hat in Oxford Kunst studiert, bevor die 32-Jährige in die Heimat zurückkehrte. Tochter Mona war einer der Gründe dafür. In der Bauernküche ihrer Mutter begann die Tochter für Bio-Gourmets zu kochen. Irgendetwas mit Essen und Kunst wollte sie machen, das schwebte ihr vor. „Mit der Zeit wurden es immer mehr Leute, die nach Catering gefragt haben“, sagt die junge Frau, die nicht als Köchin ausgebildet ist und strahlt. „Ich wundere mich heute selbst darüber. Einmal habe ich für eine Hochzeitsgesellschaft mit 120 Gästen gekocht.“

Anschließend waren auch die Eltern reif für alternative Lösungen in Sachen Kochkunst der Tochter. Der frühere Kuhstall, der 28 Jahre nicht mehr seinen einstigen Dienst verrichtet hatte, wurde zum Veranstaltungsraum umgebaut. Direkt daneben bekam Johanna ihre eigene Küche, in der sie fortan waltete und geschlossene Feierlichkeiten und Tagungen mit Bio-Köstlichkeiten bewirtete. Das war vor gut fünf Jahren. Dann ist Cousin Ludwig Rieger ins Geschäft eingestiegen und unterstützt Johanna seither mit der Gestaltung der Internetseite, der Dekoration des Raumes und übernimmt mit anderen Kräften den Service. „Wenn Not am Mann ist, werde ich auch zum Schnippeln eingeteilt“, sagt der junge Mann, von Beruf Landschaftsplaner, der gerade dabei ist, seinen eigenen Biohof aufzubauen.
Nach fünf Jahren ist der Alte Kuhstall fast jeden Samstag von einer Gesellschaft gebucht. „Ich sage mehr Anfragen ab, als ich zusage“, resümiert Johanna. Dazu kommen Veranstaltungen und Tagungen des Landesamtes für Landwirtschaft oder der Universität, bei denen der alte Gewölbekeller auch als Tagungsraum dient. Außerdem sind da die Besucher von Hofführungen, die verköstigt werden, sowie Anfragen von Gästen, die sich für ihre Feier einen anderen Ort ausgesucht haben, aber Johannas Bio-Köstlichkeiten wünschen.

Die Feiern sind schließlich zur Routine geworden“, erzählt die Köchin „und so sind wir vor eineinhalb Jahren darauf gekommen, am Freitag Abend zu öffnen und eine kleine Karte anzubieten oder ein Büfett. Am Freitag sind wir freier, weil die Ideen von uns kommen. Das ist eine schöne Abwechslung.“ „Wir haben viel Stammkundschaft“, ergänzt Kompagnon Ludwig. „Die Gäste melden sich Wochen vorher für einen Termin an, ohne zu wissen, was es zu essen gibt. Sie lassen sich gerne überraschen.“ Sicher ist jeweils nur: Es werden zwei Vorspeisen, zwei Desserts und je eine Hauptspeise mit und ohne Fleisch auf der Karte stehen.

Was es letztlich zu essen gibt, legen Johanna und Ludwig am Montag vor dem Termin fest – je nachdem, was sich an saisonalen Gemüsen, Früchten und Kräutern anbietet, was der elterliche Biohof und Garten an Käse, Obst und Fleisch hergibt und was die Kooperationspartner aus dem ökologischen Umfeld liefern können. Dann stellt Ludwig am Dienstag eine Speisekarte ins Netz. Die besteht erst einmal nur aus Stichworten: Rote Bete, Rucola, Rose, Ziegenkäse für die Vorspeise etwa, Steinpilz, Wiesenkräuter und Gerstengranola für das vegetarische Hauptgericht oder Mohn, Himbeere und Mascarpone für die Nachspeise. „Am Donnerstag ist Liefer- und Ausprobiertag. Erst dann entwickle ich die Kreationen, die am nächsten Abend auf die Teller kommen“, erläutert Johanna ganz selbstverständlich ihr Konzept. „Am Freitag stoßen dann über den Tag verteilt meine Küchenhilfen dazu.“ Außer Ludwig sind heute Christine, Franzi, Susi, Hanna und Moritz mit von der Partie.

Inzwischen ist es 17 Uhr geworden. Johanna erklärt ihren Helfern und Helferinnen, was zu tun ist. Hanna hat eine größere Anzahl von Tellern auf der Anrichte platziert und eine der beiden Vorspeisen übernommen. Es ist ein aparter Mix aus gegarten Roten Beten und rohem Bete-Carpacchio mit Ziegenkäse und Rucola. Im Backofen trocknet der Blumenkohl für die zweite Vorspeise mit Feldsalat, Ananaskirschen und Kapuzinerkresse-Blüten; auf dem Herd köcheln Rindfleisch und Holunder-Rotkraut, eine der Beilagen zum Fleischgericht. Johanna gießt Öl in eine Pfanne und schneidet das Rindfleisch zum Kurzbraten in Scheiben. Zum Stichwort Dürnecker Rind, das als Hauptspeise auf der Karte steht, hat sie einen Dreier-Mix kreiert: Pulled Beef, Kurzgebratenes und Hackbällchen. Amadeus lässt grüßen!
Zwischendurch werden für eine Hofführung Wurstplatten dekoriert, hofeigener Käse geschnitten und dazu Brezenchips serviert. Mona hilft beim Hinaustragen der Brotzeit zum Opa in die Scheune. Von Hektik ist bei alldem kaum etwas zu spüren, eher wirkt die Atmosphäre gechillt, aber konzentriert. Die Wiesenkräuter (Schafgarbe, Dill, Spitzwegerich) für das Gersten-Steinpilz-Risotto sind auf Schälchen verteilt und warten auf die ersten Bestellungen. Es müssen noch Rosenblätter und Himbeeren aus dem Garten nachgeholt werden. Unter der knappen Angabe auf der Karte: ‚Mohn, Himbeere und Mascarpone’ hat die Kochkünstlerin ein Dessert zum Niederknien gezaubert. ‚Mohn-Mascarpone-Eis auf Himbeerspiegel mit feiner Mohn-Himbeer-Schoko-Schnitte’ würde es bei einem Sternekoch heißen.
Essen und Kunst – diese Vision Johannas kann der Gast in jedem Gericht und auf jedem Teller erspüren. Wer ihre Küche einmal kennengelernt hat, lässt sich gerne überraschen. „Wir fragen die Gäste beim Bestellen immer, ob wir ihnen erklären sollen, was sich hinter den Stichworten im Einzelnen verbirgt“, sagt Ludwig Rieger und schmunzelt, „die meisten wollen es nicht wissen.“

Johanna wäre nicht die Tochter der Biobauern Sepp und Irene Braun, würde sie nicht auch etwas von dem Anliegen der Öko-Landwirtschaft an ihre Gäste transportieren wollen. Artgerechte Unterhaltung mittels Kabarett etwa, unter dem Namen ‚Fräulein Brehms Tierleben’, dem einzigen Theater der Welt für heimische bedrohte Tierarten. Und gelegentlich veranstalten Johanna und Ludwig mit den Freisinger Essgefährten das KostMal, ein moderiertes 6-Gänge Bio-Menü, angerichtet mit viel Wissenswertem. Am 25.November geht es unter dem Titel ‚Hopfen küsst Kakao’ um das kulinarische Stelldichein von Bier und Schokolade.

www.biolandhof.braun.de/alter-kuhstall/
(Elisabeth Melzer, Fotos: Siegfried Martin)

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom November 2016.
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